Krieg ausstellen. Museale Repräsentation von Gewalt in der didaktischen Reflexion

Krieg ausstellen. Museale Repräsentation von Gewalt in der didaktischen Reflexion

Veranstalter
Prof. Dr. Christine Gundermann, Universität zu Köln; Assoz.-Prof. Dr. Andrea Brait, Universität Innsbruck; Major Cindy Düring, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden; Jakob Arlt, Wiss. Mitarbeiter GD Universität Potsdam
PLZ
01099
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
26.02.2024 - 28.02.2024
Deadline
15.09.2023
Von
Christine Gundermann, Historisches Institut, Universität zu Köln

Der Arbeitskreis Museen und Gedenkstätten der Konferenz für Geschichtsdidaktik lädt daher zu einer Konferenz in das Militärhistorische Museum der Bundeswehr Dresden ein, die dem Diskurs zwischen universitär Forschenden, Kuratierenden sowie Pädagog:innen und Geschichtsdidaktiker:innen dienen soll und Herausforderungen bei der Ausstellung von Krieg und Gewalt thematisiert.

Krieg ausstellen. Museale Repräsentation von Gewalt in der didaktischen Reflexion

Das Ausstellen von Krieg hat in westeuropäischen Museen eine lange Tradition. Waren es anfangs eher Waffen, Uniformen und Kriegsbeute, die ihren Weg ins Museum fanden, verbunden mit einer durchaus verherrlichenden Sicht auf den Krieg, änderten sich im Laufe des 20. Jahrhunderts die Sammlungsgegenstände und es rückten auch immer mehr die Menschen in den Fokus der Darstellung. Heute gehen Ausstellungen von Krieg und Gewalt in Demokratien eher mit spezifischen Erwartungen einher, die Anliegen der Friedenspädagogik aufgreifen, trotzdem bewegen sich diese Ausstellungen immer in einem Spannungsfeld: Wie kann man dieses Geschehen und seine Auswirkungen im Museum angemessen zeigen?

Diese Frage ist seit langem ein Thema für die historische Forschung und Geschichtsdidaktik, die sich mit den Chancen und Schwierigkeiten der musealen Vermittlung von Gewalt beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um die Auswahl und Präsentation von Objekten, sondern auch um die Einordnung und Deutung des Geschehens in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext. Das Museum ist kein neutraler Ort, sondern ein Ort des Diskurses, der von verschiedenen Interessen und Perspektiven geprägt ist. Die museale Repräsentation von Krieg und Gewalt ist daher immer auch eine politische und ethische Herausforderung, die eine kritische Reflexion erfordert. Wie kann man der Opfer gedenken, ohne sie zu verklären oder zu bemitleiden? Wie kann man die Täter nennen, ohne sie zu verteufeln oder ihre Taten zu rechtfertigen? Wie kann man die Komplexität und Ambivalenz des Krieges vermitteln, ohne ihn zu bagatellisieren oder zu verherrlichen? Wie kann man die Besucher:innen zum Nachdenken anregen, ohne sie zu überfordern oder zu beeinflussen? Entlang welcher Diskurslinien entwickelt sich also unser Verständnis von Angemessenheit? Diese Fragen erfordern eine geschichtswissenschaftliche, ethische und didaktische Reflexion, die sich an den Zielen, Methoden und Wirkungen der Ausstellung orientiert.

Der Arbeitskreis Museen und Gedenkstätten der Konferenz für Geschichtsdidaktik lädt daher zu einer Konferenz in das Militärhistorische Museum der Bundeswehr Dresden ein, die dem Diskurs zwischen universitär Forschenden, Kuratierenden sowie Pädagog:innen und Geschichtsdidaktiker:innen dienen soll. Damit dieser Austausch möglichst fruchtbar für alle Teilnehmenden ist, werden neben klassischen Vortragspanels auch Workshop-Formate angeboten.

Für unsere Konferenz suchen wir Beiträge, die sich mit folgenden Themen auseinandersetzen:
1. Historisierung: In der europäischen geschichtskulturellen Landschaft lassen sich bedingt durch die Entwicklung von Museen einerseits und Gedenkstätten andererseits spezifische Ausstellungstropen erkennen. Krieg als Faszination für Militaria, als Raum militärischer Gewalt und Eroberung, Genozid oder Zwangsarbeit sind lange an verschiedenen Ausstellungsorten thematisiert worden. Aber auch aus Kriegspropaganda selbst entstandene Interpretationsrahmen wie die Unterscheidung von Front und Heimatfront prägten durchaus Ausstellungen von Krieg und Gewalt. Wie haben sich diese in den letzten 30 Jahren im Verhältnis zueinander entwickelt? Welche deutlichen Veränderungen lassen sich feststellen und wie erklären?
2. Perspektiven: Wie haben sich Themenbezüge in den letzten 30 Jahren verändert? Entwickeln sich diese von nationalen zu transnationalen und schließlich zu globalen Rahmen? Sind Ausstellungen zu Krieg und Gewalt in den letzten Jahren diverser geworden? Beziehen sie deutlicher jenseits populärer Geschichtsbilder Erfahrungen von Frauen, Männern und Kindern – vielleicht sogar von LGBTQ∗-Personen – ein und wie gehen sie auf multiperspektivische Anforderungen ein, die auf unterschiedlichsten Ebenen diversere historische Darstellungen verlangen?
3. Szenographie: Während im deutschen Ausstellungsraum lange Zeit konkrete Inszenierungen etwa von Schützengräben oder Häuserschlachten als unangebracht galten, zeigt der Blick ins europäische Ausland eine deutliche Zunahme von Szenographien. Welchen Einfluss hat das auf die Entscheidungen von Kurator:innen in Deutschland in jüngsten Ausstellungen? Mit welchen Zielen und Mitteln wird was inszeniert? Und wie arbeiten Vermittler:innen vor Ort mit den Besuchenden in diesen Ausstellungsteilen? Wie thematisieren und problematisieren die Häuser die Faszination für Militaria von Besuchenden?
4. „Dabei sein“ mit AR-/VR-Technologien: Neue digitale Ausstellungs- und Vermittlungstechniken verändern auch die Vermittlungsarbeit in Museen, die Krieg und Gewalt thematisieren. Welche Zugänge und welche Erfahrungen konnten hier bereits gesammelt werden? Wie werden die Technologien aktuell eingesetzt oder sollen eingesetzt werden?
5. Dark Heritage – sensible Heritage: Welche Strategien haben Museen im Umgang mit ihren Sammlungen (Pflege, Erweiterung, Provenienzforschung, Restitution etc.) entwickelt und welchen Herausforderungen müssen sie sich dabei stellen?
6. Zwischen Betroffenheit und Selfie: Besuchende reagieren ganz unterschiedlich auf Ausstellungen von Gewalt und Krieg und eignen sich Geschichte an. Tränen der Überwältigung, aber auch das Selfie, etwa vor einer Flagge können als unterschiedliche Wege, sich diese Geschichte anzueignen, gelesen werden. Welche Erkenntnisse kann hier die Besuchendenforschung bereitstellen? Wie agieren und reagieren hier Vermittler:innen vor Ort?
7. Ethische Fragen: Das Ausstellen und Vermitteln von Kriegs- und Gewaltgeschichte fordert immer wieder die Überprüfung von ethischen Standards, die sowohl den Schutz der Opfer, die Verweigerung einer Täterästhetik als auch ein Überwältigungsverbot der Besuchenden beinhaltet, aber ebenso den Umgang mit fragwürdigen Aneignungsstrategien. Wie gehen Museen und Ausstellungen mit diesen ethischen Fragen um, welche Herausforderungen sehen sie?
8. Zielgruppen: Viele Kriegs- und Militärmuseen haben den spezifischen Auftrag, einen Beitrag zur Ausbildung von Polizei- und Militärangehörigen zu leisten. Wie werden diese Publika speziell angesprochen? Wie reagieren diese Personen auf einen Besuch?
9. Museum als außerschulischer Lernort: Wie andere Museumstypen werden auch Kriegs- und Militärmuseen von Schulklassen aufgesucht. Welche Ziele verfolgt die Museumspädagogik bzw. Kulturvermittlung in Kriegs- und Militärmuseen? Inwiefern entsprechen diese den schulischen Curricula? Wie agieren und reagieren Schulklassen auf den Besuch einer Ausstellung zum Thema Krieg und Gewalt? Inwiefern werden diese Museumsbesuche im Unterricht vor- und nachbereitet?

Vorschläge für Beiträge in einem geplanten zeitlichen Umfang von ca. 20 Minuten mit Titel und einem knappen CV werden in Form von kurzen Exposés von ca. 500 Wörtern bis zum 15. September 2023 unter christine.gundermann@uni-koeln.de erbeten. Gemeinsame Präsentationen von universitär Forschenden und Praktiker:innen begrüßen wir.
Die Entscheidung über die Annahme wird bis zum 15. Oktober 2023 bekanntgegeben.
Nach Maßgabe eingereichter Förderungen können Reise- und Übernachtungskosten von Vortragenden voraussichtlich (teilweise) übernommen werden.

Kontakt

Prof. Dr. Christine Gundermann, Universität zu Köln
christine.gundermann@uni-koeln.de

Redaktion
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Deutsch
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