Generations in Europe – European Generations

Generations in Europe – European Generations

Organisatoren
DFG-Graduiertenkolleg „Generationengeschichte. Generationelle Dynamik und historischer Wandel im 19. und 20. Jahrhundert“, Universität Göttingen, in Kooperation mit dem Department of History and Civilization at the European University Institute Florence
Ort
Florenz
Land
Italy
Vom - Bis
23.09.2006 - 25.09.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Miriam Rürup, Göttingen

Bereits der Titel der Tagung gibt dem Bemühen Ausdruck, sich einer Thematik zugleich möglichst offen und breit und doch mit einem stringenten Zugriff zu nähern. Die Autumn School des DFG-Graduiertenkollegs "Generationengeschichte. Generationelle Dynamik und historischer Wandel im 19. und 20. Jahrhundert" sollte sich dementsprechend nicht nur einer Vielzahl von Generationsphänomenen und insbesondere einer Vielzahl von Generationsbegriffen zuwenden, sondern zugleich nach einem möglichen europäischen Charakter von Generationserfahrung und Generationsbewusstsein fragen. Dieser Zugang sollte vor allem als Chiffre verstanden werden für eine Geschichtswissenschaft jenseits nationalstaatlicher Grenzen, aber auch jenseits der in Deutschland üblichen Engführung des Generationsbegriffs auf die "politischen Generationen".

Die Struktur der Tagung war konzeptionell und pragmatisch europäisch angelegt, in jeder Sitzung stellte ein Doktorand des Göttinger Graduiertenkollegs einen Aspekt seines Themas vor, und ein ergänzender Vortrag eines internationalen Fachwissenschaftlers auf ähnlichem Gebiet schloss sich an. So wurde an drei Tagen ein breites Spektrum an Themen, Fragen und Methoden zur Thematik "Generationen" diskutiert. In der ersten Sektion eröffneten der Sprecher des Kollegs, Bernd Weisbrod, und der Wissenschaftliche Mitarbeiter des Kollegs, Daniel Morat (beide Göttingen) die Tagung mit einer Problematisierung des Generationsbegriffs und zwar sowohl im historischen wie im transnationalen Zusammenhang.

Weisbrod ging auf die europäische Dimension von Generationen als kulturellem Differenzbegriff ein. Er führte dabei aus, wie die Entstehung des Generationenbegriffes zugleich mit einer Mythisierung verbunden war – der Mythos von der Generation des Ersten Weltkrieges, die in ihren vielfältigen und unterschiedlichen nationalen Zuschreibungen gleichsam als die erste "paneuropäische" Generationszuschreibung zu sehen ist bzw. vielfach als solche verortet wurde. Gerade an den verschiedenen Selbst- und Fremdzuschreibungen der Generation von 1914, der verlorenen Generation oder der Frontkämpfergeneration lassen sich aber die Pluralität des Generationenbegriffes und seine Mythisierung zugleich aufzeigen. Der Bezug des Generationenbegriffes von Karl Mannheim – dessen programmatischer Aufsatz von 1928 "Das Problem der Generationen" in den folgenden Sektionen wiederholt bemüht wurde – war zunächst der einer politischen Generation. Dieser Blick allerdings muss sich weiten und auch nicht-politische generationelle Zuschreibungen mit einbeziehen. So geraten auch Veränderungen im Lebensstil in den Blick, zum Beispiel in der Literatur, der Erinnerungspolitik, dem sozialen Gefüge, der Kultur. Gleichwohl sollten die politischen Implikationen auch vermeintlich lediglich kultureller Verschiebungen nicht außer acht gelassen werden. Gefragt werden könnte hier beispielsweise, ob ein gemeinsamer europäischer Generationsstil in der Aufsteigergeneration nach 1945 angenommen werden kann. Denn häufig sind es Veränderungen im generationellen Lebensstil, die nachhaltigeren Einfluss gewinnen können, als berühmte "Aktivistengenerationen", wie z.B. "die 68er". Dies führte schließlich zu dem Hinweis auf so genannte "silent generations". Diese in Untersuchungen zu Generationsfragen einzubeziehen, kann dazu beitragen, die geschlechtsspezifische Verengung durch die Ausrichtung auf einen rein "politisch" gefassten Generationsbegriff zu überwinden.

Daniel Morat (Göttingen) betonte den konstruierten Charakter von Generationen, was er am Beispiel der Intellektuellen um die Jahrhundertwende bis hin zur Ausformulierung des Generationenkonzeptes von Mannheim ausführte. Die Intellektuellen stehen dabei zugleich ursprünglich am Beginn der Konstruktion von "Generation" wie auch in ihrem Zentrum. Sie verstehen sich zum einen als Avantgarde ihrer selbst-konstruierten Generation und als ihr Gewissen. Generation erscheint dabei als ein Vehikel zur Selbstwahrnehmung als gesellschaftliche Elite, insbesondere in der Krisenwahrnehmung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Selbstdeutung sollte mithin auch eine neue Möglichkeit von Zugehörigkeit bieten. Das von Mannheim entwickelte Generationenkonzept muss dabei als Ergebnis eines intellektuellen Diskurses gesehen werden, der in den 1870er Jahren eingesetzt hatte und in dem deutsche wie französische Soziologen tonangebend waren. Das Konzept der Generation ist somit gleichzeitig mit einer modernen Intellektuellenkultur ausgeformt worden und letztlich auch als eine "Selbstbeschreibungskategorie" und als Sehnsuchtsbegriff von Intellektuellen zu sehen.

Bereits in der ersten Diskussionsrunde wurden die zentralen Diskussionspunkte um die Verwendung der Kategorie der "Generationen" aufgeworfen – die Frage nach der vermeintlichen Repräsentativität einer spezifischen Generation für eine Epoche, die Problematik der Mechanismen zur Konstruktion von Generationen, die Bezüge der Generationen zueinander und vor allem die Gefahr der homogenisierenden Wirkung des Generationsbegriffes, der beispielsweise weitere Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität und Klasse übergehe. Auch wurde hier bereits die zentrale Frage nach dem Mißverhältnis zwischen sozialer Praxis einerseits und elitärer und exklusiver Selbst-Zuschreibungen andererseits aufgeworfen.

Generation und Kriegserfahrung
Die zweite Sektion widmete sich dem zentralen Movens der Konstruktion von Generationen im 20. Jahrhundert überhaupt: der Kriegserfahrung als Auslöser einer generationellen Zuschreibung. Marc von Lüpke-Schwarz (Göttingen) betrachtete dabei eine kleine Gruppe von durch zwei Weltkriege und berufliche Laufbahnen in drei militärischen Entitäten geprägten Offizieren, so dem Berufsoffizier und Historiker Dr. Hans Speidel (1897-1984), der später als Militärberater Konrad Adenauers und als NATO-Oberbefehlshaber fungierte, sowie Adolf Heusinger und Vincenz Müller, die zwischen 1895-1897 geboren wurden und als Militärs zwei Weltkriege durchlebten sowie nach 1945 weiterhin politisch-militärische Karrieren in der BRD bzw. in der DDR verfolgten. Anhand dreier Biographien möchte Lüpke-Schwarz zum einen Aspekte der "Frontgeneration" aufgreifen und dabei zugleich ihr Wirken über die Kriegsjahre hinaus untersuchen. Dabei soll der Blick aus der Lebensgeschichte der 1950er Jahre zurück gewendet werden auf das Agieren dieses kleinen Personenkreises in den Jahrzehnten zuvor. Thema soll dabei die von generationellen Selbstzuschreibungen geprägte Verwandlung des bürgerlichen Offizierstypus zu einer "Generation des Bedingten" durch die verschiedenen politischen Systeme hindurch sein.

Jay Winter (Yale) betrachtete ebenfalls die Kriege als generationsprägende bzw. –formende Erfahrungen, bezog dies jedoch nun auf die Seite der Kriegsopfer. Er formulierte dabei die These, das Konzept von Generation, das im Gefolge von Kriegen entstünde, biete vor allem den Überlebenden eine Möglichkeit, die Erfahrung des Krieges begrifflich zu fassen. Dies zeige sich zum Beispiel in einer Fülle fiktionaler Literatur der zwanziger Jahre, die das Phänomen des Krieges zu begreifen suche. Die Generationen aber, die auf diese Weise entstehen, bringen den Krieg gewissermaßen mit "nach Hause", der Krieg "generiert" somit eine Gruppenzugehörigkeit, die letztlich den Krieg resp. die Kriegserfahrung perpetuiert.

Somit hatte die Sektion über die Kriegsgeneration zwei sehr unterschiedliche Akteursgruppen zum Gegenstand, Lüpke-Schwarz diejenigen der Kriegführenden, Winter diejenigen der zwar vom Krieg Betroffenen, selbst aber nicht am Krieg kämpferisch Beteiligten. Und doch war für beide der Krieg gruppenkonstruierend, wie Nick Stargardt (Oxford) betonte. Generation erscheint hier als ein Narrativ, das die Kriegserfahrung kollektiv erklärbar und verständlich machen sollte.

Auch in der folgenden Sektion stand die Kriegserfahrung als generationsstimulierendes Erlebnis im Mittelpunkt. Doch die Perspektive wechselte von einer akteurszentrierten Sicht auf eine erinnerungskulturelle Ebene. Markus Neuschäfer (Göttingen) betrachtete in seinem Vortrag Fragen von generationeller Erinnerung und Genealogie in Familienromanen der Gegenwart. Er analysierte dabei, wie in modernen Romanen die Konstruktion verschiedener – meist drei – Generationen mit verschiedenen historischen Zeiten und verschiedenen Erzählern verknüpft wird.1 Es geht Neuschäfer weniger um die Erfahrungen von Krieg selbst als vielmehr um die Erzählung über die Erinnerung an den Krieg, die in der neueren deutschen Literatur in einer neuen Form von Familienromanen geleistet wird. Dabei changieren die Ebenen zwischen literarischen Stilelementen einerseits und generationeller (Selbst-)Inszenierung andererseits. Er versucht sich den Fragen dieser erinnerungskulturellen Prozesse über Methoden nicht nur der Literaturwissenschaft sondern insbesondere auch der kognitiven Psychologie zu nähern. In diesem Zusammenhang bezog er sich auch auf Dan Bar-On, der die Mystifizierung – zu der auch die Generationsselbstbeschreibung gehört – als Teil des trans-generationellen Familiengedächtnisses einzuordnen versucht.

Ebenfalls mit der Konstruktion von Generationen in der Literatur auf der Basis einer vermeintlichen gemeinsamen Erinnerungsgemeinschaft befasste sich Elena Agazzi (Bergamo) in ihrem Vortrag. Ähnlich wie die deutsche Nachkriegsliteratur, die die "vaterlose Generation" zum Thema hatte, konstruierte sich in der italienischen Literatur eine "italienische Jugend", die sich letztlich auch in literarischen Zirkeln zusammenfand wie die Gruppe von 34 Schriftstellern und neun Kritikern um Italo Calvino, die sich 1963 in Palermo sammelte und zu der auch Alberto Moravia und Natalia Ginzburg gehörten. Die Diskussion um die beiden literaturwissenschaftlichen Beiträge zeigte erneut zum einen den konstruierten Charakter von Generationen und Generationszuschreibungen – seien sie nun selbstgewählt oder von außen konstruiert. Zum anderen verdeutlichten sie aber auch die Notwendigkeit, Fragen der Erinnerung und der familiären Auseinandersetzung mit der biographischen Vergangenheit, mit Krieg und Nationalsozialismus, mit verschiedenen Methoden anzugehen. Weder reichen literaturwissenschaftliche Erklärungen, noch ist die post-Freudianische psychoanalytische Herangehensweise der Schlüssel für das Verständnis der beschriebenen generationellen Phänomene. Doch alles zusammen, verbunden mit einer historischen Kontextualisierung der Romane, ihrer Autoren wie auch ihres Zielpublikums, kann zu einem Verständnis dessen beitragen, wie die zu beobachtende Welle in Generationsbeziehungen einzuordnen ist.

Generation in und durch Literatur und Film?
Eine andere literaturische Gattung betrachtete Gudrun Weiland (Göttingen) in ihrem Beitrag, der die Groschenhefte der 1920er Jahre als Generationsmarkierung zum Thema hatte. Dieser amerikanische "Import" zeichnete sich vor allem durch die beständig gleiche Aufmachung aus, die von einem international einheitlichen Format, Deckblatt und Inhalt geprägt war. Die Helden dieser Romane können zunehmend als generationelle "marker" gesehen werden, die ungeachtet der Kampagnen gegen die Schmutz- und Schundliteratur ein breites Zielpublikum hatten, das Männer wie Frauen gleichermassen zu seiner Leserschaft zählte und sowohl in der Stadt als auch auf dem Land gelesen wurde. Festzustellen ist aber ein weiteres Mal an diesem Beispiel, dass die Generation nicht selbstredend durch die Existenz dieser Romane entstand, sondern durch die mediale Aufmerksamkeit, auch oder gerade in der Brandmarkung als Schundliteratur, erst konstruiert wurde. Eine Mediengeneration kann also nur in solchen Bedeutungskämpfen, und nicht allein in der Leseerfahrung selbst angenommen werden.

Martin Barker (Aberystwyth) mahnte ergänzend hierzu an, dass in den "media studies" allgemein die "Generation des Publikums" von zentraler Bedeutung ist. Am Beispiel des Films "Herr der Ringe" und seines international durchschlagenden Erfolges fragte er nach der Konstruktion einer "international audience". Der Film habe letztlich eine generationsübergreifende Wirkung gehabt – und gerade deshalb sei er Teil der Frage nach Konstruktion von Generationen wie auch nach dem genealogischen Transfer generationeller Zugehörigkeiten. Die Filmbranche widmet sich solchen Generationseffekten oftmals schon in der Konzeption wie der maßgeschneiderten Verwandlung ihrer Produkte für "audiences", die als Zielgruppen generationell konzipiert werden.

Auch der Vortrag von Eva-Maria Silies (Göttingen) befasste sich mit der Konstruktion eines ebenfalls generationell verstandenen Erfahrungskollektivs. Im Unterschied zu den bislang betrachteten Phänomenen handelte es sich dabei noch am ehesten um die von Bernd Weisbrod eingangs so apostrophierte "silent generation". Silies widmet sich der Bedeutung der so genannten Anti-Baby-Pille für die Herausbildung eines neuen weiblichen Selbstverständnisses in Westdeutschland und England seit den 1960er Jahren. Hierbei macht sie nicht nur die "Generation" der "neuen" Frauen mit Zugang zur Pille aus, sondern implizit auch diejenige der christlich-religiös motivierten Kritiker der befürchteten sexuellen Revolution, sowie die der feministisch motivierten Kritiker, die der Pille die erneute Unterwerfung der Frau als reines Sexualobjekt zuschrieben. Silies betonte, es handele sich hier gerade im Austausch mit den Müttern um eine "generationelle Erfahrung", die jedoch nur unmittelbar eine politische Generationsbildung zur Folge hatte. In der Diskussion hob Rebekka Habermas (Göttingen) besonders den Aspekt als bedeutend hervor, dass diesen Frauen und der durch die Pille etwaig auszumachenden Generationsgruppe die bislang auf der Tagung fortwährend präsente Selbststilisierung als Gruppe fehle.

Ökonomisch konstruierte Generationen?
Eine soziologische Perspektive nahmen die Vorträge zu der Frage ein, wie Modelle europäischer Wohlfahrtsstaaten möglicherweise (europäische) Generationen prägen. Christina May (Göttingen) ging dieser Frage mit einer vergleichenden Betrachtung zu europäischen Rentenversicherungsmodellen nach. Sie schlug vor, Norman B. Ryders Theorie von der Kohortenbildung auf die Rentengenerationen anzuwenden, da dies ermögliche, nicht lediglich ähnliche Geburtsjahrgänge als Teil einer Kohorte zu begreifen, sondern ebenso Ereignisse, die eine gemeinsame Kohorte definieren – in diesem Fall durch den Eintritt ins Rentenalter. Als einer der wenigen Beiträge, die explizit auf die gesamteuropäische Fragestellung Bezug nahmen, stellte sie vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg als Folge der recht einheitlichen demographischen Situation und der parallel verlaufenden ökonomischen Krisen ähnliche Prägungen in der Verwandlung des Altersrisikos fest. Allerdings konnte sie einen Bruch des Generationsvertrags darin nicht ohne weiteres entdecken, weil die Verteilungsfragen einen breiteren Zugriff sowohl auf der Aufbringungs- wie auf der Leistungsseite erfordern.

Martin Kohli (Florenz) stellte in seinem Vortrag Ergebnisse der Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf der FU Berlin (FALL) vor, in der es um den Wandel von Prozessen des Alterns und um den Fragen des Übergangs in den Ruhestand geht. Er griff das Beispiel des innerfamiliären Transfers nicht nur von Vermögen heraus, ein Transfer, der meist von der älteren in Richtung der jüngeren Generation fliesst. Bei einem europäischen Vergleich, wie er zum Beispiel in der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE) durchgeführt wurde, lasse sich dabei ein "nordeuropäisches" und ein "südeuropäisches" Muster herausarbeiten, das sich vor allem in einer unterschiedlichen Versorgungsstruktur festmache, die im Süden mehr auf die Familie, im Norden mehr auf den Sozialstaat gestützt sei. In der Diskussion wurde dabei vor allem nachgefragt, ob die Differenzen im nationalen Vergleich, wie das Untersuchungsdesign nahe lege, für die Herausbildung einer Wohlfahrtsgeneration ausschlaggebender seien als die Abweichungen des sozialen Profils innerhalb der nationalen Wohlfahrtsgeneration. Außerdem werde eine Veränderung beispielsweise durch Migrationsbewegungen mit der Berufung auf nationalstaatlich erhobene Statistiken übersehen.

Interfamiliäre generationskonstruierende Strukturen waren auch Thema der Referate zur betrieblichen Generationsfolge, die im Mittelpunkt der nächste Sitzung standen. Christina Lubinski (Göttingen) führte am Beispiel von drei Familienbetrieben vor, wie gerade in Zeiten eines anstehenden innerfamiliären Bruches bei Fragen der Unternehmensnachfolge in Familienbetrieben generationelle Fragen der Akteure als Selbstverortung wie auch als Abgrenzung zur bisherigen Unternehmensführung bedeutsam sein können. Innerhalb eines Familienbetriebes kann, so führte sie am Beispiel der Familie Bagel aus, das soziale und ökonomische Kapital nicht nur materiell auf die nachfolgende Generation übertragen werden. Auch durch die Beobachtung des Heranwachsens der neuen und zukünftigen Unternehmensführung – hier der Sohn Peter, dessen Fortkommen akribisch in der Firmenzeitschrift dokumentiert wurde – wird diese begleitet und damit von der älteren Generation mitgestaltet. Immer wieder, betonte Lubinski, wird dem Familienbetrieb das baldige Ende prophezeit, doch noch immer halten sich auch in Zeiten des globalisierten Marktes die Familienunternehmen. Und in Italien, so berichtete Andrea Colli (Mailand) im zweiten Beitrag dieser Sektion, sind immerhin 40% aller Betriebe von Familien geführt, was er auch auf die bis weit nach dem zweiten Weltkrieg noch immer stark agrarisch geprägte Struktur der italienischen Gesellschaft zurückführte.

Die andere Seite einer ökonomischen Generationsgeschichte behandelten die Beiträge, die sich mit den Erfahrungen der Massenkonsumgesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts befassten. Während Victoria de Grazia (New York) sich mit der Interaktion zwischen amerikanischer und europäischer Generationsbildung am Beispiel von zwei Filmen – Jacques Tati, Mon Oncle (1958) und Jean Luc Godard, Masculin feminin (1966) – auseinandersetzte, betrachtete Till Manning (Göttingen) eine konsumorientierte Reaktion auf das "Wirtschaftswunder": den Beginn des deutschen Massentourismus nach Italien. Er macht dabei nicht nur eine gänzlich neue Kultur des Reisens aus, sondern spricht von einem neuen generationellen Stil durch den Massentourismus der 1950/1960er Jahre. Diese neue "Stilgeneration" ist vor allem durch seinen integralen Anspruch in Bezug auf sozialen Status und Familienerfahrung geprägt. Neue Formen des Reisens wurden als gleichermaßen legitim durchgesetzt wie die kulturlastigen Italienreisen Goethe'scher Prägung. Der Begriff "Generation Italien", so spitzte Manning abschließend zu, sei eine zutreffende Bezeichnung, gerade weil er den Generationsstil dieser alters-, geschlechts-, klassen- und bildungsunspezifischen Freizeiterfahrung greifen könne.

Eine Form von generationellem Stil als Zeichen der Zugehörigkeit wie als Verhaltensmuster war auch Thema der Sektion zu Kleidung und Kleidungscodes. Nadine Wagener (Göttingen) und Kaspar Maase (Tübingen) diskutierten dabei Kleidungsstile als Form der Selbstkonstruktion einer synchronen Generationserfahrung sowie der als innerfamiliäre Distanzierung erlebten Abgrenzung von der Eltern-Generation. Im Mittelpunkt von Wageners Untersuchung steht das Kleidungsverhalten in weiblichen Generationenbeziehungen und die Frage, ob und inwiefern in der unterschiedlichen oder ähnlichen Bekleidung von Mutter und Tochter eine Generationsspezifik zu erkennen ist. Dabei fragt sie, ob Frauen durch ihre Kleidungswahl gezielt eine generationelle Zugehörigkeit auszudrücken bezwecken, was sie durch qualitative Interviews zu ergründen sucht. Kaspar Maase führte den Begriff Lebensführung in die Diskussion ein, den er für passender als Lebensstil erachtet, da er gerade auch die Praxis der Bekleidung und deren performativen Charakter mit in Betracht zieht. Außerdem betonte er einmal mehr den variablen und selektiven Charakter von etwaiger generationeller Zugehörigkeit, wie er sich auch im Kleidungsstil zeigt – schließlich kann dieselbe Person verschiedene Kleidungsstile je nach Lebenssituation in sich vereinen.

Fazit
In der Abschlussdiskussion diskutierten Richard Bessel (York), Lutz Niethammer (Jena), Bernd Weisbrod (Göttingen) und Pat Thane (London) den Nutzen und Ertrag der Kategorie "Generation" für die verschiedenen Forschungsprojekte, insbesondere in ihrer transnationalen Erstreckung. Dabei griffen sie die virulenten Fragen auf, die sich gerade aus der interdisziplinären Anlage des Göttinger Generationsprojekts ergaben: Zum einen die Frage, welche Funktion der Begriff Generation überhaupt in der Debatte und in der Forschungslandschaft – über seine Werbeträchtigkeit und Markttauglichkeit hinaus – haben kann, wenn seine ordnende Kraft sich nicht mehr auf das scheinbar evidente Repertoire der "tragischen" oder "heroischen" politischen Generationen beschränkt. Darüber hinaus stand die Frage im Vordergrund, welche Erklärungskraft der Kategorie Generation als temporalem Differenzbegriff zuzuschreiben ist, die historisch nicht durch andere dynamische Prozesse in Kategorien von Geschlecht, Klasse, Ethnizität etc. greifbar gemacht werden könnte. Zudem wurde in der anschließenden Diskussion zusammengetragen, was sich in den Debatten trotz des internationalen Arrangements häufig fehlte: Besonders Lutz Niethammer forderte hierbei ein, die Frage der Generationen tatsächlich als Frage von europäischen Erfahrungszusammenhängen zu betrachten – schließlich sei bereits der Vordenker des Generationenbegriffes, Karl Mannheim, einem europäischen und keinem nationalen Kontext intellektuell entwachsen.

Kritisch anzuführen ist sicherlich auch die Gefahr eines allzu statischen Blickes auf Generationsmarkierungen, der möglicherweise den "situativen" Charakter von Generationszuschreibungen und Generationserfahrungen vernachlässigt. Problematisch und zugleich chancenreich sind dagegen die vielfältigen Bedeutungen, mit denen der Begriff Generation historisch Aufschluss geben kann – er bezeichnet konstruierte und reale Erfahrung gleichermaßen, er wirkt als Forschungskategorie ebenso wie als identitäre Selbstzuschreibung, er ist transitorisch und identitär. Vor allem aber – das zeigte die Tagung in all ihren Aspekten – kann die Generation als solche nicht als historischer Akteur betrachtet werden. Das Göttinger Graduiertenkolleg hat vielmehr gezeigt, dass eine Vielzahl von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und nationalen Traditionen zusammenkommen müssen, um dem bekannten, ursprünglich ethnomethodologischen Paradigma des "doing gender" das des "doing generations" hinzuzufügen.

Anmerkung:
1 Exemplarisch stellte er dabei Arno Geiger, Es geht uns gut (2005) und Thomas Medicus, In den Augen meines Großvaters (2004) vor.