In der Geschichte Mitteleuropas spielen Migrationsbewegungen, sowohl natürliche wie auch erzwungene, eine große Rolle. Die heute wohl meist bekannten historischen Wanderungen – die der vielfältigen und keinesfalls homogenen germanischen Ethnien vom 4. bis ins 6. Jahrhundert – werden in engem Zusammenhang mit dem Niedergang der weströmischen Zivilisation und dem Anfang des kulturell deutlich anders geprägten europäischen Mittelalters gedeutet. Ebenso wichtig für das historische Verständnis Polens und Deutschlands sind Wanderbewegungen der späteren Zeiten, auch wenn sie nicht im großen Ausmaß erfolgten und zum Teil heute wenig bekannt sind: Sie beeinflussten und prägten die verschiedenen Regionen, die sie betrafen. Diese Migrationsbewegungen konnten einen natürlichen Charakter haben, Teil einer Suche nach Innovationen (militärisch, religiös, wirtschaftlich) sein oder von einem tief in der Psyche des Menschen verankerten Veränderungsbedürfnis her stammen, das der Suche der einzelnen Personen, Familien oder Gruppen nach einem neuen und besseren Leben geschuldet war. Zuweilen wurden sie auch durch ungünstige externe Faktoren verschiedener Art verursacht – politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Herkunft. Einen wichtigen Einfluss auf die Mobilität der Menschen übte die Territorial- und Staatsgewalt aus: Sie versuchte, die Bewegungen in den Territorien zu kontrollieren und zu steuern bzw. diese zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen. Und so instrumentalisierten die jeweiligen Obrigkeiten bis ins späte 20. Jahrhundert – ebenso in deutschen wie in polnischen Gebieten – mit den Migrationsbewegungen: Sie lösten diese aus, verstärkten sie oder versuchten, diese zu verhindern. Die Mobilität der Bevölkerung wurde auf verschiedene Art und Weise erzwungen, gefördert, toleriert oder eben nicht akzeptiert, eingeschränkt, bis hin zu Versuchen, diese zum möglichst weitgehenden Stillstand zu bringen. Migration war somit auch ein Instrument im Sinne politischer, wirtschaftlicher und sozialer Zwecke. Die tatsächlichen Folgen der Migrationspolitik waren jedoch unvorhersehbar, Bevölkerungsbewegungen hatten oft erhebliche Auswirkungen, die nicht immer den Intentionen der Verursachenden entsprachen.
Ziel der internationalen wissenschaftlichen Tagung ist die Darstellung der Geschichte der natürlichen und erzwungenen Migrationsbewegungen zwischen den polnischen und deutschen Gebieten vom frühen Mittelalter bis zum Jahr 1989. Dabei sollen verschiedene Gründe, Quantitäten, Formen und Konsequenzen der Aus- und Einwanderungen aufgezeigt werden: Beginnend mit Beispielen für gewaltfreie gezielte An-, Aus- und Umsiedlungspolitik, bis hin zu erzwungenen Migrationsbewegungen und Flucht aus verschiedenen Gründen (Konfession, Nationalität etc.). Das Zitat im Titel der Tagung – „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen […].“ – stammt aus dem Artikel 13 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (1948), in dem die Auswanderungsfreiheit sowie das Recht „in sein Land zurückzukehren“ bestätigt wurden.
Der geographische Rahmen der Tagung umfasst zwei Bereiche: den historischen polnischen und deutschen Kultur- und Geschichtsraum. Die politischen Grenzen dieser Gebiete decken sich weitgehend mit den Territorien des Heiligen Römischen Reiches, Preußens, des Deutschen Bundes bzw. des Deutschen Reichs bis hin zur DDR und BRD sowie mit Polen (Königreich Polen, Polen-Litauen, Rzeczpospolita, Herzogtum Warschau, Kongress-Polen, Zweite Polnische Republik, Volksrepublik Polen).
Untersuchungszeitraum: epochenübergreifend, vom frühen Mittelalter bis um 1989.
Dieser Call for Papers richtet sich insbesondere an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, aber auch an Interessierte aus anderen benachbarten Forschungsdisziplinen. Einführende, übergreifende und vergleichende Beiträge sind explizit erwünscht. Ebenso können Einzelbeispiele mit entsprechender Signifikanz auf der Tagung vorgestellt werden.
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Für jeden Vortrag ist eine Dauer von ca. 20 Minuten vorgesehen. Tagungsgebühren werden nicht veranschlagt. Honorare können leider nicht gezahlt werden. Die Veranstalterinnen und Veranstalter bemühen sich derzeit, die Reise- und Übernachtungskosten der Referierenden sicherzustellen. Die Veröffentlichung der Vorträge ist im Jahrbuch „Bulletin der Polnischen Historischen Mission“ Nr. 18 (2023) vorgesehen.
Wir laden Sie herzlich zur Teilnahme an der Tagung ein! Bitte richten Sie Ihre Vorschläge per E-Mail an Dr. Renata Skowrońska (E-Mail: r.skowronska@uni-wuerzburg.de).
Anmeldeformular und Einwilligung zur Datenverarbeitung:
- http://pmh.umk.pl/de/tagung-migration/
- http://pmh.umk.pl/start/konferencja-migracja/
Veranstalter:
- Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń) – Dr. Renata Skowrońska
- Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München – Prof. Dr. Andreas Otto Weber
- Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń, Institut für Geschichte und Archivkunde, Lehrstuhl für Geschichte der skandinavischen Länder sowie Mittel- und Osteuropas – Prof. Dr. Andrzej Radzimiński
- Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Philosophische Fakultät, Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte – Prof. Dr. Helmut Flachenecker, Dr. Lina Schröder
- Universität Potsdam, Historische Institut, Professor für Allgemeine Geschichte der Frühen Neuzeit – Prof. Dr. Matthias Asche
Die Tagung wird in Verbindung mit dem Kolleg „Mittelalter und Frühe Neuzeit” veranstaltet.