Auswertung der Online-Umfrage „Digitale Lehre“ von H-Soz-Kult: „Digitale Lehre – Online-Befragung der Geschichtslehrenden an den Hochschulen im Sommersemester 2020“

Von
Tobias P. Graf / Rüdiger Hohls / Matthias Pohlig / Claudia Prinz, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Einleitung
Vom 24. September bis 25. Oktober 2020 hat H-Soz-Kult mit Unterstützung des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) eine Online-Befragung unter den Lehrenden der Geschichtswissenschaften und anderer historisch arbeitenden Disziplinen durchgeführt, um einen Eindruck von den Herausforderungen, Belastungen, aber auch positiven Erfahrungen mit der digitalen Lehre im Sommersemester 2020 in unserer Fächergruppe zu gewinnen. In diesem Zeitraum waren die Leser/innen von H-Soz-Kult sowie die Mitglieder des VHD dazu aufgerufen, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Mitgliederinformationen des Verbandes sowie die Webseite und regelmäßigen Newsletter von H-Soz-Kult den Großteil der Lehrenden im deutschsprachigen Raum erreichen, kann diese Umfrage nicht als repräsentativ erachtet werden.1 Dennoch bieten die Antworten interessante Einblicke in die Erfahrungen der Lehrenden unserer Fächer in der Ausnahmesituation des Sommersemesters 2020, aus denen sich durchaus Empfehlungen für die zukünftige Lehre ableiten lassen. Schon bei der Konzeption des Fragebogens standen mit Blick auf die Nutzbarmachung der durch die Umfrage erhobenen Erkenntnisse zwei Leitfragen im Zentrum, die wir in diesem Artikel aufgreifen wollen:

Erstens: Was benötigen wir in den historisch arbeitenden Wissenschaften, um dauerhaft digitale Lehre erfolgreich durchführen zu können? Und zweitens: Wie können wir die Erfahrung der digitalen Notfalllehre nutzbar machen, um die universitäre Lehre in unseren Fächern allgemein weiter zu verbessern?

Eine der Chancen dieser Krise scheint uns gerade darin zu liegen, dass wir uns als Lehrende notgedrungen in ungewöhnlicher und intensiver Weise Gedanken darüber machen, wie wir Wissensinhalte und Methoden erfolgreich vermitteln können. Besonders erfreulich ist dabei auch unserer persönlichen Erfahrung nach, dass dies zu einer neuen Qualität des Austauschs zwischen den Lehrenden über Lehrformate, didaktische Kniffe und persönliche Erfahrungen geführt hat. Wir sind der Überzeugung, dass diese Entwicklung in unser aller Interesse – und ganz besonders auch im Interesse der Studierenden – ist.

Eines sei an dieser Stelle jedoch deutlich gesagt: Die Digitalisierungsmaßnahmen in der universitären Lehre, die seit März unter großem Zeitdruck als Reaktion auf die Sars-CoV-2-Pandemie umgesetzt wurden, können nur in seltenen Fällen als genuine digitale Lehre bezeichnet werden. Vielmehr handelt es sich, wie etwa die Verantwortlichen der „Begleitforschung zum Emergency Remote Teaching“ an der Universität Hamburg betonen, um Notfall-Distanzlehre.2 Gerade der umfangreiche Einsatz von Videokonferenzsoftware für die Durchführung von Lehrveranstaltungen, den wir aus anekdotischen Berichten kennen und der sich auch in den Ergebnissen unserer Befragung widerspiegelt, legt nahe, dass wir in den historisch arbeitenden Wissenschaften bisher stark auf digital vermittelte Präsenzlehre setzen und neue didaktische Konzepte bisher nur in begrenztem Umfang zur Anwendung kommen. Angesichts der kurzfristigen Umstellung im März und April 2020 war die Konzeption genuiner Online-Lehre für die meisten Lehrenden selbstverständlich unrealistisch, da schlicht Zeit sowie technische und didaktische Expertise für entsprechende Planungen und deren Umsetzung fehlten. Wenn wir im Folgenden die Begriffe „digitale Lehre“ und „Online-Lehre“ beibehalten, dann meinen wir damit diese Form der digital vermittelten Notfalllehre, wie es auch weitestgehend dem Sprachgebrauch in unseren Fächern entspricht.

Nach einer Erläuterung der Datenbasis stellt dieser Artikel die Ergebnisse der Umfrage entlang der sechs im Fragebogen genannten sachlichen Themenfelder vor:
1. Umstellungsprozess auf digitale Lehre
2. Durchführung der digitalen Lehre
3. Sprechstunden und Prüfungen
4. Versorgung mit Materialien für Lehrveranstaltungen
5. Arbeitsbelastung und Zeitaufwand
6. Einschätzungen zur Online-Lehre

Die Freitextkommentare sowie die Angaben zur persönlichen Situation, um die wir die Teilnehmer/innen in den Themenfeldern 7 und 8 gebeten haben, sind dabei, wann immer dies sinnvoll war, in die Auswertung der anderen Themenfelder eingeflossen.

Abschließend formulieren wir einige Empfehlungen, die sich unserer Meinung nach aus den Ergebnissen dieser Umfrage ergeben. Diese richten sich sowohl an die Lehrenden selbst als auch die Institute und mit Blick auf technische Maßnahmen vor allem an die Universitäten und Hochschulen.

Um diesen Auswertungstext nicht mit Tabellen und Grafiken zu überfrachten, werden die Ergebnisse der statistischen Auswertung der Online-Umfrage in einer separaten Dokumentation parallel zu diesem Text veröffentlicht. Diese trägt den Titel „Dokumentation der Online-Umfrage ‚Digitale Lehre‘ von H-Soz-Kult: ‚Digitale Lehre – Online-Befragung der Geschichtslehrenden an den Hochschulen im Sommersemester 2020‘“ und wird im folgenden „Dokumentation“ abgekürzt.3 Sie enthält grundsätzlich für jede Frage die basale Häufigkeitsauszählung als eigenständige Tabelle sowie diverse geclusterte Übersichten zu Teilgruppen unseres Samples, aus denen sich erschließen lässt, ob sich beispielsweise die Ergebnisse für Angehörige verschiedener Statusgruppen oder für Lehrende mit oder ohne private Care-Verpflichtungen unterschiedlich darstellen. Dagegen machen wir die teils sehr umfangreichen Anmerkungen und Freitextkommentare von vielen Teilnehmer/innen in den Themenfeldern 7 und 8 aus Datenschutzgründen nicht zugänglich und haben sie nur qualitativ ausgewertet. Bei den im nachfolgenden Text als Zitate ausgewiesenen Passagen handelt es sich stets um Übernahmen aus den Freitextkommentaren.

Datenbasis
Insgesamt beantworteten 264 Kolleg/innen den Fragebogen, der in Abhängigkeit von den gegebenen Antworten zwischen 36 und 44 Fragen umfasste. Die große Mehrheit von 90,2 Prozent der Teilnehmer/innen lehrte dabei an Universitäten und Hochschulen in Deutschland. An Schweizer und Österreichischen Universitäten – den beiden nächsthäufig genannten Wissenschaftsstandorten – waren hingegen nur 4,2 respektive 2,7 Prozent der Befragten tätig. Darüber hinaus gab es vereinzelte Teilnahmen von Lehrenden in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Rumänien, der Tschechischen Republik, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den USA (vgl. Dokumentation Tab. 8.1). Unter den Lehrenden aus Deutschland waren alle Bundesländer vertreten. Mit Abstand häufigstes genanntes Bundesland war Nordrhein-Westfalen mit 20,1 Prozent, gefolgt von Bayern (10,6) und Niedersachsen (9,1) (vgl. Dokumentation Tab. 8.2). Mit 46,2 Prozent war fast die Hälfte der Teilnehmenden habilitiert oder Inhaber/in einer Professur oder Juniorprofessur, während 53,8 Prozent nicht habilitiert waren (vgl. Dokumentation Tab. 8.4).4 Auch das Verhältnis zwischen im Sommersemester befristet und unbefristet Beschäftigten hält sich in etwa die Waage mit einem Verhältnis von 47,7 zu 50,4 Prozent. Aus dem Kreis der Professor/innen und Habilitierten waren 15,6 Prozent der Teilnehmer/innen befristet beschäftigt. Doch naturgemäß liegt der Anteil der befristet Beschäftigten unter den Angehörigen anderer Statusgruppen mit 75,6 Prozent ungleich höher (vgl. Dokumentation Tab. 8.6). Dennoch zählt das Gros der Teilnehmenden gewissermaßen zu den „alten Hasen“ im Lehrbetrieb: 79,2 Prozent der Lehrenden verfügten zum Zeitpunkt der Umfrage bereits über mehr als 9 Semester an Lehrerfahrung. Der Anteil derjenigen, die weniger als drei Semester gelehrt hatten, ist mit 6,2 Prozent hingegen relativ gering (vgl. Dokumentation Tab. 8.5).

Da es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass es im akademischen Jahr 2019/2020 an Nachwuchs gemangelt hat, wird an dieser Stelle eine der Unwuchten der vorliegenden Umfrage deutlich. Diese schlägt sich auch auffällig in dem hohen Anteil von fast zwei Fünftel der Befragten nieder, die angaben, anderen Lehrenden Unterstützung bei der Umstellung auf digitale Lehre geleistet zu haben, beispielsweise durch die Mitarbeit in entsprechenden Arbeitsgruppen an den jeweiligen Instituten. Offenbar hat die Umfrage also besonders diejenigen Kolleg/innen zur Teilnahme motiviert, die entweder bereits über umfangreiche Lehrerfahrung verfügten oder sich bereits über ihre Rolle als Lehrende hinaus aktiv mit der Online-Lehre beschäftigt haben. Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die Teilnehmer/innen insgesamt über umfangreiche Vorerfahrungen in der digitalen Lehre verfügt hätten. Tatsächlich ist der Anteil der Befragten mit nennenswerter digitaler Lehrerfahrung (hier definiert als die Durchführung von Lehrveranstaltungen mit einem digitalen Anteil von mindestens 20 Prozent) mit 17,0 Prozent gering, wobei die Mehrheit der hier erfassten Personen einen Digitalanteil zwischen 20 und 50 Prozent in vergangenen Lehrveranstaltungen angibt. Lediglich 3,8 Prozent der Befragten gaben an, vor dem Sommersemester 2020 Veranstaltungen mit mindestens 90 Prozent digitalen Anteilen gelehrt zu haben (vgl. Dokumentation Tab. 8.9). Auch wenn die Informationen zur Datenbasis auf die geringe Repräsentativität des Samples verweisen, nährt der hohe Anteil an sehr lehrerfahrenen Teilnehmer/innen die Zuversicht in die qualitative Aussagekraft der Daten in Bezug auf die eingangs vorgestellten Leitfragen der Untersuchung.

Themenfeld 1: Umstellungsprozess auf digitale Lehre
Die Fragen in Themenfeld 1 zielten darauf ab, den Umstellungsprozess auf die digital vermittelte Notfalllehre im Sommersemester 2020 nachzuvollziehen. Auch wenn Lehrende an deutschen Hochschulen, anders als Kolleg/innen etwa in der Schweiz und Großbritannien, wo das Sommersemester traditionell früher beginnt, in der Regel einige Wochen Vorlauf hatten, um ihre Veranstaltungen an die neuen Bedingungen anzupassen, war dieser Vorlauf gering. Der Anteil von 38,3 Prozent der Befragten, die angaben, die Umstellung im laufenden Semesterbetrieb geleistet zu haben, ist deutlich höher, als aufgrund der Zuordnung zu den verschiedenen Hochschulstandorten erwartbar war (vgl. Dokumentation Tab. 1.1). Erfreulich ist angesichts dieses Befundes und der Bemerkung eine/r Teilnehmer/in, dass die Umstellung auf Online-Formate „mehr oder weniger übers Wochenende“ erfolgen musste, dass lediglich 12,1 Prozent der Befragten weniger als eine Woche Zeit hatten, um notwendige Anpassungen vorzunehmen. Allerdings ist die Gruppe derjenigen, die maximal zwei Wochen Zeit hatten für den Wechsel in die digitale Lehre, mit 39 Prozent noch immer vergleichsweise groß, auch wenn die gute Nachricht lautet, dass 59,8 Prozent der Befragten dafür zwei Wochen und mehr zur Verfügung standen (vgl. Dokumentation Tab. 1.2).

Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine enorm hohe Arbeitsbelastung, die zudem sicherlich nicht auf den Vorbereitungszeitraum vor Semesterbeginn beschränkt blieb, sondern die aufgrund der neuen Formate und Kommunikationsformen die ohnehin hohen Arbeitspensen im weiteren Verlauf des Semesters weiter erhöhte (siehe Themenfeld 5: Arbeitsbelastung und Zeitaufwand). Dies gilt umso mehr, als ein Viertel der Befragten angegeben hat, dass im Laufe des Sommersemesters eine teilweise Rückkehr zur Präsenzlehre möglich war, die weitere Neuplanungen nötig machte (vgl. Dokumentation Tab. 1.10).

Dass die Umstellung auf neue Lehrformate sowie der erschwerte Zugang zu Bibliotheken und anderen Einrichtungen deutliche Auswirkungen auf die Inhalte der Lehrveranstaltungen hatten, zeigt nicht zuletzt der Befund, dass ein gutes Drittel der Befragten die Themen der geplanten Lehrveranstaltungen änderte (vgl. Dokumentation Tab. 1.3). Die Gründe hierfür, die in der Umfrage allerdings nicht abgefragt wurden, waren sicherlich vielfältig und reichten von pragmatischen Überlegungen bezüglich der Verfügbarkeit von Literatur und Quellen bis hin zur Notwendigkeit, nicht nur Themen, sondern auch Formate zu wechseln, weil beispielsweise Exkursionen unter den Einschränkungen der Covid-19-Pandemie nicht stattfinden konnten.

Die Kommunikations- und Informationspolitik der Universitäten, Fakultäten und Institute war nicht nur ein wichtiges Thema des Fragebogens, sondern gab Anlass zu einer besonders hohen Zahl an Kommentaren der Teilnehmer/innen. Auf Ebene der Institute und Fachbereiche ist äußerst erfreulich, dass sich eine Mehrheit der Befragten „gut“ oder sogar „sehr gut“ über die notwendigen Anpassungen im Zuge der Umstellung auf die digitale Lehre informiert gefühlt hat. Insgesamt äußerten sich 61,4 Prozent der Befragten in diese Richtung. Weitere 20,8 Prozent bewerteten die Kommunikation in diesem Zusammenhang als „neutral“. Dem gegenüber gaben 16,6 Prozent der Befragten an, „schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“ informiert worden zu sein. Lediglich drei Personen (1,1 Prozent) wurden überhaupt nicht über die Änderungen informiert (vgl. Dokumentation Tab. 1.4).

Die Kommunikation auf Universitätsebene wurde von den Teilnehmer/innen der Umfrage merklich weniger positiv eingeschätzt. Hier bewerteten nur 47,4 Prozent der Befragten die Kommunikation als „gut“ bis „sehr gut“. Dafür sind die Anteile derjenigen, welche die Kommunikation als „neutral“ (28 Prozent) und „schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“ bewerteten (insgesamt 22,7 Prozent) merklich höher. Vier Personen (1,5 Prozent) wurden überhaupt nicht über Änderungen informiert (vgl. Dokumentation Tab. 1.5). Die verhältnismäßig kleine Gruppe der Privatdozent/innen beklagt, von besonders schlechter Kommunikation betroffen gewesen zu sein. Angesichts der anderen Antwortoptionen ist hier davon auszugehen, dass es sich um Kolleg/innen handelt, die im Sommersemester 2020 Titellehre erbrachten. Offenbar griffen bei diesem Personenkreis die etablierten Kommunikationswege (E-Mail-Verteiler etc.) besonders schlecht.

In den Kommentaren wurde zudem immer wieder bemängelt, dass unklare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten an den Universitäten und Hochschulen die Arbeit erschwerten. Auch die Intransparenz der Hochschulen und der Universitätsleitungen wurde mehrfach thematisiert, etwa wenn die personelle Zusammensetzung von „Corona-Taskforces“ geheim gehalten wurde, Planungsänderungen zur Rückkehr in einen (eingeschränkten) Regelbetrieb in Lehre oder Universitätsbibliotheken schlecht kommuniziert wurden, die Universitätsleitungen wichtige Entscheidungen intransparent trafen oder aber – auch in finanzieller Hinsicht – „auf die Institute abschoben“, die „von der Universität vollständig alleine gelassen“ worden seien. Zudem wurde etwa auch ein autoritärer Kommunikationsstil und die Kommunikation „in einem Verlautbarungston“ insbesondere „[s]eitens Unileitung und Dekanat“ kritisiert. Ob dies tatsächlich vor allem der digitalen schriftlichen Kommunikation geschuldet war, wie die/der Kommentator/in vermutet, oder eher ein Symptom der besonders hohen Belastung aller Kolleg/innen in dieser Ausnahmesituation war, wird sich sicherlich nicht klären lassen. Unbestreitbar ist aber, dass die sich rasch und dynamisch entwickelnde Situation immer wieder zu Kommunikationsproblemen führte. Dass die Kommunikation auf Institutsebene tendenziell als besser wahrgenommen wurde als auf Universitätsebene, spiegelt sehr wahrscheinlich zu einem gewissen Grad auch die persönliche Nähe beziehungsweise Distanz der Befragten zu den verschiedenen Ebenen wider, ist eventuell aber auch Ausdruck eines strukturellen Problems.5

Erfreulich ist, dass 72 Prozent der Befragten angegeben haben, dass es an ihrer Hochschule oder ihrem Institut eine Beratungsstelle für die Konzeption und Durchführung digitaler Lehrveranstaltungen gab beziehungsweise gibt. Das ist auch deshalb ermutigend, weil die Lehrenden offenbar auch um deren Existenz wissen, was die Chancen erhöht, auf diese Angebote zurückzugreifen. Lediglich 9,5 Prozent der Befragten gaben an, nicht zu wissen ob es solche Stellen an ihrer Universität gäbe. Allerdings gibt es solche Beratungsstellen ganz offensichtlich nicht flächendeckend, wie die Antworten von 16,3 Prozent der Befragten nahelegen (vgl. Dokumentation Tab. 1.6). Letzteres ist möglicherweise aber auch weniger ein Beleg für die Nichtexistenz entsprechender Angebote, als vielleicht für eine mangelnde Wahrnehmung dieser Stellen.

Insgesamt bestätigen die Antworten der Befragten unsere Erwartung, dass die Beschaffung von Lizenzen und die Bereitstellung allgemeiner Informationen zur digitalen Lehre (verfügbare Software, grundsätzliche Hinweise zur Didaktik) vor allem auf Universitätsebene organisiert wurde. Personelle Unterstützung bei der Umstellung auf digitale Lehre hingegen wurde in erster Linie auf Institutsebene bereitgestellt (vgl. Dokumentation Tab. 1.7). Bei den allgemeinen Informationen zur Online-Didaktik spielten aber auch die Fakultäten eine nicht unwichtige Rolle.

Erfreulich ist, dass offenbar etwas mehr als die Hälfte der Befragten Zugang zu individueller Beratung zur Online-Didaktik sowie zu Schulungen oder vergleichbaren Beratungsangeboten hatte. Diese wurden überwiegend auf Universitätsebene bereitgestellt. Das deutet darauf hin, dass viele Universitäten die didaktischen Herausforderungen offenbar ernst genommen und Lehrende nicht einfach sich selbst überlassen haben.

Allerdings nahm nur etwa ein Drittel derjenigen, die angegeben haben, dass es an ihren Hochschulen Beratungsstellen zur digitalen Lehre gebe, entsprechende Angebote auch in Anspruch (vgl. Dokumentation Tab. 1.6). Das spricht dafür, dass letztlich autodidaktische Maßnahmen sowie eventuell der direkte Austausch mit Kolleg/innen von größerer Bedeutung waren. Die Kommentare der Befragten geben Hinweise auf die Gründe für diesen Umstand. So merkt etwa ein/e Teilnehmer/in an, dass angesichts eines „1-Mann-Zentrum[s] für digitale Hochschullehre“ an der eigenen Universität lediglich eine „theoretisch[e] [...] Unterstützungsleistung“ verfügbar gewesen sei. Ein/e andere Teilnehmer/in weist darauf hin, dass „[d]ie Unterstützungsangebote seitens der Universität (didaktische Fortbildungen, Leitfäden zur Seminargestaltung) [...] völlig unpassend für Geisteswissenschaften und nahezu nicht anwendbar auf die entsprechenden Lehrveranstaltungen“ gewesen seien. Gerade in geisteswissenschaftlichen Fächern zeigte sich – für viele Kolleg/innen, die sich bereits länger mit digitaler Lehre befassen, sicherlich kaum überraschend – zu Beginn der Pandemie ein massiver Nachholbedarf in diesem Bereich.

Auffällig ist, dass es nach Angaben der Befragten wenig Unterstützung bei der Beschaffung von Hardware wie Computern, Webcams und Headsets gab. Wenn, dann erfolgte sie überwiegend auf Institutsebene, in geringerem Umfang auf Universitäts- und Fakultätsebene. Dies legt nahe, dass nur in geringem Maße zusätzliche Gelder für solche Anschaffungen zur Verfügung standen und der Kauf von Geräten vor allem aus vorhandenen Lehrstuhlbudgets und Drittmitteltöpfen finanziert wurde.

Bei der Frage der Anerkennung des Engagements in der digitalen Lehre bietet sich ein geteiltes Bild. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass es eine Anerkennung für Engagement in der digitalen Lehre gab. Diese erfolgte überwiegend ideell (41,5 Prozent). Konkrete Maßnahmen werden nur von 5,2 Prozent der Befragten genannt. Überwiegend handelt es sich dabei um Lehrreduktionen (4,1 Prozent der Befragten), wobei eine kleine Mehrheit auf Lehrreduktionen im laufenden Semester (2,2 Prozent) gegenüber Lehrreduktionen in folgenden Semestern (1,9 Prozent) entfällt. Für die Autor/innen des Fragebogens überraschend ist der Befund, dass es in einer kleinen Zahl von Fällen (drei Personen) sogar eine finanzielle Anerkennung gab (vgl. Dokumentation Tab. 1.9). Sofern es sich bei diesen Anerkennungen für das Engagement in der digitalen Lehre nicht um bloße Kompensation für eine höhere Anzahl an Semesterwochenstunden handelt, ist die Lehrreduktion als Belohnung für engagierten Einsatz für die Lehre allerdings ein paradoxes Instrument. Denn zum einen erhöht es im Ergebnis die Belastung der verbleibenden Kolleg/innen und verspielt gewissermaßen den Vorteil für die Lehre, der sich aus den besonderen Erfahrungen der derart Ausgezeichneten eigentlich ergeben würde. Nicht nur in diesem Zusammenhang könnten Universitäten und Institute überlegen, andere Möglichkeiten für Belohnungen und das Setzen von Anreizen zu ermöglichen. Vorstellbar wären beispielsweise zusätzliche, personengebundene Forschungsmittel, die sich beispielsweise einsetzen ließen, um Einschränkungen der Forschungstätigkeit durch andere Aufgaben zu kompensieren.

Die Freitextkommentare der Teilnehmer/innen weisen allerdings deutlich darauf hin, dass nur wenige Lehrende in den Genuss einer Anerkennung kamen und konkret in Aussicht gestellte Maßnahmen zum Zeitpunkt der Befragung entweder noch nicht umgesetzt oder sogar zurückgenommen worden waren. In diesem Zusammenhang äußert sich große Frustration und Enttäuschung über die geringe „Fürsorglichkeit der Hochschulen gegenüber ihren Mitarbeiter/innen in dieser Situation“ der außerordentlichen Belastung und die Tatsache, dass es von Universitätsleitungen und Politik „außer warmen Worten [...] keinerlei Anerkennung gab“. Allerdings muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass das Thema Anerkennung von Belastungen und Mehraufwand im Zusammenhang der digitalen Lehre im Sommersemester in den Kommentaren insgesamt selten zur Sprache kam.

Themenfeld 2: Durchführung der digitalen Lehre
In diesem Themenfeld wurden Details zur Durchführung der digitalen Lehre wie der eingesetzten Softwaredienste und Einschätzungen zu Kursgrößen abgefragt. Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat im Sommersemester 2020 eine Mischung aus synchroner und asynchroner Lehre angeboten (insgesamt 70,1 Prozent der Antworten). Hier zeigt sich in den Daten eine geringfügige Tendenz zur Bevorzugung von synchronen gegenüber asynchronen Anteilen, die angesichts der mangelnden Repräsentativität der Umfrage allerdings statistisch nicht signifikant ist (vgl. Dokumentation Tab. 2.1).

Dennoch spiegelt sich dieser Befund in den Angaben zur eingesetzten Software und für die Kommunikation genutzten Webdienste wider (vgl. Dokumentation Tab. 2.5). Für die digitale Lehre und die Interaktion mit Studierenden waren Video-/Audiokonferenzsoftware die am häufigsten genutzten Dienste (92 Prozent), dicht gefolgt von den an vielen Universitäten bereits vor dem Sommersemester 2020 eingesetzten Lernplattformen (91,6 Prozent) und E-Mail (90,1 Prozent). Auch das Telefon kam sehr häufig zum Einsatz (45 Prozent der Fälle). Dienste für die Zusammenarbeit sowie Dateispeicherdienste wurden hingegen deutlich seltener verwendet (22,9 Prozent und 18,6 Prozent der Fälle). Da keine Korrelation zwischen Variablen wie etwa dem Alter der Dozierenden existieren, dürfte dies vor allem daran liegen, dass die meisten Lernplattformen bereits entsprechende Funktionen zur Verfügung stellen, sodass hier schlicht seltener der Rückgriff auf andere Dienste nötig war. Ähnliches gilt sehr wahrscheinlich für den Einsatz von Online-Whiteboards, Wikis und Terminfindungsdiensten wie Doodle, wobei gerade die Abstimmung von Einzelterminen (Sprechstunden) sicherlich meist per E-Mail erfolgte. Entsprechende Funktionen stehen jedenfalls in nahezu allen der häufiger genutzten Softwarelösungen zur Verfügung. Dem Einsatz anderer als den unmittelbar von den Universitäten lizenzierten Diensten standen allerdings auch Sicherheits- und datenschutzrechtliche Bedenken im Wege. Einige Teilnehmer/innen beklagten in ihren Kommentaren entsprechend, dass wichtige lizenzierte Software nicht durch äquivalente Apps ersetzt werden durfte, wenn sie nicht zuverlässig funktionierte. In dieser Hinsicht waren der Experimentierfreude der Lehrenden also Grenzen gesetzt.

Insgesamt waren die Teilnehmerzahlen der digitalen Veranstaltungen sowie die regelmäßige Teilnahmefrequenz der Studierenden an den Veranstaltungen im Sommersemester 2020 vergleichbar mit der in anderen Semestern (vgl. Dokumentation Tab. 2.2 bis 2.4). Höhere Teilnehmerzahlen verzeichneten lediglich 12,9 Prozent der Befragten. Dass dieser Anteil so relativ gering ist, ist zum einen mit Blick auf die Arbeitsbelastung der betroffenen Lehrenden positiv, zeigt andererseits aber auch, dass die Pandemiebedingungen im Sommersemester offenbar nicht zu einem nennenswerten Wegfall an Lehrkapazitäten führten, dem ein unveränderter Bedarf auf Studierendenseite gegenüberstand, welcher wiederum hätte kompensiert werden müssen. Dies legt auch die Tatsache nahe, dass 20,8 Prozent der Befragten angaben, dass die Teilnehmerzahl in ihren Online-Veranstaltungen geringer war als üblich.

Bei der Teilnahmefrequenz hält sich der Anteil der Befragten, der eine höhere Teilnahmefrequenz bekundet, in etwa die Waage mit dem Teil, der eine geringere Teilnahmefrequenz moniert (17,0 zu 17,8 Prozent). Bei den Rücktritten zeigt sich ein prinzipiell ähnliches Bild, wobei die Antworten der Befragten auf eine leichte Tendenz zu einer höheren Anzahl an Rücktritten hinweist (vgl. Dokumentation Tab. 2.3).

Themenfeld 3: Sprechstunden und Prüfungen
Neben der eigentlichen Lehre wurden die Teilnehmenden in der Umfrage auch um Angaben zu anderen Kontakt- und Betreuungssituationen mit Studierenden gebeten, insbesondere zu Sprechstunden und Prüfungen. Die in diesem Zusammenhang gemachten Angaben zu den für die Beratung der Studierenden eingesetzten Diensten deckt sich weitestgehend mit dem Befund des Einsatzes dieser Dienste in der Lehre. Erfasst wurden durch den Fragebogen hier allerdings detaillierter die Themenbereiche für Beratungen. Zudem waren Teilnehmer/innen aufgefordert, alle genutzten Dienste je Themenbereich anzugeben, sodass Mehrfachangaben möglich waren (vgl. Dokumentation Tab. 3.1).

Wichtigstes Tool bei der Beratung von Studierenden in allen Themenbereichen war E-Mail (Mittelwert: 67 Prozent), dicht gefolgt von Videokonferenzdiensten (Mittelwert: 55 Prozent). E-Mail wurde bei der Beratung zu Themenwahl und Themenzuschnitt von Referaten und Hausarbeiten recht deutlich bevorzugt (79 und 85 Prozent). Lediglich bei der Beratung in Studienkrisen spielten Videokonferenzdienste eine vergleichbar wichtige Rolle: sie wurden hierfür von 42 Prozent der Befragten genutzt, während E-Mail von 44 Prozent der Befragten eingesetzt wurde. In diesem Kontext wurde aber auch per Telefon mit einem Anteil von 35 Prozent in einem in etwa vergleichbaren Umfang Beratung geleistet. Insgesamt nutzten knapp ein Drittel der Befragten das Telefon für die Beratung von Studierenden. Für die Betreuung von Hausarbeiten liegt der Anteil mit 38 Prozent der Fälle sogar noch etwas höher. Chat-Dienste wurden in allen Themenbereichen hingegen nur von einem kleinen Anteil der Befragten (Mittelwert: 9 Prozent) eingesetzt. Angesichts der geringen Bedeutung von Chatdiensten in der Lehre überrascht dieser Befund nicht. Er ist außerdem sicherlich Ausdruck des Bedürfnisses nach mündlicher Kommunikation in synchronen Beratungssituationen.

24 Prozent der Befragten gaben zudem an, keine Beratung in Studienkrisen geleistet zu haben. Nicht zuletzt angesichts der schwierigen Umstände des Sommersemesters ist dieser Anteil erstaunlich hoch. Dieser Wert muss nicht zuletzt als Ergebnis der Einschränkungen von sozialen Kontakten gedeutet werden, die sich durch den „Wegfall des sozialen Rahmens (Mensabesuch, Kneipengang, Flurgespräch, die fünf Minuten Kontakt nach dem Ende des Seminars etc.)“ gelesen werden, wie ein/e Teilnehmer/in angemerkt hat. „Dadurch war es auch schwieriger, Krisensituationen frühzeitig zu erkennen.“

Überhaupt zeugen die Kommentare der Teilnehmer/innen von einer grundsätzlichen Sorge um die Lage der Studierenden. Der fehlende beziehungsweise eingeschränkte Kontakt zu den Studierenden ist eines der am häufigsten benannten Probleme der digitalen Lehre. Die Studierendenbefragung an der Universität Hamburg zeigt, dass Studierende diese Sorge teilten. Denn ein hoher Anteil gab an, mit der Kommunikation sowohl mit den Lehrenden als auch mit anderen Studierenden im Sommersemester 2020 unzufrieden gewesen zu sein.6 Durch die individuell unterschiedliche Situation der Studierenden (mit Problemen, die „von Einsamkeit, über Alleingelassenfühlen, bis finanziellen Sorgen durch Jobverlust und familiäre Schwierigkeiten reichen“) sei eine pauschale Einschätzung ihrer Situation durch die befragten Lehrenden nicht möglich. Im Sinne der gesellschaftlichen Verantwortung der Universitäten müssten Untersuchungen zu diesem Themenkomplex genauer fragen, welche Faktoren die Bildungschancen und die Teilhabe an digitaler Lehre beeinflussen – beispielsweise sozialer Status, eventuell der Status als erste Generation von Studierenden, die finanzielle Lage mit möglicherweise dem erzwungenen Umzug in ein Elternhaus außerhalb der üblicherweise mit Internetzugang gut versorgten Universitätsstädte usw. Auch die Beiträge im Forum Digitales Lehren, die H-Soz-Kult am Ende des Sommersemesters 2020 veröffentlicht hat, weisen in diese Richtung.7

In den letzten Monaten durchgeführte Befragungen von Studierenden scheinen darauf hin zu deuten, dass Studierende mit dem (ersten) „Corona-Semester“ insgesamt unzufriedener waren als mit ihrer Studierendensituation vor Pandemiebeginn. Dazu trug natürlich das stark eingeschränkte soziale Leben bei. Mit der digitalen Lehre kam zwar laut eigenen Aussagen in verschiedenen Studien eine große Mehrheit überwiegend gut zurecht – aber eine bemerkenswert große Minderheit eben auch nicht.8

Hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie und der Umstellung auf Online-Lehre auf Prüfungen ergibt die Umfrage ein differenziertes Bild. Den Angaben der Befragten zufolge waren mündliche Prüfungen am stärksten von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer/innen gab an, dass mündliche Prüfungen als Online-Prüfungen durchgeführt wurden. In 22,2 Prozent der Fälle waren auch Präsenzprüfungen möglich, während laut rund einem Fünftel der Befragten mündliche Prüfungen durch andere Prüfungsleistungen ersetzt wurden (vgl. Dokumentation Tab. 3.2).

Bei den Hausarbeiten ist zunächst auffällig, dass 36,2 Prozent der Befragten – etwas mehr als ein Drittel – angaben, dass die Pandemie überhaupt keine Auswirkungen auf die Bearbeitung von Hausarbeiten hatte. Häufigste Konsequenz mit 52,9 Prozent der Antworten war dennoch die Verlängerung der Bearbeitungszeit. Wenn man hier auch die Verschiebung auf spätere Semester berücksichtigt, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 61,5 Prozent.

Im Falle von Klausuren, Testaten etc. waren die Auswirkungen der Pandemie breiter gefächert. 28 Prozent der Befragten gaben an, dass diese Prüfungsformate als Onlineprüfungen durchgeführt wurden. 23,8 Prozent berichten allerdings auch von einer Ersetzung durch andere Prüfungsformate, während 21,8 Prozent angeben, dass Klausuren und vergleichbare Prüfungsformate in Präsenz durchgeführt wurden.

Themenfeld 4: Versorgung mit Materialien für Lehrveranstaltungen

Die Versorgung mit Literatur und anderen Materialien wie Abbildungen und Manuskriptquellen für den Einsatz in der Lehre wurde durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und hier insbesondere die Bibliotheksschließungen im März und April in besonderem Maße erschwert. 78 Prozent der Befragten gaben an, dass diese Aufgabe schwierig (46,6 Prozent) oder sogar sehr schwierig (31,4 Prozent) zu bewältigen war, während lediglich 12,5 Prozent der Teilnehmer/innen die Situation im Grunde ähnlich wie in anderen Semestern empfanden (vgl. Dokumentation Tab. 4.1). Größter Lichtblick ist sicherlich, dass lediglich 1,5 Prozent der Befragten angaben, dass die Versorgung mit Materialien völlig unmöglich war. Ein etwas höherer Prozentsatz (1,9 Prozent) schätzte die Versorgung im Sommersemester 2020 sogar besser ein als in anderen Semestern. Wie die Daten zeigen, scheinen Lehrbeauftragte in ihrer Tätigkeit ganz besonders beeinträchtigt gewesen zu sein, da sie als hauptamtliche Mitarbeiter/innen etwa in Museen und Archiven trotz ihrer Lehrtätigkeit häufig keine Mitglieder der Hochschulen sind, an denen sie lehren, und daher nur eingeschränkten oder sogar gar keinen Zugriff etwa auf elektronische Literatur und Datenbanken erhalten, die von den Universitätsbibliotheken für Universitätsangehörige lizenziert werden. Hier bestehen lizenz- und urheberrechtliche Hürden, die für die erfolgreiche Durchführung der digitalen Notfalllehre fatal waren. In einer ähnlich schwierigen Lage befanden sich offensichtlich auch Privatdozent/innen mit Titellehre.

Die Antworten der Lehrenden auf die Frage nach Unterstützung durch Universitäten und Institute bei der Beschaffung von Literatur und anderen Materialien für die Lehre zeigen, dass die Hochschulen wichtige Schritte unternommen haben, um die entsprechende Versorgung sicherzustellen. Allerdings ist der Anteil derjenigen, die angegeben haben, dass es weder seitens der Hochschulen, noch der Institute Unterstützung für die Beschaffung elektronischer Ressourcen gab, mit 26,2 Prozent bedenklich hoch (vgl. Dokumentation Tab. 4.2). Sofern diese Kolleg/innen nicht ohnehin an Institutionen mit digital besonders gut ausgestatteten Bibliotheken tätig waren, weist dies möglicherweise entweder auf Versäumnisse seitens der zuständigen Bibliotheken oder aber (beziehungsweise auch) auf enge Budgets hin.

Wo Maßnahmen getroffen wurden, um die digitale Literaturversorgung zu verbessern, ist erfreulich, dass diese wie der Erwerb elektronischer Ressourcen und die Bereitstellung von Digitalisaten aus Universitätsbeständen überwiegend auf Universitätsebene getroffen und nicht auf die Institute abgewälzt wurden. Das ist ein ermutigendes Zeichen.

Gleichwohl legen die Antworten nahe, dass einfache Maßnahmen zur Entlastung und Unterstützung der Lehrenden vielerorts unterblieben. 30,0 Prozent der Befragten hatten laut eigener Aussage keine Möglichkeit, beispielsweise Digitalisate von Aufsätzen aus den Beständen der Bibliotheken ihrer Institutionen zu erhalten (vgl. Dokumentation Tab. 4.2). Auch gab es nur selten Angebote für die Übernahme von Fernleihgebühren oder Reproduktionsdienstleistungen aus Fremdbeständen etwa durch die Kostenübernahme für Bestellungen über den Dokumentenlieferdienst Subito. Für zukünftige Notfälle scheint es daher geboten, Gelder für ebensolche Unterstützungsmaßnahmen bereitzustellen. Zusätzliche Finanzmittel, die von der Politik zur Verfügung gestellt wurden, flossen insgesamt tendenziell zu einseitig in den Aufbau digitaler Infrastrukturen für die Durchführung der Online-Lehre, ohne die Problematik der Lehrinhalte ausreichend zu berücksichtigen.

Engpässe bei der Verfügbarkeit von Literatur und Quellen unterstreichen zudem die Notwendigkeit und den Nutzen der Digitalisierungsinitiativen vieler Bibliotheken, die nicht zuletzt auch mit finanzieller Unterstützung der DFG durchgeführt werden, sowie von Open-Access-Initiativen. Schließlich konnten Einschränkungen beim Zugang zu gedruckter Literatur auch durch die unentgeltliche Öffnung elektronischer Angebote von JSTOR, Project MUSE und einiger Verlage zumindest themenbezogen kompensiert werden, wobei hierdurch vor allem englischsprachige Literatur zur Verfügung stand.

Themenfeld 5: Arbeitsbelastung und Zeitaufwand

Der hohe Aufwand bei der kurzfristigen Überführung von Lehrangeboten in digital vermittelte Formate und der allgemein auch in den Kommentaren diagnostizierte hohe Zeitaufwand für die Durchführung digitaler Lehre schlagen sich unmittelbar in der Einschätzung der Arbeitsbelastung durch die befragten Lehrenden nieder. Eine überwältigende Mehrheit von 87,9 Prozent gab an, dass der Vorbereitungs- und Korrekturaufwand im Sommersemester 2020 höher war; 55,7 Prozent bezeichneten ihn sogar als deutlich höher (vgl. Dokumentation Tab. 5.4; Abb.). Verstärkt wurde dieses Problem durch die Unplanbarkeit der Entwicklungen, wie ein/e Teilnehmer/in anmerkte, denn „[e]igentlich muss für jede Lehrmaßnahme immer mindestens ein Plan B vorgehalten werden für den Fall[, dass] vorgesehene Lehrformen wegen neuer pandemischer Entwicklungen, wegen technischer Probleme oder wegen Erkrankung zu vieler Teilnehmer/innen nicht sinnvoll eingesetzt werden können.“ Auch die Tatsache, dass zu Beginn des Sommersemesters eine Rückkehr zur Präsenzlehre nicht kategorisch ausgeschlossen wurde, sorgte für eine Mehrbelastung, wie ein/e andere/r Teilnehmer/in anmerkte: „Hatte es im April noch geheißen, man beginne ‚vorerst‘ online und werde dann zu Präsenz-Veranstaltungen zurückkehren, wurde das stillschweigend geändert – aber der doppelte Vorbereitungsaufwand (Online UND Präsenz) ignoriert.“

Zunächst überraschend ist der Befund, dass die Gruppe der Lehrenden mit nennenswerter digitaler Lehrerfahrung mit 64,4 Prozent merklich häufiger als der Durchschnitt angab, dass die Arbeitsbelastung deutlich höher gewesen sei als in vorherigen Semestern. In der Gruppe ohne beziehungsweise mit geringer Lehrerfahrung liegt dieser Anteil mit 53,7 Prozent etwas unter dem Durchschnitt. Vorerfahrungen in der digitalen Lehre machten die digital vermittelte Notall-Distanzlehre offensichtlich nur für einen geringen Anteil einfacher. Auch dies unterstreicht noch einmal den besonderen Charakter der Lehre in diesen Ausnahmezeiten.

Eine ganze Reihe von Kommentaren thematisierte, dass es dieser Mehraufwand in der Lehre im Sommersemester 2020 vielen Lehrenden unmöglich machte, ihre Forschung voranzutreiben. Die statistische Auswertung zeigt, dass die Wahrnehmung einer hohen Arbeitsbelastung bei allen Statusgruppen sehr ähnlich war. Auch eine Aufschlüsselung der Einschätzungen danach, ob die eigene Stelle befristet oder unbefristet ist, weist keine statistisch signifikanten Abweichungen auf, wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass es in der Gruppe der befristet Beschäftigten selbstverständlich Kolleg/innen gab, die im Sommersemester 2020 zum ersten Mal gelehrt haben. Allerdings befinden sich die befristet Beschäftigten wie Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen und Juniorprofessor/innen mehrheitlich in Qualifizierungsphasen. Aus einigen Anmerkungen sprach die nachvollziehbare Sorge, dass auf befristeten und ganz besonders auf Qualifikationsstellen erhebliche Nachteile daraus resultieren könnten, dass die Forschung in dieser Ausnahmesituation ruhen musste. Es stellt sich daher die Frage, welche Konsequenzen die Universitäten daraus ziehen wollen.

Die Tatsache, dass Lehre und andere Tätigkeiten häufig im Homeoffice durchgeführt wurden, wirkte sich je nach persönlicher Situation unterschiedlich auf die Arbeitsbelastung aus. Die Kommentare der Teilnehmer/innen heben insbesondere das Wegfallen des zeitaufwändigen Pendelns an den Arbeitsort als Erleichterung hervor. Andere haben Zoom-Sitzungen als fokussierter erlebt und fanden, dass sich das „Hamsterrad“ der universitären Selbstverwaltung etwas langsamer gedreht habe.

Gerade für Familien mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen war die Arbeit im Homeoffice aber häufig mit besonderen Herausforderungen verbunden (vgl. Dokumentation Tab. 8.12). Dies betraf einen insgesamt hohen Anteil der Befragten. 17,8 Prozent der Teilnehmenden gaben an, Kinder unter sechs Jahren zu betreuen; 19,7 Prozent betreuten laut eigener Angabe schulpflichtige Kinder. 9,1 Prozent pflegten andere Angehörige und 14,0 Prozent gaben an, durch andere familiäre Verpflichtungen als Kinderbetreuung und Pflege belastet zu sein. Knapp über 50 Prozent der Teilnehmenden leisteten somit Arbeit, die als Care-Arbeit klassifiziert werden kann. Diese Gruppe verweist deshalb auch mit einem Anteil von 59,1 Prozent auf die besonders deutliche Zusatzbelastung durch den erforderlichen Vorbereitungs- und Korrekturaufwand (vgl. Dokumentation Tab. 5.4 / 8.12). Ob die Stelle der betroffenen Lehrenden befristet oder unbefristet war, machte hingegen keinen Unterschied.

Die freien Kommentare zeugen vor allem von dem Balanceakt, den Eltern zu vollbringen hatten. Die Situation brachte einige „an den Rand meiner Kraft und Nerven“. Wenn beispielsweise Alleinerziehende einen Betreuungsanspruch nur für exakt die Stunden ihrer Lehrtätigkeit zugesprochen bekamen stellt sich die Frage, ob die Universitäten als Arbeitgeber hier mehr hätten erreichen können. Aus einigen der Kommentare spricht jedenfalls deutliche Frustration: „Die teilweise arrogante und weltfremde Kommunikation des Präsidiums, das nicht in der Lage war, sich in die Situation von Mitarbeiter/innen mit Kindern zu versetzen, war leider einfach nur peinlich.“ Bis hin zur Einschätzung: „Die größte Belastung dieses Semester[s] entstand durch die Annahme, dass Homeoffice mit Kinderbetreuung (egal in welcher Art und Weise) vereinbar sei. Dies ist mehrfach durch den Arbeitgeber, aber auch durch die Bundesregierung so vermittelt worden und wurde bisher nicht korrigiert.“

Diese anekdotischen Befunde werden durch die Angaben der Befragten in dem in dieser Analyse nicht gesondert behandelten Frageteil zur persönlichen Situation gestützt (vgl. Dokumentation Tab. 8.12 und 8.13). Diese zeigen, dass es in vielen Fällen an Unterstützungsangeboten mangelte. Notfallbetreuungsangebote seitens der Hochschulen standen offensichtlich nicht (adäquat) zur Verfügung und auch Unterstützung bei der Betreuung und Pflege durch staatliche beziehungsweise kommunale Stellen sowie Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen, die bereits vor Beginn der Pandemie an Betreuungs- und Pflegeaufgaben beteiligt waren, waren in nur wenigen Fällen eine Hilfe bei der Bewältigung der familiären Aufgaben. Sofern die Teilnehmer/innen auf Hilfe zurückgreifen konnten, kam diese mit überwältigender Mehrheit aus dem familiären Bereich, etwa von Partner/innen, nahen Verwandten, Freund/innen und Bekannten. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig familiäre Unterstützung für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere sowie die grundsätzliche Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie ist. Dieser Eindruck wird noch einmal dadurch verstärkt, dass nahezu die Hälfte der Teilnehmer/innen angab, bei der Bewältigung familiärer Aufgaben während des Sommersemesters 2020 überhaupt keine Unterstützung erhalten zu haben (vgl. Dokumentation Tab. 8.13).

Es ist eine Schwäche unserer Umfrage, dass sie das Geschlecht der befragten Lehrenden nicht erhoben hat. Vor dem Hintergrund anderer Erhebungen sowie der medialen Berichterstattung müssen wir auch im Wissenschaftsbereich davon ausgehen, dass Frauen überproportional Care-Aufgaben übernommen haben, sodass hier sehr wahrscheinlich eine geschlechtsspezifische Mehrbelastung vorliegt. Für den angloamerikanischen Raum liegen bereits zahlreiche Daten beispielsweise zur Einreichung von Manuskripten bei wissenschaftlichen Zeitschriften vor, die eine deutliche Sprache sprechen: Sofort ab Beginn des Lockdown im Frühjahr 2020 brach die Zahl der Einreichungen mit Frauen als Hauptautorinnen ein; dieser Trend hält weiter an. Verantwortlich gemacht wird dafür vor allem die Care-Arbeit (primär von Müttern).9 Wenn dieser Befund prinzipiell auch auf den deutschsprachigen Raum zutrifft (wovon wir ausgehen), dann zeigt sich gerade in der Krise noch einmal verstärkt die strukturelle Benachteiligung von Frauen im (deutschen) Wissenschaftssystem. Die Covid-19-Pandemie wirft somit ein Schlaglicht auf die wohlbekannte Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft nicht nur, aber gerade auch für Frauen. Universitäten und politisch Verantwortliche sollten darüber nachdenken, welche konkreten Schlussfolgerungen sich daraus ergeben.

Die Mehrbelastung in der Durchführung der digitalen Notfalllehre war aber zumindest teilweise auch didaktischen Entscheidungen der Lehrenden geschuldet, die sich auf die von vielen Universitätsrechenzentren ausgesprochene Empfehlung zu Beginn des Sommersemesters zurückführen lässt, aus Sorge vor überlasteten Internetverbindungen verstärkt auf asynchrone Angebote zu setzen. Dementsprechend gab etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55,6 Prozent) an, im Sommersemester mehr Einreichungen von den Studierenden eingefordert zu haben als in der regulären Präsenzlehre. Weitere 34,1 Prozent gaben an, das Arbeitspensum für die Studierenden weder erhöht noch verringert zu haben. Eine geringere Zahl an Einreichungen forderte nur eine Minderheit von 5,7 Prozent der Befragten (Dokumentation Tab. 5.1).

Die Anzahl der Einreichungen zeigt hingegen kein klares Muster (Dokumentation Tab. 5.2; Abb.). Hier waren offenbar persönliche Vorlieben beziehungsweise individuelle didaktische Konzepte ausschlaggebend. Interessant an der Verteilung ist aber, dass die Mehrheit der Befragten im Bereich von 1–8 Abgaben pro Semester lag (insgesamt 51,9 Prozent). Der Anteil derjenigen, die zwar mehr als 8 Abgaben forderten, aber weniger als in jeder Semesterwoche, liegt bei 18,2 Prozent und damit geringer als der Anteil der Befragten, die in jeder Woche Abgaben von den Studierenden einforderten (20,1 Prozent). Das zeigt eine Tendenz der Aufspaltung in zwei „Lager“ zwischen moderater und sehr hoher Abgabefrequenz. Auch die Aufschlüsselung nach digitaler Lehrerfahrung weist keine nennenswerten Abweichungen von diesem Muster auf.

Eine ähnliche Aufspaltung lässt sich für den Umfang dieser Einreichungen nicht beobachten. Dieser war im Durchschnitt relativ hoch. Nur 10,6 Prozent der Befragten forderten regelmäßig weniger als eine Seite; die große Mehrheit (47,7 Prozent) forderte bis zu zwei Seiten und immerhin mehr als ein Viertel (28,8 Prozent) mehr als zwei Seiten (Dokumentation Tab. 5.3; Abb.). Auch hier zeigt sich eine in etwa ähnliche Verteilung unabhängig von der Vorerfahrung in der digitalen Lehre.

Angesichts der Schwierigkeiten der Arbeit im Homeoffice bei gleichzeitigen Care-Aufgaben war es sicherlich für viele der Teilnehmer/innen der Umfrage eine Erleichterung, den Zugang zu ihren Büros nicht das gesamte Semester aufgeben zu müssen. Ein Drittel der Befragten hatte sogar das gesamte Semester über Zugang zu den Büros, während knapp die Hälfte der Befragten (48,9 Prozent) für Einzeltermine oder Teile des Semesters das Büro nutzen konnte. Diese Angaben spiegeln die Entspannung der Zugangsbeschränkungen nach dem Lockdown vom März wider. Nur ein relativ geringer Teil der Befragten (15,2 Prozent) hatte während des gesamten Sommersemesters keinen Zugang zu ihren Büros (Dokumentation Tab. 5.5).

Wenig überraschend gab eine Mehrheit von 62,5 Prozent an, eine Kombination aus Arbeit im Büro und Arbeit im Homeoffice zu bevorzugen. Dies entspricht der üblichen Praxis vieler Kolleg/innen bereits vor Beginn der Pandemie. Interessant ist aber dennoch, dass sich lediglich 14 Prozent der Teilnehmer/innen für die Heimarbeit als Normalform aussprechen. Demgegenüber ziehen 19,7 Prozent – also fast ein Fünftel – die Arbeit im Büro der Arbeit zu Hause vor (Dokumentation Tab. 5.6).

Themenfeld 6: Einschätzungen zur Online-Lehre
In Themenfeld 6 baten wir die Befragten um ihre Einschätzungen zu verschiedenen Aspekten der digitalen Lehre wie der Zuverlässigkeit der Internetverbindungen, der Eignung digitaler Lehrveranstaltungen für verschiedene Zielgruppen und der Qualität der studentischen Arbeiten im Sommersemester 2020. Letztere schätzte die Mehrheit der Befragten (59,1 Prozent) als vergleichbar zu bisherigen Semestern ein. 22,3 Prozent empfanden die Qualität der Arbeiten als geringer und nur 14,0 Prozent als höher (Dokumentation Tab. 6.1). Dieser Befund ist insofern auf den ersten Blick traurig, weil er nahelegt, dass sich die höhere Investition von Zeit und Energie in die Lehre offenbar nicht in besseren studentischen Leistungen niedergeschlagen hat. Allerdings ist davor zu warnen, einen simplen Zusammenhang zu konstruieren oder gar zu schließen, dass sich eine höhere Investition in die Lehre nicht lohne. Denn zum einen wissen wir aus Befragungen der Studierenden, dass das Online-Semester auch bei einem nennenswerten Teil der Studierenden zu einem hohen Arbeitsdruck und teilweise zu Überforderung geführt hat.10 Zum anderen kann getrost davon ausgegangen werden, dass die in Themenfeld 5 geäußerte Überarbeitung keineswegs förderlich für die Lehrqualität war, zumal wir angesichts der notwendigen Einarbeitung in neue Technologien und didaktische Konzepte sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch auf Seiten der Studierenden von großen Anstrengungen ausgehen müssen, die eher Aufmerksamkeit von den Inhalten weg gelenkt haben.

Wie wenig aussagekräftig dieses Ergebnis ist, zeigt sich etwa im Vergleich mit den Ergebnissen einer Befragung unter den Lehrenden des Instituts für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, die unmittelbar am Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters 2020 durchgeführt wurde. Hier erachteten 25,6 Prozent der Befragten die studentischen Beiträge und Arbeiten im Vergleich zu regulären Semestern als qualitativ hochwertiger, während lediglich 10,3 Prozent die Leistungen als schlechter einschätzten. Hieraus ein Urteil über Erfolg oder Misserfolg des Emergency Remote Teachings insgesamt abzuleiten, wäre verfehlt.

Nach Einschätzung der durch H-Soz-Kult und den VHD befragten Lehrenden kamen Studierende meist gut mit der Online-Lehre zurecht (58,7 Prozent der Befragten). 29,5 Prozent der Teilnehmer/innen gaben jedoch an, dass Studierende „meist nicht gut“ mit der Online-Lehre zurechtgekommen seien (Dokumentation Tab. 6.2). Einige Teilnehmer/innen haben aber zurecht darauf hingewiesen, dass ein pauschalisiertes Urteil in vielen Fällen nahezu unmöglich ist.11

Vor allem die Qualität der Internetverbindungen war in Einzelfällen offenbar ein gravierendes Problem. So berichtete ein/e Teilnehmer/in, dass einige „Studierende, die nur über Handy Zugang zum Internet hatten [, ...] darum baten, keine PDFs mehr bereitzustellen, sondern nur noch TXT-Dateien, da alles andere sehr lange oder überhaupt nicht geladen werden kann.“ Insgesamt war der Eindruck der Befragten von der Zuverlässigkeit studentischer Internetverbindungen jedoch tendenziell positiv, wobei es der Fragebogen (aber weitgehend sicherlich auch der Kenntnisstand der Lehrenden) jedoch nicht erlaubt, die persönliche Situation einzelner Studierender (beispielsweise Wohnort in ländlichen oder städtischen Räumen) zu erfassen, sodass hier Differenzierungsmöglichkeiten notwendigerweise verloren gehen.

In einer abschließenden Frage zum Themengebiet wurden die Teilnehmer/innen gebeten, ihre Zustimmung beziehungsweise Ablehnung zu ausgewählten Aussagen auf einer Skala von 1 (stimme nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu) auszudrücken (Dokumentation Tab. 6.3). Hierbei zeigt sich eine recht klare Bevorzugung der Präsenzlehre durch die Teilnehmer/innen. Die Online-Lehre wird insgesamt als eher mäßig geeignet eingeschätzt, um fortgeschrittenen Studierenden im Bachelor und Master Studieninhalte zu vermitteln. Auch für die Kommunikation mit Doktorand/innen erscheinen digitale Formate nur mäßig geeignet. Für Studienanfänger im Bachelor erscheint die Online-Lehre als eher ungeeignet. Auch das Diskussionsverhalten in den Sitzungen wurde in der digitalen Lehre insgesamt als schlechter eingeschätzt als in Präsenzveranstaltungen. Hier sollte allerdings erinnert werden, dass das Emergency Remote Teaching gerade didaktisch nicht mit genuiner digitaler Lehre gleichgesetzt werden darf.

Trotz dieser eher negativen Bewertung der Online-Lehre lässt sich ein leichtes Übergewicht auf Seiten derjenigen Teilnehmer/innen erkennen, die digitale Methoden auch in die Präsenzlehre übernehmen möchten. Aus technischer Sicht interessant ist, dass Lehrende tendenziell deutlicher seltener Probleme mit der eigenen Internetverbindung bemängelten als mit derjenigen von Studierenden. Im Großen und Ganzen scheinen die eingesetzten Dienste in den Augen der Dozierenden jedoch relativ zuverlässig funktioniert zu haben, auch wenn es hier offensichtlich noch Raum für Verbesserungen gibt.

Ein viel beschworener Vorteil der digitalen Lehre liegt in ihrer Flexibilität und prinzipiellen Ortsunabhängigkeit. Daher wäre es zumindest denkbar, dass das neue Lehrmedium bei aller Kritik und Schwierigkeiten angesichts der Pandemielage neue Freiräume für die wissenschaftliche Arbeit eröffnete, die in vergleichbarer Form in Präsenzsemestern nicht existierten. Solche Freiräume ergaben sich immerhin für knapp 22 Prozent der Teilnehmer/innen. Eine Mehrheit von 64 Prozent der Befragten lehnte diese Aussage jedoch ab, wobei diese Einschätzung nicht von der Ausnahmelage des Sommersemesters getrennt werden kann und entsprechend eine Momentaufnahme wiedergibt, die wenig Rückschluss auf die Potenziale der Digitalisierung erlauben.

Auch wenn eine klare Mehrheit eine unmissverständliche Bevorzugung der Präsenzlehre gegenüber der digitalen Lehre zum Ausdruck gebracht hat, stimmten dennoch 34,0 Prozent der Befragten der Aussage zu oder sogar voll zu, dass sie gerne digital unterrichtet hätten (39,4 Prozent lehnten diese Aussage ab, der Rest bewertete sie neutral). Auch aus einer ganzen Reihe von Kommentaren spricht die Freude an neuen Erfahrungen, die auch neue Erkenntnisse über die Studierenden und ihre Fähigkeiten mit sich brachten: „Lassen Sie sich von Ihren Studierenden überraschen und nehmen Sie deren besondere Kompetenzen in schriftlicher Kommunikation (per Foren, Blogs, Chats) und digitalen Präsentations-Formen (Podcasts, Webcamvideos, selbst ablaufenden Powerpointpräsentationen etc.) anerkennend wahr.“ Außerdem wurde in einigen Kommentaren eine freiere Gestaltung der Lehrformate positiv hervorgehoben, ebenso die Notwendigkeit, die Lernziele und den Einsatz didaktischer Konzepte und Arbeitsphasen intensiver zu reflektieren.

Immer wieder wird jedoch formuliert, dass die Ansprüche an die Lehrveranstaltungen für digitale Lehre abgesenkt werden müssten – eine Einschätzung, die zu denken geben sollte. Sicherlich ist sie auch der Tatsache geschuldet, dass die Lehrenden sich auf das Sommersemester 2020 nicht mit Weiterbildungen zu einer digitalen Didaktik vorbereiten konnten und betont damit noch einmal den Notfallcharakter der hieraus resultierenden online vermittelten Lehrveranstaltungen.

Empfehlungen
Welche Empfehlungen sich aus den Umfrageergebnissen ableiten lassen, ist primär eine Frage der Interpretation der Daten. In den Freifeldkommentaren haben wir aber auch den Teilnehmenden die Möglichkeit eingeräumt, eigene Ratschläge und Empfehlungen – vor allem an die Kolleg/innen gerichtet – zu äußern. Zahlreiche Teilnehmende haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Aufbauend auf diesen Reflexionen der Kolleg/innen und den weiteren Ergebnissen der Umfrage, adressieren wir zum Abschluss dieses Artikels Empfehlungen in sechs Bereichen, in denen unserer Einschätzung nach besonderer Handlungsbedarf besteht: „Verbesserung der Chancengleichheit von Studierenden“, „Einbindung von Kolleg/innen mit Titellehre und Lehrbeauftragten“, „Literaturversorgung“, „Lernplattformen und Videokonferenz-Dienste“, „digitale Didaktik“, „Betreuung von Studierenden“.

Verbesserung der Chancengleichheit von Studierenden
Geäußert wird von den Befragten die Forderung, die „Chancenungleichheit bei den Studierenden ernst zu nehmen. Die Spaltung wird noch größer!“ Dies betrifft in der Wahrnehmung der Teilnehmenden die soziale Lage der Studierenden und den Wohnort – vor allem hinsichtlich des Zugangs zu leistungsfähigem Internet. Deshalb stellt sich die Frage, wie mit den teils schlechten Internet-Verbindungen von Studierenden umzugehen ist – eine Frage, die sich vor allem auch an die Politik richtet und die als Forderung nach einer Beschleunigung des Breitbandausbaus nicht nur von Akteur/innen aus dem Bildungswesen vorgebracht wird.12 Hinzuzufügen wäre der kritische Befund, dass zahlreiche der digitalen Lehrangebote kaum oder nur eingeschränkt Barrierefreiheit für sich beanspruchen können. Diese durchweg unbefriedigende Situation ist allerdings nicht nur (und vielleicht noch nicht einmal in erster Linie) eine Frage technischer Mittel, sondern vor allem auch eine Frage der Sensibilisierung und der gezielten Schulung von Dozierenden aller Erfahrungsstufen.

Einbindung von Kolleg/innen mit Titellehre und Lehrbeauftragten
Die Kommunikation insbesondere auf Universitätsebene, aber auch auf Ebene der Institute stellt einen in den Kommentaren häufig angesprochenen Problembereich dar, von dem Privatdozent/innen mit Titellehre in ganz besonderer Weise betroffen gewesen zu sein scheinen. Volle 50 Prozent von ihnen gaben an, auf Universitätsebene ebenso wie auf Instituts-, Fachbereichs- und Fakultätsebene nicht über relevante Entwicklungen informiert worden zu sein. Eine vergleichbare Situation lässt sich für keine der anderen Statusgruppen konstatieren. Dieser Befund wiegt umso schwerer, als sich die befragten Lehrbeauftragten tendenziell gut informiert fühlten. Angesichts diesen Befundes und auch der grundsätzlichen Gefahr, dass Lehrbeauftragte, die ja naturgemäß außerhalb des normalen universitären Geschehens stehen, ebenso Opfer mangelnder Kommunikation werden, möchten wir an dieser Stelle nachdrücklich dazu aufrufen, auf allen Ebenen – und das meint hier in erster Linie die Institute und die Lehrstühle – auf die Einbindung in Kommunikationsschleifen zu achten, um sicherzustellen, dass Lehrbeauftragte und Privatdozent/innen mit Titellehre nicht zu Lehrenden zweiter oder gar dritter Klasse degradiert werden.

Da beide Gruppen darüber hinaus große Schwierigkeiten vermeldet haben, Literatur und andere Materialien für ihre Lehrveranstaltungen zu beschaffen, erscheint es uns wichtig, Möglichkeiten zu prüfen, diesen Lehrenden Zugang auch zu den von den jeweiligen Hochschulen lizenzierten elektronischen Ressourcen oder zumindest vereinfachte und kostenfreie Zugriffsmöglichkeiten auf die Digitalisierungsdienste der entsprechenden Hochschul- und Institutsbibliotheken zu ermöglichen. Zu prüfen wären verschiedene Maßnahmen, die von einer vorübergehende Aufnahme der Lehrbeauftragten in die Universität über die Ausweitung von Lizenzabkommen auf diese Lehrendengruppen bis hin zur Möglichkeit reichen, Hilfskräfte von Instituten und Lehrstühlen mit Literaturbeschaffungsaufgaben für ihre Lehrveranstaltungen zu betrauen. An einigen Lehrstühlen mag letzteres bereits Usus sein, aber wir sind uns auch dessen bewusst, dass an vielen anderen die Hilfskraftkapazitäten für diese Maßnahme vielleicht nicht ausreichen. Auch hier empfehlen wir ausdrücklich verbindliche Kommunikation und Abstimmung zwischen allen Beteiligten.

Literaturversorgung
Die Versorgung mit Literatur und Materialien für die digitale Lehre hätte, so der Befund dieser Umfrage, weitaus schlechter sein können – aber eben auch durchaus besser. Universitäten sollten sich fragen, wie sinnvolle Investitionen in Digitalisierungsprojekte, Open Access Publikationen und die Infrastrukturen zur Literaturversorgung aussehen, um krisenfester zu werden. Für die Geschichtswissenschaften richten sich ähnliche Fragen an die Archive. Da es sich hier um notwendige langfristige strategische Weichenstellungen handelt, gilt es in ganz besonderem Maße, die komplexen Dynamiken und Konsequenzen von Digitalisierungsstrategien sowohl mit Blick auf die Konsument/innen als auch die Anbieter umfassend zu analysieren und zu berücksichtigen. Auch auf Instituts- und Fachbereichsebene könnte vermehrt darüber nachgedacht werden, welche Zugangswege zu Digitalisaten sinnvoll und rechtskonform sind.

Lernplattformen und Videokonferenz-Dienste
Die nahezu flächendeckende Nutzung der von den Universitäten angebotenen digitalen Lernplattformen (wie Moodle, Ilias, Blackboard etc.) durch eine große Mehrheit von 91,6 Prozent der Befragten – und dies auch ohne statistisch signifikante Unterschiede über alle Altersgruppen hinweg – scheint uns ein klarer Indikator dafür zu sein, dass sich die Investition in eine nutzerfreundliche, sichere und stabile Lernplattform, die nach Möglichkeit viele Funktionalitäten integriert (Bereitstellung von Materialien, Tests/Klausuren, Umfragen/Feedbacks der Studierenden, Kontaktaufnahme zwischen Dozierenden und Studierenden, Terminplanung von Sitzungen und Sprechstunden und ähnlichen Terminen, Funktionen zur Einsammlung studentischer Aufgaben, Dienste für kollaborative Arbeit an Texten), für Universitäten zu lohnen scheint. Die Plattform sollte übersichtlich und intuitiv organisiert sein, um auch bei intensiver Nutzung und großer Materialfülle Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Wichtig wäre auch, dass sich Universitäten oder zumindest Fakultäten beziehungsweise Fachbereiche auf eine einheitliche Plattform festlegen, um Verwirrung, unnötige Redundanzen und Doppelungen zu vermeiden.

Gleichzeitig spricht die sehr stark verbreitete Nutzung von Videokonferenz-Diensten (in unserer Befragung, aber auch in der Befragung an der Universität Hamburg) dafür, dass stabile und rechtssichere Videokonferenz-Software zur Standardausstattung von Universitäten gehören muss. Alle Universitäten und Fachbereiche sollten prüfen, welche (fachspezifischen und übergreifenden) Lizenzen notwendig und sinnvoll sind.

Digitale Didaktik
Fast unisono wird in den Kommentaren der Teilnehmer/innen hervorgehoben, dass sich die Präsenzlehre nicht einfach ins Digitale übertragen lässt, sondern digitale Lehre grundsätzlich anders konzipiert und gestaltet werden muss. Der Unterschied zwischen „digitaler Lehre“ im eigentlichen Sinn einerseits, Emergency Remote Teaching auf der anderen scheint bei zahlreichen der Teilnehmenden intuitiv präsent zu sein. Dies betrifft auch didaktische Mittel: „Es braucht eine digitale Didaktik!“ Betont wird auch immer wieder die Notwendigkeit guter und langfristiger Planung und Vorbereitung sowie die eindeutig kommunizierte Strukturierung von Sitzungen und die klare Kommunikation von Anforderungen und Erwartungen. „Forschendes Lehren“ und intensive Diskussionen scheinen besonders schlecht ad hoc in digitale Formate übersetzbar zu sein, zumindest wenn das Lehrpersonal in digitaler Didaktik nicht (extensiv) geschult ist.

Das durchaus große Interesse unter den Teilnehmenden an der Frage, wie eine „gute digitale Lehre“ aussehen und unterrichtet werden kann, verweist auf den hohen Stellenwert der Lehre in ihrem Selbstverständnis und spricht aus unserer Sicht für mehr Investitionen der Hochschulen in didaktische und technische Beratungs- und Weiterbildungsleistungen auf dem Feld der digitalen Lehre.

Betreuung von Studierenden
Allerdings, dies betonen die Teilnehmenden in den Freikommentaren immer wieder, war diese Gestaltung und Durchführung der digitalen Lehre mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden, zumal die hohe Relevanz individuellen Feedbacks gerade für das „forschende Lehren“ hervorgehoben wird. Immer wieder spricht aus den Kommentaren auch die Sorge, Studierende im Fall von Krisen nicht ausreichend betreuen zu können. Universitäten sollten sich sicherlich fragen, ob ihre Angebote für die – auch individuelle – Betreuung von Studierenden adäquat sind; diese Frage stellt sich natürlich nicht nur angesichts der digitalen Notfalllehre, sondern ganz allgemein, und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund neuer Finanzierungsmodelle, die auf Abschlussquoten innerhalb der Regelstudienzeit beruhen. Unabhängig davon, wie diese Modelle zu bewerten sind, ist festzuhalten, dass die Einhaltung der Ziele in der Regel ohne eine Intensivierung von Betreuungsleistungen kaum einzuhalten sind.

Es sollten daher vor dem Hintergrund der Erfahrung des Sommersemesters 2020 – und der Erfahrung des ebenfalls weitestgehend digitalen Wintersemesters 2020/2021 – auch strukturelle Aspekte im Verhältnis von Lehrenden und Studierenden hinterfragt werden, die sowohl mit der Qualität der (forschenden) Lehre als auch der Fürsorge gegenüber den Studierenden in Verbindung stehen. Beispielsweise könnte über Modelle von „Vertrauensdozierenden“ nachgedacht werden, die auch als erste Ansprechpartner/innen in Krisensituationen fungieren könnten. Allerdings würde ein solches Modell angesichts der derzeitigen Betreuungsrelation vermutlich eine nicht leistbare Mehrbelastung für die Lehrenden schaffen.

Gerade hier bieten digitale Angebote Potenziale, auch in Zukunft als Begleitung und Ergänzung zur Präsenzlehre. Denn sie erlauben es, stark repetitive Lerninhalte („Wie gebe ich eine Monographie korrekt im Literaturverzeichnis an?“) in digitale Angebote und Übungen auszulagern, um somit Ressourcen von Dozierenden freizusetzen, die stattdessen in anspruchsvollere Lehraktivitäten und eben eine umfangreichere Betreuung von Studierenden investiert werden könnten. Sowohl in den Freitextkommentaren einiger Teilnehmer/innen als auch in Beiträgen in Feuilletons wird immer wieder die Sorge geäußert, dass eine Digitalisierung der Lehre dazu genutzt werden könnte, die Zahl der Dozierenden zu reduzieren. Die Wahrheit aber ist – und das zeigen die zahlreichen Berichte über die digitale Notfalllehre, wie sie unter anderem auch von H-Soz-Kult veröffentlicht wurden –, dass die Lehre in den Geisteswissenschaften durch die Digitalisierung nicht weniger, sondern mehr Dozierendeneinsatz in Form kleinerer Seminargruppen und intensiverer Betreuung von Studierenden benötigt. Denn anders als die richtige Formatierung von Literaturverweisen lässt sich der Kern der historisch arbeitenden Fächer eben nicht durch Demonstrationen und automatisierte Übungen vermitteln, sondern benötigt die direkte Interaktion und den kollaborativen ebenso wie den konfrontativen und herausfordernden Austausch zwischen Individuen. Und diese Verantwortung muss auf mehrere Schultern verteilt werden, nicht zuletzt, um Studierende einer möglichst großen Bandbreite an intellektuellen Impulsen auszusetzen, die ihre geistige Flexibilität steigern und ihren Horizont größtmöglich erweitern. Dies kann durch keine Videoaufzeichnung, keinen Online-Test und keinen Algorithmus ersetzt werden. Die Chance der Digitalisierung der Lehre in den Geschichtswissenschaften liegt vielmehr darin, die für unsere Arbeit so zentralen kritischen Interaktionsräume zu erweitern und zu intensivieren – auch außerhalb von Krisenzeiten wie diesen nicht als Ersatz für, sondern als Ergänzung zum persönlichen Austausch in Seminarräumen und Vorlesungssälen.

Fazit
Ein vorläufiges Fazit zu den pandemiebedingten „Digitalsemestern“ auf Basis dieser Umfrage – die sich auf die digitale Lehre und mit ihr zusammenhängende Fragen konzentrierte und beispielsweise Aspekte der universitären Forschung, der akademischen Selbstverwaltung oder administrativen Regulation der Universitäten weitgehend außen vor ließ – fällt durchwachsen aus. Dass die Universitäten vergleichsweise gut durch das Sommersemester 2020 gekommen sind, scheint in hohem Maß dem Engagement ihrer Mitarbeiter/innen geschuldet zu sein. Deren Arbeitsbelastung war – und ist – im Jahr 2020 laut allen Umfragen außerordentlich hoch. Für die universitären Steuerungsgremien auf allen Ebenen und die Universitätsverwaltungen gilt mit Sicherheit ähnliches. Dennoch sollten die universitären Akteure es nicht versäumen, die aktuelle Krisensituation zu nutzen, um über notwendige und wünschenswerte Veränderungen zur Verbesserung ihrer Resilienz nachzudenken – und die Kosten struktureller Probleme und Engpässe kritisch zu evaluieren. Wenn in diesen Zeiten viel von der gesellschaftlichen Verantwortung die Rede ist, so sollten sich auch die Universitäten nach der ihren fragen und ihre Verantwortung für das Personal aller Statusgruppen ebenso wie für die Studierenden reflektieren.
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Folgende Dokumentationen ergänzen diese Auswertung:
Tobias P. Graf; Rüdiger Hohls; Claudia Prinz, Matthias Pohlig: Dokumentation der Online-Umfrage ‚Digitale Lehre‘ von H-Soz-Kult: ‚Digitale Lehre – Online-Befragung der Geschichtsleh-renden an den Hochschulen im Sommersemester 2020“, in: H-Soz-Kult, 18.12.2020, <https://www.hsozkult.de/sites/default/files/documents/Dokumentation_der_HSK_Online-Umfrage_2020-10_Tabellen.pdf>.
Tobias P. Graf; Rüdiger Hohls; Claudia Prinz, Matthias Pohlig: Dokumentation des Fragebogens der Online-Umfrage „Digitale Lehre“ von H-Soz-Kult: „Digitale Lehre – Online-Befragung der Geschichtslehrenden an den Hochschulen im Sommersemester 2020“, in: H-Soz-Kult, 18.12.2020, <https://www.hsozkult.de/sites/default/files/documents/Dokumentation_des_Fragebogens_der_HSK_Online-Umfrage_2020-10.pdf>.

Anmerkungen:
1 Der VHD zählt im Jahr 2020 über 3.000 Mitglieder. Die Angebote von H-Soz-Kult haben rund 30.000 Personen abonniert; die Webseite von H-Soz-Kult zählt monatlich über 250.000 natürliche Besucher/innen.
2 Siehe Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen, Emergency Remote Teaching, https://www.hul.uni-hamburg.de/forschung/emergency-remote-teaching.html (08.12.2020); Gabi Reinmann / Carla Bohndick / Eileen Lübcke / Alexa Brase / Marikje Kaufmann / Nele Groß, Emergency Remote Teaching im Sommersemester 2020. Bericht zur Begleitforschung – Lehrendenbefragung (August 2020), https://www.hul.uni-hamburg.de/forschung/emergency-remote-teaching/begleitforschung-bericht-2020-2.pdf, S. 2 (08.12.2020); Charles Hodges / Stephanie Moore / Barb Lockee / Torrey Trust / Aaron Bond, The Difference Between Emergency Remote Teaching and Online Learning, in: Educause Review (27.3.2020), https://er.educause.edu/articles/2020/3/the-difference-between-emergency-remote-teaching-and-online-learning (08.12.2020).
3 „Dokumentation der Online-Umfrage ‚Digitale Lehre‘ von H-Soz-Kult: ‚Digitale Lehre – Online-Befragung der Geschichtslehrenden an den Hochschulen im Sommersemester 2020‘“, https://www.hsozkult.de/sites/default/files/documents/Dokumentation_der_HSK_Online-Umfrage_2020-10_Tabellen.pdf sowie https://www.hsozkult.de/sites/default/files/documents/Dokumentation_des_Fragebogens_der_HSK_Online-Umfrage_2020-10.pdf
4 Dagegen stellte sich die Personalstruktur an den deutschen Hochschulen 2017 gemäß der Zahlen der Statistischen Bundesamt, Fachserie 11 Reihe 4.4 (einsehbar über https://www.govdata.de/) in den Geisteswissenschaften folgendermaßen dar: Professorinnen/Professoren insgesamt: 4.930; Wissenschaftliches und künstlerisches Personal hauptberuflich (inkl. Professorinnen/Professoren): 21.959; Wissenschaftliches und künstlerisches Personal nebenberuflich (größte Gruppe: Lehrbeauftragte): 16.839.
5 So beklagt der Stifterverband, dass kaum eine Universität zentrale Ansprechpartner/innen für die digitalen Lehre benannt habe. Vgl. dazu Barbara Gillmann, Die digitale Lehre bleibt eine Dauerbaustelle – auch an den Unis, in: im Handelsblatt (1.10.2020), https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/hochschulen-die-digitale-lehre-bleibt-eine-dauerbaustelle-auch-an-den-unis-/26216380.html (11.12.2020).
6 Servicestelle Evaluation des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen, Studierendenbefragung im Rahmen der Begleitforschung zum „Emergency Remote Teaching“ (BERT) im Sommersemester 2020. Anhang: Tabellen und Abbildungen (s. d.), https://www.hul.uni-hamburg.de/dateien/anhang-zum-bericht-studierendenbefragung-sose-2020-erste-ergebnisse.pdf, S. 9.
7 Eine Zusammenstellung der Beiträge findet sich unter https://www.hsozkult.de/text/id/texte-5037 (12.12.2020).
8 Zur Universität Hamburg als knappen Überblick: Lehren und Studieren während der Pandemie, 11.11.2020, vgl. https://www.uni-hamburg.de/newsroom/im-fokus/2020/1111-umfragen-digitale-lehre.html (12.12.2020); zur Umfrage des Stifterverbands: Gillmann, Die digitale Lehre bleibt eine Dauerbaustelle (s.o.); sowie Gerald Wagner, Sehnsucht nach dem Sozialen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2020, https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/online-lehre-hochschulen-ziehen-bilanz-des-digitalsemesters-17021463.html (12.12.2020).
9 Colleen Flaherty, Something's Got to Give. Women's journal submission rates fell as their caring responsibilities jumped due to COVID-19, in: Inside Higher Ed (20.8.2020), https://www.insidehighered.com/news/2020/08/20/womens-journal-submission-rates-continue-fall (11.12.2020). Für allgemeinere geschlechterspezifische Konsequenzen der Krise in der EU vgl. Martina Steer, Sind Frauen die Verliererinnen der Corona-Krise? Überlegungen aus der Frauen- und Geschlechtergeschichte, in: H-Soz-Kult, 01.09.2020, https://www.hsozkult.de/debate/id/diskussionen-5049 (12.12.2020).
10 Die recht große und umfassende Studierendenbefragung an der Universität Hamburg zeigt ein durchwachsenes Bild. Exakt 50 Prozent der befragten Studierenden gaben an, gut oder sehr gut allgemein mit der Situation im Sommersemester 2020 zurechtgekommen zu sein; die anderen 50 Prozent äußerten sich neutral, schlecht oder sehr schlecht. Servicestelle Evaluation des Hamburger Zentrums für universitäres Lehren und Lernen, Studierendenbefragung im Rahmen der Begleitforschung zum „Emergency Remote Teaching“ (BERT) im Sommersemester 2020. Anhang: Tabellen und Abbildungen (s. d.), https://www.hul.uni-hamburg.de/dateien/anhang-zum-bericht-studierendenbefragung-sose-2020-erste-ergebnisse.pdf, S. 10.
11 Die Ergebnisse der Studierendenbefragung in Hamburg zeigen ein differenziertes Bild. Ebd., S. 8 zeigt, dass die Zufriedenheit mit dem Emergency Remote Teaching im Mittelfeld angesiedelt werden kann. Die Abfrage der Nützlichkeit einzelner Lehrformate (S. 7) deutet aber darauf hin, dass gerade die in den Geschichtswissenschaften verbreiteten, stark auf Diskussion setzenden Formate im Schnitt schlechter bewertet wurden.
12 Der Stifterverband fordert bspw. die Einführung einer „Technik-Pauschale“ für BAFöG-Empfänger/innen. Für leistungsfähiges Internet stellt sich die Lage selbstverständlich komplexer dar. Vgl. das hier verlinkte Diskussionspapier https://www.stifterverband.org/medien/hochschulen-corona-und-jetzt (abgerufen am 12.12.2020).

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