Freiheit – Gerechtigkeit – Gewalt. Spätmittelalterliche Protestbewegungen und der „Bauernkrieg“ von 1525 im Vergleich

Freiheit – Gerechtigkeit – Gewalt. Spätmittelalterliche Protestbewegungen und der „Bauernkrieg“ von 1525 im Vergleich

Veranstalter
PD Dr. Christoph Mauntel, Prof. Dr. Gerrit Jasper Schenk, Thomas Roth, M.A.
Veranstaltungsort
Tagungszentrum des UNESCO-Weltkulturerbes Kloster Lorsch
PLZ
64653
Ort
Lorsch
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
26.10.2023 - 28.10.2023
Deadline
31.03.2023
Von
Christoph Mauntel, FB Geschichtswissenschaft, Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Eberhard Karls Universität Tübingen

Die internationale Tagung wird vom 26. bis 28. Oktober 2023 im Tagungszentrum des UNESCO-Weltkulturerbes Kloster Lorsch stattfinden. Sie untersucht den "Bauernkrieg" von 1525 unter verschiedenen Perspektiven vergleichend mit spätmittelalterlichen Protestbewegungen, um neue Perspektiven auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszustellen.

Freiheit – Gerechtigkeit – Gewalt. Spätmittelalterliche Protestbewegungen und der „Bauernkrieg“ von 1525 im Vergleich

Die spätmittelalterliche Geschichte West- und Mitteleuropas ist von zahlreichen städtischen und ländlichen Aufständen geprägt. Während im 14. Jahrhundert je Generation (25 Jahre) ein Aufstand im Reich zu zählen sei, so Peter Blickle, ereigneten sich zwischen 1500 und 1525 allein bereits 18 Aufstände, die im sogenannten „Bauernkrieg“ von 1525 kulminierten. Neben vielen kleineren Revolten gelten für Frankreich die Jacquerie von 1358 und für England die Peasants‘ Revolt von 1381 als Marksteine. Vor dem Hintergrund dieser Unruhewellen stellen sich Fragen nach parallelen oder divergierenden Entwicklungen, nach Verlaufstypen hinsichtlich der Einzigartigkeit einzelner Aufstände ebenso wie nach möglicherweise ähnlichen Ursachen, Strukturen und Abläufen. Erst durch einen vergleichenden Blick werden die Charakteristik und Spezifik der Aufstandswelle von 1525 erkennbar, die sich 2025 zum fünfhundertsten Mal jährt.

Die deutschsprachige Forschung zum „Bauernkrieg“ von 1525 war lange durch das Werk des bekennenden Nationalsozialisten Günther Franz (1902–1992) geprägt und fokussierte vor allem politik-, sozial- und partiell auch rechtsgeschichtliche Fragen, interessierte sich für Verbindungen zu den reformatorischen Bewegungen und stellte einzelne Akteure in den Vordergrund. Insgesamt wurde als Resultat des „Bauernkriegs“ 1525 ein weitgehendes Scheitern besonders der bäuerlichen Anliegen konstatiert. Durch die Werke des Franz-Schülers Peter Blickle (1938–2017), der den Fokus auf Unruhen auch jenseits bäuerlicher Bewegungen ausweitete, sowie durch weiterführende Studien z.B. zur Aufstandsbewegung des Armen Konrads (1514), zur rechtlichen Dimension der „Zwölf Artikel“, zur bäuerlichen Konfliktführung bis hin zur Rezeptionsgeschichte und Memorialkultur gilt das Thema insgesamt als gut erforscht.

Die explorativen Studien der jüngeren und jüngsten Forschung weisen allerdings auf vier Forschungsfelder hin, die neue Perspektiven auf den „Bauernkrieg“ 1525 eröffnen können.

(1) Erstens betrifft dies die Analyse von Faktoren, die materielle Gründe für die Aufstände darstellen, so etwa Ressourcenkonflikte, die in den Quellen auch als Nutzungskonflikte (etwa von Allmenden) oder Streit um Rechte erkennbar werden. Auch längerfristige spezifische Wirtschafts- und Umweltkrisen oder soziopolitische Transformationen als Voraussetzungen für zeitgenössische Konflikte können hier eine Rolle spielen.
(2) Darüber hinaus lassen sich Aufstände als kollektive Bewegungen analysieren, etwa mit Blick auf einzelne Akteursgruppen (sozialer Hintergrund, Alter, Geschlecht etc.) und Unterstützernetzwerke, auf die interne Organisation und Entscheidungsfindung der Gruppen sowie ihre Kommunikation nach innen (Vernetzung, Sympathisanten) und außen (Selbstdarstellung, Diskurs mit der Obrigkeit). Auch spezifische Protestformen sind hier von Interesse, die zwischen formalen Petitionen und gerichtlicher Konfliktführung, symbolischen Widerstandsformen und offener Gewalt changieren können. Mit dem Blick auf die Formen der Konfliktführung geht wiederum die Frage nach Mechanismen der Konfliktbeilegung einher.
(3) Eng damit verbunden ist die Frage nach Intentionen, Motiven und Zielen der Protestgruppen, die sich sowohl konkret im Lebensumfeld der Beteiligten verorten als auch übergreifend als Forderungen nach politischer Partizipation deuten lassen. Welche Vorstellungen einer idealen/erwünschten politischen Ordnung stehen dahinter, welche Konzeptionen von Beteiligung und Protest werden diskutiert? Entsprechen diese Ideen dem obrigkeitlichen Diskurs von Herrschaft oder setzen sie ihm andere Konzeptionen und Praktiken entgegen?
(4) Ein weiteres prospektives Forschungsfeld wird durch die Frage nach den Ergebnissen und Folgen von Aufständen auf kurze, mittlere und lange Sicht eröffnet, die sich jenseits einer pauschalen Wertung als „Erfolg“ oder „Scheitern“ bewegt. Welche konkreten Teilerfolge und strukturellen Transformationen lassen sich beobachten, welche Anliegen der Aufständischen wurden berücksichtigt, welche Gründe gab es für ihren teilweisen Erfolg oder Misserfolg?

Diese und ähnliche Fragenkomplexe sollen auf der Tagung einerseits mit Blick auf den "Bauerkrieg“ von 1525 erörtert werden, sowie andererseits in breiterer komparatistischer Perspektive angegangen werden, die sich auf zwei Ebenen erstreckt: Erstens zeitlich, indem auch Protestbewegungen des 14. und 15. Jahrhunderts in den Blick genommen werden; zweitens räumlich, indem der Fokus über das „Reich“ auf West- und Mitteleuropa geweitet wird (etwa England, Frankreich, Polen, Ungarn). Hier steht die zentrale Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Raum, die eine Entwicklungsdynamik der Konfliktkonstellation im Sinne der oben skizzierten Forschungsfelder im Vergleich zu den Aufständen im Reich aufzeigen kann.

Die internationale Tagung wird vom 26.–28. Oktober 2023 im Tagungszentrum des UNESCO-Weltkulturerbes Kloster Lorsch stattfinden. Wir freuen uns über Abstracts (ca. 300 Wörter) für ca. 25-minütige Vorträge zu den skizzierten Themen; gern dürfen Qualifikationsarbeiten (Promotion, Habilitation) vorgestellt werden.

Bitte senden Sie Ihre Abstracts bis zum 31. März 2023 an christoph.mauntel@uni-tuebingen.de.

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Fahrt- und Übernachtungskosten können übernommen werden. Es ist geplant, die Vorträge recht bald nach der Konferenz zum Gedenkjahr des „Bauernkriegs“ 2025 qualitätsgesichert zu publizieren – die Abgabe der Manuskripte ist für März 2024 angedacht.

Kontakt

E-Mail: christoph.mauntel@uni-tuebingen.de