Vom Olymp zum Boulevard: Die europäischen Monarchien von 1815 bis heute – Verlierer der Geschichte?

Vom Olymp zum Boulevard: Die europäischen Monarchien von 1815 bis heute – Verlierer der Geschichte?

Veranstalter
Universität Passau, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, PD Dr. Marc von Knorring / Dr. Benjamin Hasselhorn
Veranstaltungsort
Universität Passau, Innstraße 40/Nikolakloster R. 403, 94032 Passau
Ort
Passau
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.09.2015 - 25.09.2015
Deadline
31.05.2015
Website
Von
PD Dr. Marc von Knorring

Die Monarchiegeschichte als Forschungszweig ist seit kurzem wieder deutlich im Aufwind. Angereichert etwa durch moderne kultur- und mediengeschichtliche Fragestellungen werden die Leistungen diverser europäischer Herrscher der vergangenen Jahrhunderte aus verschiedenen Blickrichtungen hinterfragt, kritisiert und gewürdigt, zumeist freilich mit engerem räumlichen oder zeitlichen Fokus. Vor diesem Hintergrund erscheint es als Desiderat, aus größerer und umfassenderer Perspektive die lange Zeit wie selbstverständlich geltende Auffassung zu überprüfen, nach der die Monarchie in Europa seit ihrer um 1800 beginnenden Infragestellung tatsächlich einen ununterbrochenen Abstieg erlebt hat.

Das oftmals anzutreffende Negativurteil über den historischen Stellenwert der europäische(n) Monarchie(n) fußt – auf den ersten Blick – zumeist auf durchaus schlagkräftigen Argumenten: Der sukzessive Verfall der Machtposition der Monarchen durch Konstitutionalisierung und Parlamentarisierung in den Jahrzehnten zwischen den Befreiungskriegen und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der damit einhergehende Verfall ihrer Legitimationsbasis vom Gottesgnadentum über zweckrationale Begründungen bis hin zur Beschränkung ihres Amtes auf bloße Repräsentativfunktionen, schließlich die allmähliche quantitative Reduzierung der monarchisch geführten Staaten in Europa, immer wieder versinnbildlicht in der Zäsur der Revolutionen von 1917/18, und der dramatische Ansehensverlust vieler Dynastien gerade in der Folge des Ersten Weltkriegs – keine der mit ihm untergegangenen Monarchien ist jemals retabliert worden – sprechen für sich genommen eine eindeutige Sprache.

Unterdessen wird in der Forschung mittlerweile nicht nur den großen monarchischen Staatswesen wie Frankreich oder Deutschland (bis bzw. ab 1871) bescheinigt, im Lauf des 19. Jahrhunderts nach außen und innen herausragende politische, sozialreformerische und integrative Leistungen vollbracht zu haben, werden die Umbrüche von 1918 etwa auch in Österreich-Ungarn als vielfach von der Bevölkerung ungewollt verstanden. Die Stabilisierung der nach 1945 verbliebenen rund zehn Monarchien in Europa (bei Wegfall Griechenlands und Hinzutreten Spaniens), die wieder zunehmende Bedeutung ihrer Oberhäupter als Staatsorgane über den Parteiinteressen und einflussreiche politische Berater in stabilen Demokratien, ihre Funktion als Integrations- und Identifikationssymbole, sowie die große Rolle der Herrscherfamilien in den Medien und ihre aktuell wieder große Beliebtheit in der Bevölkerung oftmals nicht nur des eigenen Landes – auch über die Krisen und Skandale des späteren 20. Jahrhunderts hinweg, wie etwa die Beispiele Großbritanniens oder der skandinavischen Königreiche zeigen – stehen einem eindeutigen Urteil ebenfalls entgegen.

Deutlich wird, dass die Beurteilung des Phänomens „europäische Monarchien“ nur über die Integration verschiedener Betrachtungsebenen gelingen kann, wobei keineswegs nur verfassungs- und politik-, sondern vor allem auch ideen-, sozial- und kulturgeschichtliche, speziell etwa medien- und wahrnehmungshistorische Aspekte berücksichtigt werden müssen. Dabei ist es keineswegs so, dass bestimmte Zugriffsweisen an bestimmte historische Teilepochen gebunden sind, wie etwa die mittlerweile etablierte Einstufung des letzten deutschen Monarchen Wilhelm II. als „Medienkaiser“ oder die Verfassungskrise des Jahres 2011 in Luxemburg, in deren Folge der Handlungsspielraum des Großherzogs mit dessen Einverständnis weiter eingeschränkt wurde, eindrücklich zeigen.

Ziel der Tagung ist es vor diesem Hintergrund, durch die Integration unterschiedlicher geschichtswissenschaftlicher Herangehensweisen, Perspektiven und Auffassungen auf einer breiten Grundlage von Nationalgeschichten zu einem abgewogenen, differenzierten Urteil über die europäische(n) Monarchie(n) zu kommen und ihren Stellenwert im Wandel der Zeiten sowohl zu bestimmen als auch zu erklären.

Um Anmeldung bis 31. Mai 2015 wird dringend gebeten!

Programm

Donnerstag, 24. September 2015

9.00 Uhr: PD Dr. Marc von Knorring (Passau), Dr. Benjamin Hasselhorn (Wittenberg/Passau): Begrüßung

9.15 Uhr: Prof. Dr. Dieter Langewiesche (Tübingen): Einführung

Sektion 1: Phasen der Monarchiegeschichte

10.00 Uhr: Prof. Dr. Josef Johannes Schmid (Mainz): Wider die Fatalität der Revolution – Monarchische Innovation & Behauptung monarchischer Tradition (1760-1820)

10.45 Uhr: Kaffeepause

11.15 Uhr: Dr. Martin Kirsch (Berlin): Die Erneuerung der europäischen Monarchien durch Wandel – Erfolge und Niederlagen 1799/1815–1870

12.00 Uhr: Prof. Dr. Martin Kohlrausch (Leuven): Die Neudefinition der wilhelminischen Monarchie als europäischer Sonderfall?

12.45 Uhr: Mittagspause

14.30 Uhr: Dr. Benjamin Hasselhorn (Wittenberg/Passau): Das Monarchiesterben 1914–1945: Ein Siegeszug der Demokratie?

15.15 Uhr: PD Dr. Marc von Knorring (Passau): Nur Moderatoren und Medienstars? Europäische Herrscherfamilien seit dem Zweiten Weltkrieg

16.00 Uhr: Kaffeepause

Sektion 2: Europäische Herrscherhäuser

16.30 Uhr: Dr. Ulrike Grunewald (Mainz): Opfer oder PR-Profis – die Windsors und die Medien

17.15 Uhr: Dr. habil. Eberhard Straub (Berlin): Die letzten Hohenzollern: Die ästhetisierte Monarchie als historisches Kostümstück und Große Oper

19.00 Uhr: Gemeinsames Abendessen der Veranstalter und Referenten

Freitag, 25. September 2015

Fortsetzung Sektion 2

10.00 Uhr: Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll (Chemnitz): Zwischen Autokratie und Konstitutionalismus. Herrschaftsbegründung und Herrschaftsausübung im späten Zarenreich

10.45 Uhr: Prof. Dr. Dieter J. Weiß (München): Das Wittelsbacher Königtum – Entwicklung des Legitimitätsprinzips

Sektion 3: Übergreifende Fragestellungen

11.45 Uhr: Prof. Dr. Hans-Christof Kraus (Passau): Die Volksmonarchie – Idee und Problem in Deutschland

12.30 Uhr: Mittagspause

14.30 Uhr: Prof. Dr. Monika Wienfort (Berlin): Monarchie und Aristokratie in Großbritannien 1880-1914

15.15 Uhr: Prof. Dr. Volker Sellin (Heidelberg): Die Nationalisierung der Monarchie

16.00 Uhr: Kaffeepause

16.30 Uhr: Prof. Dr. Franz-Reiner Erkens (Passau): Vom „magischen Kitt“ der Monarchie. Über die longue durée und das allmähliche Verblassen religiöser Herrschaftsbezüge.

17.15 Uhr: Schlussdiskussion

18.00 Uhr: Ende der Tagung

Um Anmeldung bis 31. Mai 2015 wird dringend gebeten!

Kontakt

PD Dr. Marc von Knorring
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte
Universität Passau
Innstraße 25
94032 Passau
E-Mail: vonKnorring@uni-passau.de