Auf der Suche. Trauer, Politik und Erinnerung im Kontext von Kriegen und Regimeverbrechen

Auf der Suche. Trauer, Politik und Erinnerung im Kontext von Kriegen und Regimeverbrechen

Veranstalter
Barbara Laubenthal / Birgit Schwelling, Forschungsgruppe "Geschichte + Gedächtnis", Universität Konstanz
Veranstaltungsort
Universität Konstanz
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.12.2011 - 03.12.2011
Deadline
30.07.2011
Website
Von
Barbara Laubenthal / Birgit Schwelling

Interdisziplinärer Workshop

Die Suche nach Vermissten und Toten ist ein essentieller Bestandteil von gewaltsamen Konflikten und deren Bearbeitung. Unterbrochene Trauerprozesse, das Trauma der Ungewissheit und das Bedürfnis nach einem Abschluss kennzeichnen die individuelle Erfahrung des Verlusts ohne Gewissheit. Die Ungewissheit, die aus dem Warten und der Suche, dem quälenden Hoffen auf Rückkehr auch nach vielen Jahren des Verschwundenseins resultiert, wird von Betroffenen aus ganz unterschiedlichen Kontexten als zermürbend und belastend beschrieben. Während auf dieser Ebene über kulturelle Grenzen hinweg ähnliche Muster zu beobachten sind, unterscheiden sich die Wege der Bearbeitung der Unsicherheit und des Verlusts in den verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Kontexten zum Teil beträchtlich. Dies wird deutlich, wenn über die individuell-psychologischen Aspekte hinaus die gesellschaftlichen und politischen Bewältigungs- und Handlungsformen in den Blick genommen werden. Hier finden sich Formen der politischen Mobilisierung ebenso wie kollektive Trauerrituale, ästhetisch-künstlerische Auseinandersetzungen oder die institutionalisierte Suche nach den sterblichen Überresten vermisster Angehöriger.

Diese Prozesse der Institutionalisierung, Politisierung und gesellschaftlichen Bearbeitung von individueller Trauer stehen im Mittelpunkt des geplanten Workshops. Sein Ziel ist es, in interdisziplinärer Perspektive Zusammenhänge zwischen Trauer, Politik und Erinnerung theoretisch und empirisch auszuleuchten und zu diskutieren. Im Mittelpunkt steht dabei das Konzept der Suche als ein Kristallisationspunkt der Transformation von individueller Trauer in zivilgesellschaftliche Aktivität und politisches, zum Teil auch staatliches Handeln. Dabei fragt der Workshop zentral nach der Rolle und den Funktionen von Erinnerung bei der Institutionalisierung und Politisierung individueller Trauer. Unsere These in diesem Zusammenhang lautet, dass die im Fokus stehenden Formen der kollektiven Bearbeitung von Ungewissheit im Kontext der Suche nach Vermissten stets (implizit oder explizit) Erinnerungen enthalten, konstruieren und transportieren – Erinnerungen sowohl an die Verschwundenen als auch an die Verbrechen und gewalttätigen Konflikte, denen sie zum Opfer fielen. Ziel des Workshops ist es, das Phänomen der Suche in einem interdisziplinären Rahmen und in seinen historischen Dimensionen zu thematisieren und damit im Zusammenhang stehende Prozesse der Institutionalisierung, Politisierung und Erinnerung vergleichend zu analysieren. Dies soll sowohl auf konzeptioneller Ebene, etwa mit Beiträgen zum Schlüsselbegriff der Suche, der Generation oder zum Verhältnis von Trauer und Politik, als auch durch empirische Fallstudien erfolgen. Diese können sich auf europäische und nicht-europäische Regionen beziehen oder transnationale Dynamiken zum Fokus haben.

Die folgenden Themenkomplexe sollen dabei im Zentrum stehen:

(1) Die Politisierung von Suche – Formen und Charakteristika: Im Zentrum des Workshops stehen Bedingungen und Formen der Transformation von individueller Trauer in gesellschaftspolitische Aktivität. Hier sind insbesondere Beiträge von Interesse, die das Engagement von Angehörigen-Organisationen thematisieren und nach den Entstehungsbedingungen und Aktivitäten dieser Organisationen fragen. Beispiele hierfür sind Organisationen der Mütter von Verschwundenen in Lateinamerika (u.a. „Mütter der Plaza de Mayo“), Angehörigen-Organisationen von Massakern (u.a. „Katyner Familien“, die sog. Anfal-Frauen im Irak) sowie seit der Jahrtausendwende entstandene Angehörigen-Organisationen franquistischer Opfer in Spanien, wo die Enkelgeneration aktiv geworden ist.

(2) Die Institutionalisierung von Suche: Neben diesen von Angehörigen-Organisationen ausgehenden zivilgesellschaftlichen Formen der Suche finden sich davon unterscheidbare nationale und internationale Organisationen, die teils von gesellschaftlicher, teils von staatlicher Seite mit der Suche nach und Identifikation von Vermissten beauftragt werden, sowie Institutionen, deren Aktivitäten sich auf Vermisste beziehen oder die von Angehörigen für die Suche genutzt werden. Beispiele hierfür sind der „International Tracing Service Bad Arolsen“, der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.“, die „United Nations Working Group on Enforced and Involuntary Disappearances“ oder die US-amerikanische „Joint POW/MIA Accounting Command“. In diesem Zusammenhang interessieren wir uns für Beiträge, die die Entstehungskontexte dieser und ähnlicher Organisationen thematisieren und/oder nach den Interaktionen von Organisationen und Suchenden fragen. Darüber hinaus sind wir an den sich wandelnden Zielsetzungen und Aufgaben dieser mit der Suche beauftragen Organisationen interessiert. Unsere These in diesem Zusammenhang lautet, dass sich mit wachsendem zeitlichem Abstand zu den Ereignissen die Aufgaben solcher Organisationen von Aktivitäten rund um die Suche hin zu Formen des Erinnerns verschieben.

(3) Suche und Erinnerung: Mit der Suche nach Vermissten sind stets auch Formen des Erinnerns verbunden. Suchorganisationen wie der International Tracing Service generieren Archive, mit denen die Erinnerung an die Vermissten wach gehalten wird und abrufbar bleibt. Angehörigen-Organisationen tragen mit ihren politischen Aktivitäten auch stets Erinnerungen in den öffentlichen Raum, indem sie beispielsweise Fotografien der Vermissten in ihren Protest integrieren. In ästhetisch-künstlerischen Bearbeitungen findet eine spezifische Art der Spurensuche statt. Andere Initiativen graben im wörtlichen Sinn nach der Vergangenheit, indem sie nach Massengräbern und sterblichen Überresten suchen. In jüngster Zeit haben neuere technische Entwicklungen Bedeutung gewonnen, so etwa die Forensik, die inzwischen durch ihre Analysen ermöglicht, sterbliche Überreste auch nach Jahrzehnten konkreten Personen zuzuordnen. Ein thematischer Schwerpunkt des Workshops soll daher auch auf die körperlichen Dimensionen des Suchprozesses und auf damit verbundene, möglicherweise spezifische Formen des Erinnerns gelegt werden.

Der Workshop findet vom 1. bis 3. Dezember 2011 an der Universität Konstanz statt und wird von der Forschungsgruppe „Geschichte + Gedächtnis“ ausgerichtet. Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen. Interessierte werden gebeten, ein einseitiges abstract sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 30.07.2011 per email an folgende Adresse zu schicken:
Birgit.Schwelling@uni-konstanz.de

Kontakt und Organisation:
Dr. habil. Birgit Schwelling, Dr. Barbara Laubenthal & Dr. des. Nina Fischer
Forschungsgruppe „Geschichte + Gedächtnis“
Universität Konstanz
Bischofsvilla
Otto-Adam-Str. 5
78467 Konstanz

Programm

Kontakt

Birgit Schwelling

Forschungsgruppe "Geschichte + Gedächtnis", Bischofsvilla, Universität Konstanz, 78467 Konstanz

Birgit Schwelling@uni-konstanz.de


Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung