Wohnen mit Klasse

Wohnen mit Klasse

Veranstalter
Amelie Ochs und Rosanna Umbach
PLZ
28359
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
19.02.2024 - 31.03.2024
Deadline
31.03.2024
Von
Amelie Ochs, Institut für Kunstwissenschaft - Filmwissenschaft - Kunstpädagogik / Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender, Universität Bremen

Wohnen mit Klasse

kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, 2/2025, Gastheft herausgegeben von Amelie Ochs und Rosanna Umbach, Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender (Forschungsfeld wohnen+/-ausstellen), Institut für Kunstwissenschaft – Filmwissenschaft – Kunstpädagogik, Universität Bremen

Dwelling with Class

kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, 2/2025, Gastheft herausgegeben von Amelie Ochs und Rosanna Umbach, Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender (Forschungsfeld wohnen+/-ausstellen), Institut für Kunstwissenschaft – Filmwissenschaft – Kunstpädagogik, Universität Bremen

Wohnen mit Klasse

Wohnen und Klasse hängen zusammen und bedingen sich – spätestens seit der Diskursivierung des Wohnens in der Moderne – wechselseitig. Die Unterscheidung von ‚gutem‘ und ‚schlechtem‘, ‚richtigem‘ und ‚falschen‘ Wohnen ist Teil einer (modernen) Ästhetiktradition, die sowohl mit moralischen Prinzipien als auch mit einer erheblichen (Vor-)Bildproduktion in Kunst und Architektur verschränkt ist – und damit Klassengrenzen markiert. Milieutheorien und Wohnratgeber amalgamieren spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts Wohnung und Bewohner:innen: Architektonische Strukturen, die darin (an)geordneten Wohndinge, ‚Einrichtungsgeschmack‘ und ‚Lifestyle‘ würden demnach direkte Rückschlüsse auf deren ‚Charakter‘ erlauben. Aus einer klassenbewussten Perspektive lässt sich kritisch fragen, inwiefern hier ökonomische und gesellschaftliche Strukturen un/sichtbar gemacht und Klassenverhältnisse in Bildern des Wohnens, Grundrissen, (Innen-)Architektur und Stadtplanung determiniert werden. Der Imperativ eines vermeintlich ,richtigen‘ Wohnens und Wohnhandelns sowie idealisierte Bilder davon begegnen uns in Kunst und Architektur genauso wie in (Wohn-)Zeitschriften, TV-Serien und auf Instagram. Hier werden Vorstellungen von Klassenverhältnissen im Wohnen verstetigt, die integral daran beteiligt sind, klassistische Ressentiments hinsichtlich Einrichtung, Geschmack und Konsum zu visualisieren und damit zu re/produzieren. Nach wie vor prägt das (Vor-)Bild des bürgerlichen Wohnens als unmarkierte Norm gängige Vorstellungen ,richtigen‘ Wohnens, die zumeist als heteronormativ, kleinfamiliär und weiß ausgewiesen und von Wertvorstellungen der Geschlechter- und Funktionstrennung, von Privatheit und Platz, Kleinfamilie und Komfort, ,geschmackvoller‘ Einrichtung und Eigentum durchdrungen sind. Das prekäre oder gar unbehauste Wohnen bleibt zumeist unerwähnt und wird damals wie heute als individualisiertes Verschulden oder als Scheitern am ‚richtigen‘ Wohnen abgetan.

Anknüpfend an die im deutschsprachigen Raum recht junge Klassismusforschung möchte das Themenheft der kritischen berichte verschiedene Perspektiven versammeln, die Wohnen kritisch entlang von Klassenverhältnissen befragen. Klassismus als Begriff einer Diskriminierungsform eröffnete dabei die Perspektive auf Aberkennungsprozesse, die auf kultureller, institutioneller, politischer und individueller Ebene passieren: Wohnungsanzeigen, die Sozialhilfeempfänger:innen, migrantisierte und rassifizierte Menschen im Vorhinein ausladen, spezifische Stadtplanung und Prozesse der Gentrifizierung sind Ausdruck klassistischer Verhältnisse, ebenso wie Architekturtheorien sowie künstlerische und mediale Darstellungen, die diskriminierende Stereotype aufrufen, produzieren und naturalisieren. Daher macht Klassismuskritik auch auf Strukturen aufmerksam, die zum Erhalt von Klassenverhältnissen beitragen. So wird die von Friedrich Engels thematisierte Wohnungsfrage heute (er)neu(t) gestellt: Die Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen! steht weit über Berlin hinaus für eine aktionistische Intervention in den privatisierten Wohnungsmarkt und stellt einerseits Fragen nach der Kapitalisierbarkeit des Menschenrechts auf Wohnen und reartikuliert andererseits die Forderung von Vergesellschaftung und danach, das Soziale im Wohnungsbau wieder großzuschreiben.

Auch die disziplinäre Ordnung in Architektur- und Kunstgeschichte stellt Klassenverhältnisse dar und zugleich her. Gattungs- und Raumhierarchien, Typologien und Epochengrenzen, Medium, Stil und Autor:innenschaft definieren die Gegenstandsbereiche und bilden damit eine Basis der Kanonbildung von Wohn(vor)bildern: Zum Beispiel werden im Fokus auf barocke Palastanlagen und Villenarchitektur hauptsächlich Repräsentationsräume thematisiert; in der Gattungshierarchie des 19. Jahrhunderts werden alltägliche Wohn- und Interieurdarstellungen auf den unteren Rängen eingeordnet; die Wohnungsfrage wird erst dann zu einem prominenten Problem der Architektur, wenn sie sich mit dem Projekt des Neuen Bauens verknüpfen lässt.

Über Bild-, Architektur- und Diskursanalysen, Re-/Lektüren, historische Beispiele aus der Architektur-, Design- und Kunstgeschichte und (aktuelle) künstlerische wie aktivistische Praxen sollen im Themenheft ästhetische, gesellschaftliche und politische Wechselverhältnisse von Wohnen und Klasse perspektiviert werden. Dabei können folgende Fragen eine Rolle spielen: Wann und wie zeigt Wohnen Klasse (und umgekehrt)? Wie können kanonisierte Bilder vom Wohnen klassismuskritisch dekonstruiert werden? Welche Rolle spielen Kunst, Architektur und (Soziale) Medien bei der Vermittlung von Wohnbildern und Klassenverhältnissen? Wie lassen sich Geschlechterdifferenz, Rassismus und Klassenhierarchie historisch wie aktuell analytisch miteinander verknoten und wie zeigen sie sich in Visualisierungen des Wohnens? Inwiefern werden Klassenverhältnisse und -zugehörigkeiten über Wohndinge, Geschmacksdiskurse, Ästhetikgemeinschaften und Bild-, Design- bzw. Sprachpolitiken produziert und reflektiert? Welche proletarischen, revolutionären oder emanzipatorischen Wohnentwürfe hat es gegeben? Wie wird in der Geschichte und in Theorien zum Wohnen mit den Themen Klasse und/oder Klassismus umgegangen (und umgekehrt)?

Das Themenheft sucht Beiträge aller Art (Texte, künstlerische Positionen und Forschungen, Interviews etc.), die beispielsweise folgende Felder untersuchen und damit zu einer kritischen Auseinandersetzung beitragen:
- klassistische Strukturen im Architektur- und Wohnkontext der Vergangenheit und Gegenwart
- die Un/Sichtbarkeit prekärer Wohnverhältnisse
- das bürgerliche Wohnen als un/markierte Norm
- Klassismus und die Diskursivierung und Kultivierung von Kunst- und Architekturgeschichte zum Wohnen
- hegemoniale Kunst- und Architekturdiskurse und (ihre) Machtverhältnisse
- intersektionale Perspektiven auf das Zusammenwirken von class, race und gender im Wohnen
- queer_feministische (Raum-)Praxen aus anti-klassistischer Perspektive
- Aberkennungsprozesse und -strukturen im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext, in Theorie und Praxis
- Theorien und Utopien des Wohnens (im Kapitalismus und außerhalb)
- (künstlerische, aktivistische, architektonische) Interventionen in klassistische (Stadt- und Wohn-)Strukturen

Alle, die zu (bzw. gegen) Klassismus im Wohnen forschen und arbeiten, sind eingeladen, ein kurzes Abstract mit max. 300 Wörtern auf Deutsch oder Englisch sowie eine Kurzbiografie einzureichen, bitte per E-Mail an: amelie.ochs@uni-bremen.de und rosanna.umbach@uni-bremen.de. Deadline ist der 31. März 2024. Die Beiträge sollen auf einem internen Workshop im Sommer 2024 vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden. Die Ergebnisse des Austauschs können im Anschluss in den eigenen Beitrag einbezogen werden. Die Einreichung der finalen Textfassungen (inkl. druckfähigem Bildmaterial) ist für Oktober 2024 geplant. Das Heft soll im Juni 2025 veröffentlicht werden.

Weiterführende Informationen:
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kb/index
http://mariann-steegmann-institut.de/

Dwelling with Class

Dwelling and class are interrelated and have been mutually dependent since (at least) the formation of a discourse about dwelling in modernity. The distinctions between ‘good’ and ‘bad’ forms of dwelling and ‘right’ and ‘wrong’ ways of living are part of a (modern) aesthetic tradition that is intertwined with both moral principles and a significant production of images in art and architecture. As models these images mark class boundaries. Milieu theories and domestic guides have amalgamated dwellings and residents since the mid-19th century at the earliest: architectural structures, domestic objects (arranged) in them, ‘furnishing taste’ and ‘lifestyle’ would therefore allow direct conclusions to be drawn about the residents’ character. This can be critically questioned from a class-conscious perspective: to what extent are economic and social structures made in/visible here? How are class relations re/produced in images of dwelling, floor plans, interior design, architecture and urban planning? We encounter the imperative of a supposedly ‘correct’ way of living and dwelling in both, idealized images in art and architecture as well as in lifestyle magazines and home journals, TV series and on Instagram. Here, ideas of class relations are perpetuated. Regarding furnishings, taste and consumption, they are integrally involved in visualizing and thus re/producing classist resentments. The models of bourgeois dwelling as an unmarked norm continues to shape the common notion of this ‘proper’ dwelling, which is usually identified as heteronormative, small-family and white. Furthermore, it is permeated by values of gender and functional segregation, privacy and space, the nuclear family and comfort, ‘tasteful’ furnishings and ownership. The precarious, unhoused dwelling remains mostly unmentioned and is dismissed then as now as individualized fault or dashing against the ‘right’ way of living.

Following research into classism, this issue aims to bring together various perspectives that critically examine dwelling in terms of class relations. Conceptualized as a form of discrimination, classism opens up a perspective for a process of de-recognition to unfold on a cultural, institutional, political and individual level: advertisements for apartments that exclude welfare recipients and migrantized or racialized persons in advance, specific urban planning as well as processes of gentrification are expressions of classist conditions; as are architectural theories, artistic and media representations that invoke, produce and naturalize discriminatory stereotypes. Criticism of classism therefore also draws attention to structures that contribute to the preservation of class relations. For example, the housing question addressed by Friedrich Engels is being posed anew: Today, the campaign Deutsche Wohnen & Co enteignen! stands far beyond Berlin for an actionist intervention in the privatized housing market and raises questions about the capitalization of the human right to housing. What is more, it rearticulates the demand for socialization of housing and for a renewed emphasis on social in (social) housing.

The orders of the disciplines of architectural and art history also establish and represent class relations. Hierarchies of genre and space, typologies and epochal boundaries, medium, style and authorship define the subject areas and thus form a basis for the canonization of (pre)images of living: For example, mainly representational spaces are thematized by focusing on Baroque palaces and villa architecture; in the genre hierarchy of the 19th century, everyday living scenes and interior representations are classified in the lower ranks; and the question of housing only becomes a prominent issue in architecture when it can be connected to the project of Neues Bauen.

Through image, architecture and discourse analyses, re-/readings, examples from the history of art, architecture and design as well as (current) artistic and activist practices, this issue of kritische berichte aims to put aesthetic, social and political interrelationships between dwelling and class into perspective. The following questions may play a role here: When and how does dwelling show class (and vice versa)? How can, therefore, canonized images of dwelling be critically deconstructed? What role do art, architecture and (social) media play in conveying images of dwelling and class relations? How can gender differences, racism and class hierarchies be analytically intertwined, both historically and currently? And how do they manifest themselves in visualizations of dwelling? To what extent are class relations and class affiliations produced and reflected via domestic objects, taste discourses, aesthetic communities and image, design and language policies? What proletarian, revolutionary or emancipatory housing designs have existed? How do the history and theories of housing and dwelling deal with the issues of class and/or classism (and vice versa)?

The issue is looking for contributions of all kinds (such as articles, artistic positions and research, interviews etc.) that present and examine for example the following topics and, thus, contribute to a critical debate:
- classicist structures in architecture and dwelling of the past and the present
- the invisibility of precarious housing conditions
- bourgeois housing as an un/marked norm
- classism and the cultivation of art and architectural history on housing and dwelling
- hegemonic art and architecture discourses and (their) power relations
- intersectional perspectives on class, race and gender in dwelling
- queer_feminist (spatial) practices from an anti-classist perspective
- processes and structures of de-recognition in the academic and social context, in theory and practice
- theories and utopias of housing and dwelling (in capitalism and beyond)
- (artistic, activist, architectural) interventions in classist (urban and residential) structures

We invite anyone researching and working on (or against) classism in dwelling to submit a short abstract of no more than 300 words (in German or English) and a short bio to: amelie.ochs@uni-bremen.de and rosanna.umbach@uni-bremen.de. Submission deadline is March 31, 2024. The proposals will be presented and discussed at a workshop in summer 2024. The results of this exchange should be incorporated in the texts afterwards. The submission of the final text versions (including printable images) is planned for October 2024. The publication date is in June 2025.

Further information:
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kb/index
http://mariann-steegmann-institut.de/

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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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