Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt. Jedoch hatten sich bereits zuvor Frauen auf unterschiedlichste Weise für ihre Rechte engagiert. Das Digitale Deutsche Frauenarchive (ddf) gibt einen Einblick in die vielfältigen Formen dieses Engagements und beleuchtet dabei relevante Themen, Akteurinnen und Netzwerke dieses Kampfes in den letzten 200 Jahren.
Das ddf wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und verbindet die Institutionen des i.d.a.-Dachverbandes der deutschsprachigen Frauen/Lesbenarchive, -bibliotheken und –dokumentationsstellen. Es versteht sich als Fachportal für die Geschichte der deutschen Frauenbewegungen, das allen Interessierten Quellen, Informationen und wissenschaftliche Kontextualisierungen zu diesem Themenbereich zugänglich macht.
Über die Startseite und den Blog mit aktuellen Ankündigungen und Beiträgen hinaus, bilden die beiden Rubriken Akteurinnen und Themen das Herzstück der Seite. Gegenwärtig finden sich darin 38 Essays zu sechs Themenschwerpunkten: Arbeit & Ökonomie, Bildung & Wissen, Gewalt, Kultur, Kunst & Medien, Körper & Sexualität, Politik sowie Recht & Gesellschaft. Zwar mag die Anzahl der Essays zunächst gering erscheinen, das Portal ging jedoch erst im September 2018 online und es werden stetig neue Beiträge eingepflegt.
Die Essays spiegeln zudem die Breite der Forschungslandschaft, in der die Untersuchungen zur Geschichte des weiblichen Engagements zu verorten sind. Neben der Geschichte der Bewegungen finden sich über die sechs Schwerpunkte hinaus etwa Beiträge zu Medien-, Wissenschafts- oder Migrationsgeschichte in den verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte und beziehen auch Entwicklungen in staatssozialistischen Gesellschaften ein.
Die Beiträge bieten nicht nur einen wissenschaftlichen Beitrag zu jeweils einem Thema, sondern führen die Nutzer und Nutzerinnen durch die Fülle des vorhandenen Materials. In den Texten finden sich Verknüpfungen zu digital zugänglichen Beiträgen in einem Meta-Katalog. Dies umfasst nicht nur Publikationen im Literatur- und Fußnotenapparat sondern auch Archivalien und Quellen etwa in Form von Plakaten und Textdokumenten. Geplant ist außerdem die Erweiterung des Materials durch Filme und O-Töne.
Ruft man beispielsweise den Essay von Angelika Schaser zum Thema „Partizipationsmöglichkeiten für Frauen in der Politik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ auf, findet sich unter anderem das Digitalisat einer „Petition vom BDF [Bund Deutscher Frauenvereine] an das Kriegsamt“ aus dem Helene-Lange-Archiv. Unter dem Punkt weitere Informationen findet sich eine Verlinkung zum Meta-Katalog. Wer ihr folgt, erhält vielfältige Angaben zum Auffinden des Materials im Archiv, die sich Forscher und Forscherinnen normalerweise unter hohem Aufwand zusammentragen müssen. Neben kleinen Annehmlichkeiten, wie den Kontaktdaten des Archivs, sind die Signatur und der Enthält-Vermerk zum jeweiligen Digitalisat zu finden. Unter Tektonik wird das Material in einer Bestandsübersicht mittels Markierung verortet. Die Nutzer und Nutzerinnen haben somit die Möglichkeit, sich zeitgleich über weitere Archivalien, die für sie von Interesse sein können, zu informieren. Mit einem Klick auf die verfügbaren Digitalisate kann Einsicht in die vorhandenen Dokumente genommen werden. Im Fall des oben genannten Bund Deutscher Frauenvereine und seiner Petitionen betrifft das 70 gescannte Seiten. Auch die übrigen Essays sind verlinkt. Sie verweisen etwa auf die Dokumentationsstelle zur nichtstaatlichen Frauenbewegung in der DDR „GrauZone“ bei der Robert-Havemann-Gesellschaft in Berlin, auf das Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel oder die feministische Bibliothek MONAliesA in Leipzig. Den Essays schließen sich zudem Hinweise auf jeweils verwandte Themen an.
Den zweiten zentralen Bereich bildet die Rubrik Akteurinnen mit bisher insgesamt 47 Einträgen. Sie widmet sich ganz den Initiatorinnen von Protesten und den Gründerinnen von Gruppierungen, ihren Gedanken, Ideen und Forderungen. Das interaktive Netzwerkgeflecht, das in dieser Kategorie präsentiert wird, visualisiert, wie weitverzweigt die Frauenbewegung und die emanzipatorischen Ideen in der Geschichte waren und gegenwärtig sind. Parallel dazu werden ausgewählte Akteurinnen wie Louise Otto-Peters, Rosa Luxemburg oder Marie E.P. König mit Bild, einem Zitat und Informationen zu ihrem Wirken vorgestellt.
Im Fokus dieser Kategorie stehen nicht nur Einzelpersonen, sondern auch die verschiedensten organisierten Gruppierungen. Zu den Einzelpersonen werden neben Literaturhinweisen auch Biographien, Zitate und Netzwerkverbindungen aufgezeigt, die sich nicht nur auf die jeweilige Person sondern auch auf ihre Vernetzungen mit Organisationen und Gruppierungen beziehen.
Deutlich wird dies etwa am Beispiel von Helene Lange, die sich vor allem für gleichberechtigte Chancen in Bildung und Beruf einsetzte: Für Lange findet sich zum einen die Verbindung zur Juristin Marie Munk, die im Jahr 1919 das Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit und die Vermögensgewalt in der Ehe forderte und deren Vorschläge in den politischen Debatten nach dem Zweiten Weltkrieg Berücksichtigung fanden. Munk hatte die Gymnasiallehrgänge Helene Langes besucht und in Alice Salomons Fürsorgegruppen geholfen. Salomon, um die Jahrhundertwende Wegbereiterin für den Beruf der Sozialen Arbeit, war wiederum mit Helene Lange bekannt. Zum anderen zeigt das Netzwerk die Beziehung zum BDF, dem Lange zeitweilig vorstand, oder zum Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein den sie 1890 gründete. Solche Organisationen und Zusammenschlüsse werden hier ebenfalls als Akteurinnen mit eigener „Biografie“ verstanden. NutzerInnenfreundlicher wäre in diesem Zusammenhang eine Erweiterung der Suchfunktion um Filter oder Sortierungsoptionen beispielsweise in Hinblick auf Jahreszahlen, Zeitphasen oder Gesellschaftssysteme. Dies würde für mehr Übersichtlichkeit sorgen und die Handhabbarkeit der Website vereinfachen.
Zu den Beiträgen in der Rubrik Akteurinnen gehören ebenfalls Digitalisate. So enthält etwa der Eintrag zum Unabhängigen Frauenverband (UFV), der seine Wurzeln in verschiedenen Frauengruppen in der DDR der 1980er-Jahre hatte, Reden zentraler Akteurinnen. Ein westdeutsches Beispiel dagegen sind Fotos aus der Redaktion der feministischen Zeitschrift Courage die von 1976 bis 1984 in Westberlin publiziert wurde. Eine Verlinkung mit den Protagonistinnen steht jedoch noch aus. Das Repertoire wird auch in dieser Rubrik stetig erweitert. So gibt es derzeit zwar keinen Eintrag zu Alice Schwarzer als Akteurin, aber über 200 verschlagwortete Treffer, die auf Publikationen sowie visuelles und akustisches Archivgut zu Schwarzer verweisen.
Das ddf-Portal ist ein großer Gewinn für die Erforschung der Geschichte der deutschen Frauen- und Emanzipationsbewegungen. Nimmt man sich ein wenig Zeit, zeigt sich: Was auf den ersten Blick vielleicht etwas unübersichtlich erscheint, bietet auf den zweiten Blick einen materialgesättigten und gut nachvollziehbaren Fundus an Informationen und Quellenzugängen. Dies erleichtert auf zeitgemäße Weise nicht nur die Recherche, sondern bereichert auch die Forschungslandschaft. Man darf gespannt sein, wie diese junge, dynamische Plattform mit jeder zusätzlich eingespeisten Information weiter wächst und sich vernetzt.