Invisible Enemies: The Cultural Meaning of Infection and the Politics of "Plague"

Invisible Enemies: The Cultural Meaning of Infection and the Politics of "Plague"

Organizer
Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Zürich, Philipp Sarasin, Silvia Berger, Marianne Hänseler, Myriam Spörri
Venue
Universität Zürich
Location
Zürich
Country
Switzerland
From - Until
21.09.2005 - 24.09.2005
Deadline
31.03.2005
By
Philipp Sarasin, Silvia Berger, Marianne Hänseler, Myriam Spörri

Call for Papers
Invisible Enemies: The Cultural Meaning of Infection and the Politics of "Plague"

21. - 24. September 2005, Universität Zürich

Organisation: Philipp Sarasin, Silvia Berger, Marianne Hänseler, Myriam Spörri

Keynote speakers: Sander Gilman, Christoph Gradmann, Ilana Löwy, Ruth Mayer/Britte Weingart, Wolfgang Preiser, Nancy Tomes, Paul Weindling

(English version see below)

Die Infektionskrankheiten sind zurückgekehrt. Zwar schien mit der Markteinführung von Penicillin 1945 die Beherrschbarkeit aller pathogenen Mikroorganismen in Sicht und galten 1979, als die WHO den Sieg über die Pocken verkünden konnte, die großen Seuchen endgültig überwunden und das Gespenst der Ansteckung weitgehend gebannt. Doch nur ein Jahr später kündete sich eine neue, tödliche Infektionskrankheit an – Aids. Seither, so scheint es, kehren ansteckende Krankheiten weltweit zurück: die Tuberkulose als Krankheit der Armut in der Dritten Welt und in den Ghettos der westlichen Metropolen; das HI-Virus entlang der verschlungenen Wege sexueller Kontakte und als Flächenbrand in einigen afrikanischen Staaten; SARS und möglicherweise tödliche neue Grippeviren von Südchina aus zu den Destinationen internationaler Flugrouten. Nichts scheint globaler als alte und neue „Seuchen“.
Die Notwendigkeit, diese gegenwärtige Situation in ihrer Globalität umfassend und kritisch zu verstehen, ist offensichtlich. Doch dafür reicht es nicht, diese allein biochemisch und epidemiologisch zu analysieren. Denn Infektionskrankheiten haben nicht nur ein epidemiologisches, sondern auch ein kulturelles Verlaufsmuster, und sie provozieren Abwehr- und Schutzmassnahmen, die seit alters her militärische, polizeiliche und hygienisch-medizinische Dispositive miteinander verbinden. Infektionskrankheiten folgen politischen und kulturellen Logiken, die man kennen muss, um ihre Geschichte, ihre Wirkungsweisen und die gesellschaftliche Reaktion auf sie zu verstehen. Sie sind verbunden mit unzähligen Phantasmen und Ängsten, und selbst noch ihre medizinische Beschreibung ist von Metaphern strukturiert, die nicht im Labor entstanden sind, sondern in zum Teil schon sehr alten politischen und kulturellen Diskursen wurzeln. So wurde die Tuberkulose im 19. Jh. idealisiert und galt im Bürgertum gar als „chic“, während die Cholera als „asiatische“ oder „orientalische“ Krank-heiten gefürchtet wurde. Die Syphilis wiederum erschien als Zeichen der bedrohlichen Sexu-alität „der“ Frau, und seit dem Ersten Weltkrieg wurde das Fleckfieber als „typische“ Krankheit der osteuropäischen Juden bekämpft – bis zum Genozid an den „Bazillenträgern“. In den letzten zwanzig Jahren entwickelte sich Aids von einer „Schwulenseuche“ über das Muster einer Krankheit sexueller Unmoral zur allenfalls bedauerlichen Drittweltkrankheit, und SARS könnte leicht zu einer „asiatischen Krankheit“ werden. Viele dieser Bilder gründen darin, dass die Bakteriologie seit ihren Anfängen in den 1870er Jahren von pathogenen Mikroorganismen als jenen „unsichtbaren Feinden“ gesprochen hat, die im Körper wie in militärischen „Abwehrschlachten“ um Leben und Tod besiegt werden müssen. Nur zögerlich gewinnen heute nicht nur in der Immunologie, sondern auch in populären Wahrnehmungen Vorstellungen von einem „Gleichgewicht“ oder einer „Koexistenz“ von Mensch und Mikroben Raum.
Die Rede von der Infektion ist konnotiert mit Unkontrollierbarkeit und Unsichtbarkeit von kleinsten, ansteckenden Organismen, mit der Überschreitung von Grenzen durch intimen Kontakt oder nur flüchtige Berührung… Infektion impliziert oft rasend schnelle Vermehrung und Ausbreitung und verweist immer schon auf eine unheimliche, potentiell tödliche Übertra-gung von Krankheiten. Infektionskrankheiten bieten sich deshalb verführerisch schnell als Metaphern an, um gesellschaftliche Prozesse in einer Sprache der Seuche zu deuten. Heute, im Zeitalter weltweit zunehmender Vernetzungs- und Austauschprozesse, wird die Infektion überhaupt zur master-metaphor der Globalisierung, auf deren Potential an unkontrollierten Kontakten, Migrationsbewegungen und Unordnung neue Diskurse der Ordnung reagieren, und vor deren Hintergrund neue Technologien des Überwachungsstaates, der Grenz- und Immigrationskontrolle entstehen. Ihre phantasmatische Zuspitzung erfährt diese globale Situation in der Angst vor Bioterror, wie sie gegenwärtig im Westen umgeht, d.h. in der Angst vor einem Angriff islamistischer Terrornetzwerke und „Schurkenstaaten“ mit Anthrax, Pocken- oder Ebola-Viren, auf den eine neue Stufe von politischer „Seuchenkontrolle“ sich ein-zustellen habe.

Am geplanten dreitägigen internationalen Kongress an der Universität Zürich sollen diese kulturellen Muster der Wahrnehmung von Infektionskrankheiten und ihre metaphorischen spin-offs in politischen Diskursen in Geschichte und Gegenwart diskutiert werden. Der Kongress soll versuchen, Erkenntnisse der Epidemiologie ausgewählter heutiger Infektionskrankheiten mit kulturwissenschaftlichen Analysen ihrer Wahrnehmung und der sozialwissenschaftliche Analyse der politischen Dimension ihrer Bekämpfung zu verbinden; Beiträge der Geschichtswissenschaft sollen diese Diskussion in einen größeren historischen Raum projizieren, um Vergleiche älterer und gegenwärtiger Wahrnehmungsmuster und politischer Praxen der „Seuchenkontrolle“ zu ermöglichen.

Der Kongress wird eine Reihe von Keynote-Referaten (Keynote Speaker vgl. oben) mit interdisziplinären Workshops verbinden. Kongress-Sprachen sind Deutsch und Englisch. Wir laden dazu ein, Abstracts aus verschiedenen Disziplinen – Epidemiologie, Geschichte, Soziologie, Literaturwis-senschaft, Philosohie und Cultural Studies etc. – zu folgenden Themenfeldern einzureichen:

- Pest und Pocken: Infektion und die Politik der Quarantäne im Ancien Régime
- Kultur- und Wissenschaftsgeschichte der Bakteriologie/Immunologie
- Infektionsängste im 19. und 20. Jahrhundert: Frauen, Schwarze, Juden, Immigranten…
- Kampf, Krieg und Migration als bakteriologische und immunologische Basis-Metaphern
- Die „Spanische Grippe“ 1918 und die Rätsel der Virologie
- Architektur und Infektion: Städte, Räume, Quarantänen
- Infektion und Identität: wissenschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und psychoanalyti-sche Aspekte der self/nonself-Relation
- Der „unsichtbare Feind“. Visualisierungstechniken und Metaphern der Sichtbarkeit in der Bakteriologie und Immunologie des 19. und 20. Jahrhunderts
- Infektionsmetaphoriken in den politischen Diskursen des 20. Jahrhunderts: „Parasiten“, „Mikroben“ und die Politik der „ethnischen Säuberung“
- Die Rückkehr der Infektionskrankheiten: epidemiologische, kulturelle und politische Dimen-sionen der Infektion im Zeitalter der Globalisierung
- Aids als Diskursfeld/Aids-Diskurse und Leiden an Aids
- SARS als globalisierte Infektion, SARS als Metapher der Globalisierung? Epidemiologische, kulturelle und politische Aspekte
- Politik und Technologie der epidemiologischen Grenzsicherung/-kontrolle in Europa und in den USA
- Bioterror: Infektion als politisches Verbrechen oder als politisches Phantasma?

Abstracts (max. 200 Worte) sollen bis zum 31. März 2005 auf Deutsch oder Englisch via Email eingereicht werden an Myriam Spörri, Lic. phil., spoerri@fsw.unizh.ch.

_____________

English version:

Call for Papers
Invisible Enemies: The Cultural Meaning of Infection and the Politics of Plague

21. - 24. September 2005, University of Zurich (Switzerland)

Organisation: Philipp Sarasin, Silvia Berger, Marianne Hänseler, Myriam Spörri

Keynote speakers: Sander Gilman, Christoph Gradmann, Ilana Löwy, Ruth Mayer/Britte Weingart, Wolfgang Preiser, Nancy Tomes, Paul Weindling

Infectious diseases are back. With the commercial launch of penicillin in 1945 pathogenic microorganisms seemed finally under control; with the WHO’s victory in 1979 over smallpox, the great epidemics seemed conquered and the threat of infection practically overcome. Yet only a year later, a new deadly infectious disease came to the fore – Aids. Since then, infectious diseases have made a global come-back: tuberculosis, the disease of poverty is prolif-erating in the ‚Third World’ and the ghettos of Western metropolis’; the HI-Virus is spreading along the labyrinthine ways of sexual encounters or like wildfire through some African States; SARS and other possibly deadly new influenza viruses from the South of China travel to new destinations along international air routes. Epidemics, old and new, are eminently global.
In-depth and critical analysis of the current situation in its global context is required, which will have to go beyond the purely biochemical or epidemiological levels. For infectious diseases follow not only epidemiological, but also cultural patterns; they are fought using measures of defense and protection, which have always combined both military and hygi-enic-medical dispositives. In order to understand their history, we need to pay attention to the political and cultural logic of infectious diseases, their mode of action, and social attitudes towards them. They are associated with a myriad of phantasms and fears. Even their medical description is structured by metaphors rooted not in the laboratory but in political and cultural traditions. Tuberculosis was considered by the 19th century bourgeoisie to be „chic“, while cholera was feared as an „asiatic“ or „oriental“ disease. Syphilis on the other hand was taken to be a sign of threatening female sexuality. And after World War I, typhus was fought as a characteristic disease of East European Jews – down to the genocide of these ‘bacillus carriers’ during World War II. In the last twenty years, Aids has been associated first with gays, then with loose sexual morality before it turned into an unfortunate disease plaguing the ‘Third World’ – and SARS might well become an „asiatic disease“.
Many of these representations are rooted in the language of bacteriology, which from its beginnings in the 1870s spoke of pathogenic microorganisms as „invisible enemies“ to be conquered in the body, just as defensive military battles are a matter of life or death for the social organism. Only recently has the idea of an „equilibrium“ or of „co-existence“ between humans and microbes gained ground, not only in immunology but also in popular perceptions.
Discourses about infection feature tiny, invisible, contagious and uncontrollable organ-isms as well as transgressions of boundaries through intimate or fleeting contact. Infection immediately conjures up quick proliferation and dissemination, and the uncanny and potentially deadly transmission of infectious diseases. Infection readily supplies a host of metaphors for describing social processes in the language of epidemics. In our age of increasingly global networking and circulation of people and goods, infection has become the master metaphor. It shapes the emergent political and social discourse of order and its associated technologies of surveillance for controlling borders and immigration; which might be understood as reactions against the potential uncontrolled contacts, migrations and disorder brought by globalization. Such discourses culminate in the – largely Western – fear of bioterror, e.g. the fear of a generalized attack by islamistic terrorists or „rogue states“ using anthrax, smallpox or the Ebola-virus as weapons; and which justifies a heightened level of ‘epidemic control’ on the part of States.

This international conference at the University of Zurich is devoted to the discussion of cultural perceptions of infectious diseases and their metaphorical spin-offs in past and present political discourse. We aim to bring together epidemiological investigations with cultural and social analyses of public discourses on infectious diseases and their political dimensions. Historical contributions will situate contemporary discussions in the wider historical context, and provide points of comparison between older conceptions and phantasms associated with plagues with contemporary representations and political action.

The conference will last three days and will combine keynote talks (for keynote speakers see above) and workshops. The conference languages will be English and German. Papers to be presented in workshops are invited on the following specific and more generally related issues, in order to stimulate a cross-disciplinary discussion:

- Plague and smallpox: Infection and the politics of quarantine in the Ancien Régime
- Cultural history and history of science of bacteriology and immunology
- Fears of infection in the 19th and 20th century: Women, Blacks, Jews, and Immigrants
- War, fight and migration as bacteriological (and immunological) master metaphors
- The “Spanish Influenza” of 1918 and the puzzles of virology
- Architecture and infection
- Infection and identity: scientific, social, cultural and psychoanalytic aspects of the self/non-self-relation
- The invisible enemy: Technologies and metaphors of visualization in bacteriology and immunology
- Metaphors of infection in the political discourse of the 20th century: parasites, mi-crobes and the politics of „ethnic cleansing”
- The return of infectious diseases: epidemiological, cultural and political dimensions of infection in an age of globalization
- Discourses about Aids
- SARS as global infection – SARS as metaphor of globalization?
- Politics and technologies of border control and security in Europe and the U.S.
- Bioterror: Political reality or political phantasma?

Contributions from the fields of epidemiology, history, sociology, literature, philosophy and cultural studies are welcome. Abstracts in English or German (max. 200 words) should be submitted via email to Myriam Spörri, Lic. phil., spoerri@fsw.unizh.ch, until March 31 2005.

Programm

Contact (announcement)

Myriam Spörri

Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Rämistr. 64, CH-8001 Zürich
0041 (0)1 634 36 64
0041 (0)1 634 49 88
spoerri@fsw.unizh.ch

http://www.fsw.unizh.ch
Editors Information
Published on
Contributor
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Additional Informations
Country Event
Language(s) of event
English, German
Language of announcement