Leviathan after the Boom. Public Finance in the industrialised Western Countries since the 1970's

Leviathan after the Boom. Public Finance in the industrialised Western Countries since the 1970's

Veranstalter
Marc Buggeln / Alexander Nützenadel / Michael Wildt, Institut für Geschichtswisenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin; gefördert durch die Fritz-Thyssen-Stiftung
Veranstaltungsort
Fritz-Thyssen-Stiftung, Apostelnkloster 13-15, 50672 Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.06.2013 - 15.06.2013
Website
Von
Marc Buggeln, Institut für Geschichtswissenschaften, HU Berlin

Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise hat in dramatischer Weise gezeigt, dass der Staat ein zentraler Akteur im Wirtschaftssystem ist. Dies betrifft nicht nur die Funktion des Staates für die Wirtschaftspolitik, sondern auch seinen großen Anteil am Volkseinkommen sowie seine Rolle als Gläubiger und Schuldner. Dabei ist es historisch betrachtet höchst variabel, wie Staaten ihre Einnahmen generieren und welche Absichten sie bei den Ausgaben verfolgen. Für die Zeit seit den 1970er-Jahren ist vielfach von einem Bedeutungsverlust des Nationalstaates die Rede.

Ein wesentliches Ziel der Tagung ist es, diese These zu überprüfen und das Ausmaß der Veränderungen am Beispiel des Staatshaushaltes zu diskutieren. Gleichzeitig wird gefragt, inwiefern sich die Diskussionen über das Ende des Nationalstaates auf die Staatsvorstellungen und das Verhältnis zwischen Staat und Bürger ausgewirkt haben. Diesen Fragestellungen möchte die Tagung anhand einer Untersuchung der öffentlichen Finanzen in den westlichen Industrienationen nach dem Boom nachgehen.

In der Forschung ist man sich weitgehend einig, dass die Zeit Ende der 1960er-/Anfang der 1970er-Jahre eine Zäsur in der Geschichte der westlichen Industriestaaten bildet. Im Rahmen dieser Periodisierung spielt die Ölkrise 1973 eine wichtige Rolle, in deren Folge auch der Glaube an einen durch staatliche Steuerung von Krisen befreiten Kapitalismus zumindest kurzfristig zerbrach. Ein Effekt der Krise dokumentiert sich im verlangsamten Wirtschaftswachstum in den westlichen Industriestaaten. Für die Charakterisierung der Phase der letzten drei Jahrzehnte in Westeuropa sind ferner so heterogene Prozesse und Ereignisse wie die dritte industrielle Revolution, die zweite Welle der Globalisierung, die Auflösung des Bretton-Woods-Systems, das Ende des Ost-West-Konfliktes, das Voranschreiten der Europäisierung, Diskussionen über die Postmoderne und eine anschwellende Staatskritik von Bedeutung.

Eine zentrale Frage der Konferenz lautet: Welche Folgen hatten die sich wandelnden Bedingungen für die staatliche Finanzpolitik in den westlichen Industrienationen? Führten diese zu schnellen Veränderungen, oder dominierte ein Festhalten am bis dahin entwickelten System mit schrittweisen Anpassungsreaktionen? Inwieweit entstand bei Finanzbeamten und Politikern hin-sichtlich des Staatshaushaltes der Eindruck einer notwendigen Veränderung, einer Krise des Althergebrachten? Während die vereinzelten historischen Arbeiten und Projekte zum Untersuchungszeitraum sich vor allem dem Wandel in der Privatwirtschaft oder in den Parteien zuwenden, fragt die Konferenz auch nach den Auswirkungen auf den Staatshaushalt und nach dem Verhältnis von Staat und Bürger, also nach dem Staatsverständnis insgesamt.

Dies führt gleichsam zu der Frage der Gerechtigkeit. Dabei steht jedoch bei der Konferenz die Frage nach dem Spannungsfeld von Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt. Geht man von den drei Musgrav’schen Staatsaufgaben aus, dann spielen Fragen von Gerechtigkeit und Gleichheit bei der Distribution eine zentrale Rolle, während es bei der Allokationsfunktion Begriffe wie Effizienz und Wirtschaftlichkeit sind, welche die Diskurse und Handlungsstrategien leiten. Im Rahmen der Konferenz wird danach gefragt, welche Maßnahmen die Beteiligten als wirtschaftlich und welche als ökonomisch betrachteten und ob es über die Zeit hinweg zu Verschiebungen kam. Ebenso soll untersucht werden, inwieweit Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit in den Debatten als komplementär oder gegensätzlich diskutiert wurden. Gleichzeitig wird in der Analyse aber bewertet, inwiefern sich die verschiedenen Steuersysteme jeweils als wirtschaftlich und/oder gerecht erwiesen haben und ob es im Zeitverlauf eine Verschiebung zu einem der Ziele gab.

Die Konferenz ist interdisziplinär organisiert. Vertreten sind die Fächer Soziologie, Politologie sowie die Geschichts- und die Wirtschaftswissenschaften. Die Konferenz ist zudem transnational und vergleichend angelegt, wohingegen sich der Großteil der bisherigen historischen Forschung zum Zeitraum nach dem Boom auf jeweils einen Nationalstaat konzentriert. Jedoch ermöglicht erst eine vergleichende Analyse mehrerer Nationalstaaten zu bestimmen, wie stark die Zwänge der Globalisierung wirkten und wie groß der nationale Handlungsspielraum war. Der komparative Ansatz erhellt, in welchen Bereichen über nationale Grenzen hinweg konvergente Entwicklungen stattfanden, klärt aber auch, wo Differenzen bestehen blieben. Zudem lässt sich feststellen, ob bereits vor 1973 bestehende nationale Unterschiede zu unterschiedlichen Antworten auf die Krise führten. Dass viele der seit 1973 verstärkt auftretenden Probleme der öffentlichen Finanzen – wie beispielsweise die steigende Staatsverschuldung oder die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Besteuerung mobilen Kapitals – von ungebrochener Relevanz sind, unterstreicht die Bedeutung einer interdisziplinären Untersuchung.

Programm

Thursday, 13th of June

14-14.30h: Michael Wildt (Berlin) Welcome
Marc Buggeln (Berlin): Introduction

14.30-15.00h: Coffee break

15.00-17.30
Panel I: The Taxing Task
Chair: Friedrike Sattler (Frankfurt/Main)
Speakers:
1. Martin Daunton (Cambridge): Meade to Mirlees: The failure of tax reform in Britain
2. Marc Buggeln (Berlin): Schmidt-Kohl-Schröder: Continuity and Change in West German Tax Policy
3. W. Elliot Brownlee (Santa Barbara)/Eisaku Ide (Tokyo): Taxation and Tax Consent in the United States and Japan since the 1970s
4. Gisela Hürlimann (Zürich): Rising inequality in an evolving welfare state. Taxation in Switzerland since the 1970’s
Commentator: Mark Spoerer (Regensburg)

18h: Dinner

19.30h: Keynote Lecture (Open to the Public):
Peter H. Lindert (Davis (CA)): Postwar Fiscal Traps

Friday, 14th of June

9.30-12.00
Panel II: The Spending Side – The Crisis of the Welfare State?
Chair: Nikolaus Wolf (Berlin)
Speakers:
1. Reimut Zohlnhöfer (Heidelberg): From „brink of the abyss“ to „miracle“? Public spending in Denmark and the Netherlands since 1980
2. Jeremy Leaman (Loughborough): Two Tales of Colliding Imperatives. Fiscal Policy in Britain and German since 1980
3. Martin Lengwiler (Basel): Reforming Fragmented Welfare Systems: Switzerland and Greece since the 1970s
4. Henri Sterdyniak (Paris): France (1970-2013): A public spending addiction?
Commentator: Franz-Xaver Kaufmann (Bielefeld)
12.00-13.00h: Lunch

13.00-15.30
Panel III: Debt and Government
Chair: Carl-Ludwig Holtfrerich (Berlin)
Speakers:
1. Hans-Peter Ullmann (Köln): The end of the „debt illusion“ in the Federal Republic in the late seventies
2. Moritz Schularick (Berlin/Bonn): Public & Private Debt 1970-2010
3. Benjamin Lemoine (Paris): Making the French Sovereign Bond Market and shaping the Public Debt Problem since the 1970s
4. Stefano Battilossi (Madrid): Fiscal adjustment and debt policy in high seigniorage countries of Southern Europe
Commentator: Adam Tooze (Yale)

15.30-16.00h: Coffee break

16.00-18.30
Panel IV: Public Finance after the Boom: Neoliberal Convergence?
Chair: Ralf Ahrens (Potsdam)
Speakers:
1. Sven Steinmo (Florenz): Paying our Taxes: Why are some people more honest than others?
2. Ann Pettifor (London): Financial liberalization and the impact on public spending in Anglo-American economies
3. David K. Jesuit (Michigan)/Vincent Mahler (Chicago): Fiscal redistribution in the developed world since the 1970s: Evidence from the Luxembourg Income Study
4. Maria Wersig (Hildesheim): Tax Systems and Gender Equality – Approaches in Austria, Germany and Sweden
Commentator: Christoph Conrad (Genf)

20.00h: Dinner in Cologne

Saturday 15th of June

9.30-12.00
Panel V: Public Finance and the Changing Role of the State at the End of the Century
Chair: Günther Schulz (Bonn)
Speakers:
1. Martin Chick (Edinburgh): The State, public finance and the changing response to investing in the future: the case of the United Kingdom since the 1970s
2. Wolfgang Streeck (Köln): The end of postwar-democracy and the rise of the consolidation state
3. Bob Jessop (Leicester): Public Finance and the changing form and functions of the state in response to economic, fisco-financial, and political crises
Commentator: Andreas Wirsching (München)

12.00-12.30: Closing Comment: Alexander Nützenadel (Berlin)

Kontakt

Dr. Marc Buggeln
marc.buggeln@geschichte.hu-berlin.de

Eine Teilnahme an der gesamten Konferenz ist aufgrund der sehr begrenzten Platzzahl nur in Ausnahmefällen möglich.
Die Keynote Lecture ist dagegen für die Öffentlichkeit zugänglich. Um Anmeldung im Portal der Thyssen-Stiftung wird gebeten:
http://fts.veranstaltungs-anmeldung.de/


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