Der Ort des Kommunismus in den westeuropäischen Demokratien seit 1945. 5. Hermann-Weber-Konferenz zur Historischen Kommunismusforschung

Der Ort des Kommunismus in den westeuropäischen Demokratien seit 1945

Veranstalter
Dr. Claudia Gatzka (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) und Dr. Dominik Rigoll (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam) in Kooperation mit dem Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
Ausrichter
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Veranstaltungsort
Kronenstraße 5
Gefördert durch
Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung in der Bundesstiftung Aufarbeitung
PLZ
10117
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.03.2023 - 17.03.2023
Deadline
30.05.2022
Von
Claudia Christiane Gatzka, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Der Ort des Kommunismus in den westeuropäischen Demokratien seit 1945. 5. Hermann-Weber-Konferenz zur Historischen Kommunismusforschung

Die Konferenz erkundet westeuropäische Kommunismen seit 1945 in ihren Wechselwirkungen mit liberal-demokratisch verfassten Ordnungen. Was machte die Demokratie mit dem Kommunismus und was machte der Kommunismus mit der Demokratie? Wir erbitten Beiträge zu kommunistischem Handeln in seiner ganzen Bandbreite und im Bereich der demokratischen Partizipation, der Beziehungen zu Staat, politischen Institutionen, kapitalistischer Wirtschaft, Wissenschaft, Populärkultur und Öffentlichkeit.

Impacts of Communism in Western European Democracies since 1945

The conference explores Western European communisms since 1945 in their interactions with liberal-democratic orders: What did democracy do to communism and what did communism do to democracy? We invite contributions on communist activities in their full range and in the thematic fields of democratic participation, relations with the state, political institutions, capitalist economy, scholarship, popular culture, and the public sphere.

Der Ort des Kommunismus in den westeuropäischen Demokratien seit 1945

Kommunismus in Westeuropa ist oft als Verkörperung des Systemgegners im Kalten Krieg oder mit dem Fokus auf ultralinke Kleingruppen nach 1968 historisiert worden. Über 30 Jahre nach dem Ende des Staatssozialismus und dem Verschwinden vieler kommunistischer Organisationen ist so jedoch noch kein Bild davon entstanden, welche Bedeutung und welche Funktionen der kommunistischen Bewegung (Akteur:innen, Praktiken, Agenden) in der liberalen Demokratie zukamen. Die Tagung strebt an, den Ort des Kommunismus in der westeuropäischen Demokratie zu bestimmen und bringt so die Kommunismusforschung mit der neueren Demokratiegeschichte, als eine Problemgeschichte politischer Legitimität, in einen Dialog. Sie untersucht, welche Wechselwirkungen sich zwischen Kommunist:innen und den politischen Agenden und Praktiken demokratischer und zugleich antikommunistischer Gesellschaften ergaben, und wie sich dabei doppelte Loyalitäten zur Partei und zu kommunistischen Regimen auf der einen, zum nationalen oder lokalen Gemeinwesen auf der anderen Seite auswirkten.

Im Anschluss an den Widerstand im Zweiten Weltkrieg spielten westeuropäische Kommunist:innen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau. In den Protestbewegungen um 1968 traten sie als Herausforderer, aber auch als Verteidiger der liberalen Ordnung auf. In Spanien und Portugal wirkten sie beim Übergang von der Diktatur zur Demokratie mit. In Frankreich und Italien waren Millionen von Menschen in kommunistischen Organisationen aktiv, die das politische Leben bis in die 1980er Jahre hinein prägten. In anderen Ländern waren die KP’en marginal, aber ihre Mitglieder konnten dennoch Wirkungsmacht entfalten – etwa als Intellektuelle wie Eric Hobsbawm und Elfriede Jelinek in Großbritannien und Österreich. Zeitweise verboten und aus dem öffentlichen Dienst verbannt war organisierter Kommunismus nur in Spanien, Portugal, Griechenland und der Bundesrepublik. Die Tagung soll diese mannigfaltige, in ihrer historischen Bedeutung noch unzureichend reflektierte Präsenz des Kommunismus in Westeuropa einfangen, ohne in der parteien- oder intellektuellengeschichtlichen Binnensicht zu verharren. Die Leitfrage lautet: Was machte die Demokratie mit dem Kommunismus und was machte der Kommunismus mit der Demokratie?

Von Interesse sind die Wechselwirkungen zwischen den Kommunismen auf der einen, Parlamentarismus und demokratischen Verfahren, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, kommerzialisierter Massenkultur, christlich fundierter Werteordnung, pluralistischer Öffentlichkeit und Medien sowie liberaler Wissenschaftskultur auf der anderen Seite. Wie und worin manifestierte sich kommunistisches Handeln in der Demokratie – vom Marxismus-Leninismus bis hin zum Maoismus und Eurokommunismus – und wie wirkte es auf demokratische Institutionen und Öffentlichkeiten ein? Wie wirkten, umgekehrt, liberal-, sozial-, christlich- und radikaldemokratische Settings sowie der soziale und kulturelle Wandel der westeuropäischen Gesellschaften seit 1945 auf die Kommunist:innen zurück? Der Schwerpunkt liegt auf den frühen Nachkriegsjahren und dem Ost-West-Konflikt, ohne jedoch die Geschichte des westeuropäischen Kommunismus nach 1989/90 auszuklammern: Was änderte sich an den beschriebenen Konstellationen mit dem Ende der Systemkonkurrenz?

Beitragsvorschläge sollten einen dieser Aspekte aufgreifen:
- kommunistische Partizipationsformen in der liberalen Demokratie
- Kommunist:innen in demokratischen Organisationen und staatlichen Institutionen
- das Problem der doppelten Loyalität und der demokratischen (Un-)Glaubwürdigkeit
- (ex-)kommunistische Deutungseliten in Wissenschaft und Populärkultur
- Kommunist:innen in gewerkschaftlichen, migrantischen und feministischen Kontexten
- die Resonanz des westlichen Kommunismus in antikommunistischen Öffentlichkeiten
- die (Grenzen der) Handlungs- und Wirkungsmacht des Kommunismus in Westeuropa

Die Konferenz wird von der Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziert. Sie hat zum Ziel, die Historisierung des Kommunismus zu fördern und das Andenken an den Mannheimer Historiker Hermann Weber (1928-2014) zu wahren. In Kooperation mit dem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten und von Claudia Gatzka geleiteten Forschungsprojekt „Verborgene Stimmen der Demokratie. Politische Repräsentationen des ‚Volkes’ in der Bundesrepublik, 1945-2000“ gibt die 5. Hermann-Weber-Konferenz Gelegenheit, das demokratische Westeuropa als Ort der Kommunismusgeschichte zu denken. Beiträge von Kolleg:innen, die sich bislang nicht primär als Kommunismushistoriker:innen verstanden haben, sind deshalb besonders willkommen.
Sofern die pandemischen Bedingungen es zulassen, wird die Konferenz am 16./17. März 2023 in den Räumen der Bundesstiftung Aufarbeitung in Berlin stattfinden. Am Abend des 15. März ist ein öffentliches Podiumsgespräch geplant. Primäre Konferenzsprache ist Deutsch, doch englischsprachige Beiträge sind selbstverständlich möglich. Eine Simultanübersetzung vom Deutschen ins Englische wird auch Beiträger:innen ohne passive Deutschkenntnisse die Teilnahme ermöglichen. Die Länge der Beiträge soll 15 Minuten nicht überschreiten; die Papiere werden den Teilnehmenden vier Wochen vor der Konferenz zur Verfügung gestellt. Eine Auswahl wird, zusammen mit zusätzlich eingeworbenen Beiträgen, im „Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2025“ auf Deutsch publiziert (Übersetzungsmittel stehen zur Verfügung). Unbedingt vorausgesetzt wird die Bereitschaft zur pünktlichen Ablieferung der Aufsatzmanuskripte für das Jahrbuch zum 1. August 2023. Die Beiträge werden lektoriert.

Wir freuen uns über elektronische Beitragsvorschläge in Form von Abstracts von max. 250 Wörtern und einer Kurzvita mit Angaben zu den Forschungsschwerpunkten bis zum 30. Mai 2022 an claudia.gatzka@geschichte.uni-freiburg.de und rigoll@zzf-potsdam.de. Eine Benachrichtigung über die Auswahl erfolgt Ende Juni 2022.

Impacts of Communism in Western European Democracies since 1945

Communism in Western Europe has often been historicized either as the embodiment of the Eastern bloc during the Cold War or with a focus on small ultra-leftist groups after 1968. More than 30 years after the end of state socialism and the disappearance of many communist organizations, however, no clear picture has emerged of the significance and functions of the communist movement (actors, practices, agendas) in liberal democracies. The conference aims at determining the agency and legacy of communism in Western European democracies and thus brings communism research into dialogue with the history of democracy. It examines the interactions between communists and the political agendas and practices of democratic – and anti-communist – societies, and it explores how dual loyalties to the party and communist regimes on the one hand, and to the national or local polity on the other, played out.

Following the resistance in World War II, Western European communists played an important role in the era of reconstruction. In the protest movements around 1968, they appeared as challengers, but also as defenders of the liberal order. In Spain and Portugal, they took part in the transition from dictatorship to democracy. In France and Italy, millions of communists shaped politics and society well into the 1980s. In other countries, communist organizations were marginal, but their members were still able to have an impact – for example, as intellectuals like Eric Hobsbawm and Elfriede Jelinek. Organized communism was temporarily banned and barred from public service only in Spain, Portugal, Greece, and the Federal Republic of Germany. The conference aims to capture this manifold presence of communism in Western Europe, which is still insufficiently reflected in its historical significance. The guiding question is: What did democracy do to communism and what did communism do to democracy?

Of interest are the interactions between communisms on the one hand, parliamentarism and democratic procedures, the rule of law, capitalist economy, commercialized mass culture, Christian-based value systems, pluralistic public spheres and media, and liberal scientific culture on the other. How did communists – from Marxist-Leninists to Maoists and Eurocommunists – manifest themselves in democracy and how did they affect democratic institutions and public spheres? Conversely, how did liberal-, social-, Christian-, and radical-democratic settings, as well as social and cultural change in Western European societies since 1945, affect communists? The focus is on the early postwar years and the Cold War, but without excluding the history of Western European communism after the wall: What changed in the described constellations after 1989/90?

Proposals for contributions should take up one of these aspects:
- Communist forms of participation in liberal democracy
- Communists in democratic organizations and state institutions
- the problem of dual loyalty and democratic trustworthiness
- (ex-)communist interpretive elites in academia and popular culture
- Communists in labour, migratory and feminist contexts
- the resonance of Western communism in anti-communist publics
- (the limits of) communism's agency and impact in Western Europe

The conference is funded by the Gerda-und-Hermann-Weber-Foundation in the Federal Foundation for the Study of the Communist Dictatorship in Eastern Germany. Its aim is to promote the historicization of communism and to preserve the memory of the historian Hermann Weber (1928-2014). In cooperation with the research project funded by the Gerda Henkel Foundation and led by Claudia Gatzka, "Hidden Voices of Democracy. Political Representations of the 'People' in the Federal Republic, 1945-2000," the 5th Hermann Weber Conference provides an opportunity to think about democratic Western Europe as a site of the history of communism. Proposals for contributions from colleagues who have not primarily seen themselves as historians of communism are therefore particularly welcome.
If pandemic conditions permit, the conference will take place on March 16-17, 2023, at the premises of the Federal Foundation for the Study of the Communist Dictatorship in Eastern Germany in Berlin. A public panel discussion is planned for the evening of March 15. The primary conference language is German, but English-language contributions are, of course, possible. Simultaneous translation from German into English will also be available to contributors without a passive knowledge of German. Papers should not exceed 15 minutes in length; papers will be made available to participants four weeks before the conference. A selection of papers, together with additional contributions, will be published in German in the "Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2025" (funding for translations will be available). The final date for the submission of manuscripts for the Yearbook is August 1, 2023. The contributions will be edited and proofread.

We welcome proposals for contributions in the form of abstracts of no more than 250 words alongside a short CV indicating research interests to claudia.gatzka@geschichte.uni-freiburg.de and rigoll@zzf-potsdam.de by May 30, 2022. Notification of selection will be made by the end of June 2022.

Kontakt

Dr. Claudia C. Gatzka
Forschungsprojekt "Verborgene Stimmen der Demokratie. Repräsentationen des 'Volkes' in der Bundesrepublik, 1945-2000", gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Historisches Seminar
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas
79098 Freiburg im Breisgau
E-Mail: claudia.gatzka@geschichte.uni-freiburg.de

Dr. Dominik Rigoll
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam
E-Mail: rigoll@zzf-potsdam.de

http://romanisches-westeuropa.geschichte.uni-freiburg.de/personal/personen-gatzka/claugatz