(Post-)Kolonialismus zwischen Kamerun und Deutschland. Wissen(-schaft) und Gerechtigkeit

(Post-)Kolonialismus zwischen Kamerun und Deutschland. Wissen(-schaft) und Gerechtigkeit

Veranstalter
Nachwuchsgruppe "Transnationale Genealogien" des Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen", Goethe-Universität Frankfurt/M.; in Kooperation mit dem Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung in Frankfurt/M. (ZIAF); AfricAvenir International e.V.; AGECARH (Association Germano-Camerounaise pour la recherche historique); und DEPO (deutschland postkolonial) e.V.
Veranstaltungsort
Goethe-Universität
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2011 - 20.09.2011
Deadline
01.07.2011
Website
Von
Stefanie Michels

- see English version below -

Seit einigen Jahren wird in Deutschland ein neuer "Boom" in der Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte konstatiert. Dieser zeichnete sich auch durch einen methodisch-theoretischen Dialog zwischen anglo-amerikanischen und deutschen Forschungsansätzen aus. Die Bedeutung der deutschen Kolonialgeschichte für Deutschland, sowohl auf der Ebene der Repräsentation als auch auf der Ebene der Erfindung als Nation, rückte ins Zentrum. Neuere Arbeiten nähern sich der deutschen Kolonialgeschichte aus globalgeschichtlicher Perspektive und versuchen so die Überwindung von Zentrum-Peripherie-Modellen. Verbindungen und Verflechtungen werden betont und die europäischen und außereuropäischen Gebiete in ihrer "shared history" (Cooper/Stoler) als ein gemeinsames analytisches Feld betrachtet. Der Anspruch dieser neuen Ansätze ist die Überwindung eurozentrischer Perspektiven auf Kolonialgeschichte, die Provinzialisierung Europas in dieser Geschichte. Dennoch ist zu konstatieren, dass in diesem sich neu herausbildenden Wissenssystemen Wissenschaftler aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten, z.B. Kamerun, verheerend unterrepräsentiert sind und das, obwohl es dort eine lange und lebendige akademische und nicht-akademische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte gibt. Die in diesen Ländern bestehenden Wissenssysteme zum Thema werden in Deutschland entweder nicht wahrgenommen oder nicht anerkannt. Die kulturelle Hegemonie des globalen Nordens über den globalen Süden wird im Bereich der Universitäten auf eine Weise deutlich, der sich eigentlich postkolonial oder eurozentrisch-kritisch arbeitende Wissenschaftler kaum explizit stellen. Institutionelle Fördersysteme verstärken durch Vergabekriterien und capacity-building-Ziele den Eindruck, der Norden müsse die Universitätssysteme des Südens "entwickeln". Diese Wahrnehmung der akademischen Beschäftigung mit Kolonialgeschichte im Süden als defizitär verhindert eine dialogische und konstruktive Wahrnehmung und Anerkennung. Das im Süden produzierte und zirkulierte Wissen bleibt ausgeschlossen. Das Wissen im Norden bleibt somit perspektivisch und epistemisch defizitär. Kann eine "Kritik an der Geschichte" (Soyinka) als Vorraussetzung für Gerechtigkeit und Versöhnung erreicht werden, ohne die Historiographiegeschichten der ehemals kolonisierten Länder mit einzubeziehen? Und wie kann ein solcher Dialog tatsächlich unter gleichberechtigten Partnern stattfinden und nicht nur "Feigenblattrhetorik" bleiben?

Die Konferenz möchte diese Fragen mit FachwissenschaftlerInnen erörtern, die sich mit der deutschen Kolonialgeschichte in Kamerun beschäftigen. Ziel der Konferenz ist es, einen Prozess zu beginnen, der zunächst für den Fall Kamerun Möglichkeiten erprobt, unterschiedliche Wissenssysteme in Dialog zu bringen, strukturelle Ungleichheiten zu benennen, zu überwinden und Voraussetzungen zu schaffen eine gegenseitige Anerkennung zu erreichen.

Papers könnten sich an folgenden Themen orientieren

- Forschungstraditionen und Perspektiven zur deutsch-kamerunischen Kolonialgeschichte

- Methoden der Kolonialismusforschung (oral history, Zugang zu Archiven, Bilddatenbanken, private Archive, etc.)

- Curriculäre Einbindung von deutsch-kamerunischer Kolonialgeschichte an Schulen und Universitäten

- Gesellschaftliche Relevanz und Rezeption der Kolonialismusforschung, besonder mit Bezug auf Kamerun

Die Konferenz richtet sich an internationale TeilnehmerInnen und ist disziplinär offen. Sowohl NachwuchsforscherInnen wie auch etablierte WissenschaftlerInnen sind zur Beteiligung aufgefordert. Für TeilnehmerInnen aus Kamerun und dem globalen Süden werden in begrenztem Umfang Reisemittel zur Verfügung stehen. Konferenzsprachen sind Englisch (bevorzugt), Deutsch und Französisch. Abstracts in den genannten Sprachen sollten 200 Wörter umfassen und ein kurzer Lebenslauf beigefügt sein. Bitte richten an: stefanie.michels@normativeorders.net

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(Post-)Colonialism between Cameroon and Germany – Knowledge, Science and Justice

In the past few years, Germany has witnessed a renewed interest for its own colonial history. This was also marked by methodological-theoretical dialogue between Anglo-American and German research approaches. The importance for Germany of its own colonial past, both in terms of representation and of its invention as a nation has shifted to the centre of discussion. Recent work seeks to approach German colonial history from a global historical perspective, in the attempt of overcoming the legacy of centre-periphery models. Connections and interrelations between Europe and the rest of the world are emphasised and the two areas are observed in their „shared history“ (Cooper/Stoler) as one analytical field. The objective of these new approaches is the overcoming of eurocentric perspectives on colonial history and thereby the „provincialisation“ of Europe. It should however be noted that in this system of knowledge that is beginning to take shape, scholars from former German colonial territories (i.e. Cameroon) are still disconcertingly underrepresented. This is so despite the longstanding and lively debates about German colonial history that take place in the former colonies, both in the academic and non-academic environment. The systems of knowledge relating to the issue that are found in these countries consistently fail to gain resonance or recognition in Germany. In the academic sphere, the cultural hegemony of the global North over the global South has made itself remarkable in a way that not even postcolonialist scholars or critics of eurocentrism have dared to question explicitly. Through their award criteria and capacity-building goals, institutional aid mechanisms strengthen the impression that the North should „develop“ university systems in the South. This perception of academic engagement with colonial history in the South as flawed and thus its lack of recognition prevents dialogue and constructive attitudes towards it in the North. The knowledge produced and circulated in the South is excluded from academic discussion. Knowledge in the North thus remains partial and epistemically flawed. Can „critique of history“ (Soyinka) be achieved as a premise for justice and reconciliation without taking account of former colonies' historiography? And how can dialogue between equal partners truly take place and „fig-leaf-rhetoric“ be avoided?

The conference aims to discuss these questions with scholars of the field who engage with German colonial history in Cameroon. The ultimate goal of the conference is to start a process which will, with regard to Cameroon at first, explore possibilities for bringing different systems of knowledge into the dialogue, for identifying and overcoming structural inequalities and for setting the preconditions for mutual recognition.

Papers may focus on the following topics:

- Research traditions and perspectives with regard to German-Cameroonian colonial history

- Methods of colonialism research (oral history, access to archives, picture databases, private archives etc.)

- Inclusion of German-Cameroonian colonial history in school and university curricula

- Social relevance and reception of colonialism research, particularly with regard to Cameroon

The conference will address participants from different countries disciplinary backgrounds. We strongly invite both junior researchers as well as more established researchers to take part in the conference. Participants from Cameroon and the global South will be offered support for their travel costs, albeit to a limited extent. The languages used at the conference will be English (preferred), German and French. 200 word abstracts in one of the above languages should be sent along with a short CV should be sent to Stefanie Michels (stefanie.michels@normativeorders.net). Deadline: July 1, 2011

Programm

Kontakt

Stefanie Michels

Exzellenzcluster "Herausbildung normativer Ordnungen", Goethe-Universität Frankfurt/Main

stefanie.michels@normativeorders.net


Redaktion
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