Eigenbilder, Fremdbilder, Identitäten im östlichen Europa.
Kulturwissenschaftliche Perspektiven
Tagung der Fachkommission Volkskunde des Herder-Forschungsrats in Kooperation mit dem Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie der LMU München und dem Georg R. Schroubek Fonds Östliches Europa
München, Internationales Begegnungszentrum, 7. - 9. Dezember 2017
Call for Papers
Auf der Tagung wollen wir uns – im Anschluss an die Tagung 2016 zum „neuen Nationalismus“ – einem zentralen Aspekt der Beziehungen zwischen „Ost“ und „West“ in Europa zuwenden. Im Mittelpunkt sollen die in den europäischen Gesellschaften verbreiteten Eigenbilder und Fremdbilder sowie die dort formierten bzw. sich neu formierenden Identitäten der Individuen und Gesellschaften stehen. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime, der massiv einsetzenden Globalisierung und der EU-Integration mit den oftmals negativen Folgen für die Mehrheit der Menschen in den Gesellschaften ist besonders in den letzten 15 Jahren ein Aufleben und eine Verstärkung nationaler Bilder und Identitäten zu beobachten. Dominierten nach der Wende positive Bilder „Europas“ bzw. der EU und des „Westens“ insgesamt, so sind in wachsendem Maße neue Feind- und Freundbilder, zunehmend negative Bilder der Minderheiten, der Migranten, der benachbarten Nationen ebenso wie auch der EU und allgemein des „Westens“ zu konstatieren, während das einst negativ besetzte Russland zunehmend positiv gezeichnet wird. Es sind Entwicklungen, die in ihrer Tendenz und Wirkung den Zielen und Prinzipien der europäischen Einigung entgegenlaufen können.
Gegenwärtige Ereignisse wie die Migrationsbewegungen nach Europa und die damit verbundene Diskussion um eine Quote bei der Aufnahme von Flüchtlingen haben zu einer erneuten Spaltung Europas in „Ost“ und „West“ geführt. Die Akzeptanz der Politik der EU in der Bevölkerung des östlichen Europa ist derzeit gering. Dem besonders in den Wissenschaften lauten Ruf nach einem geeinten Europa und einer transnationalen Perspektive auf politische wie gesellschaftliche Prozesse stehen in wachsendem Maße eigene Traditionen und ethnisch-nationale Selbstbilder entgegen. Dies zeigt sich besonders in zunehmenden Rückgriffen auf kulturalisierende Argumentationsmuster, nationale Mythen und Erinnerungsorte. Doch nicht nur die EU-Politik trägt zu einer Reaktivierung althergebrachter Bilder und Stereotypen bei: Die Krisen in der Ukraine und in der Türkei lassen in gleichem Maße alte Ängste vor dem Fremden bzw. dem Nachbarn wieder aufleben.
Aus kulturwissenschaftlicher und insbesondere ethnografischer Perspektive bietet sich hier ein breites Forschungsfeld. Die Tagung will Forschungen aus dem Fach wie auch aus benachbarten Fächern vorstellen und zur Diskussion stellen, die den Wandel und die Kontinuitäten von Diskursen und kulturellen Praktiken in nationaler und transnationaler Perspektive untersuchen. Konkret geht es um die Herstellung, Aushandlung, Vermittlung und Nutzung von Selbst- und Fremdbildern in folgenden Kontexten:
- Ethnische und religiöse Minderheiten / Mehrheiten
- Regionen, (Haupt)Stadt und Land
- Sozialschichten und Milieus
- Migranten, Rückkehrer und Daheimgebliebene; Flüchtlinge; Entsandte („Ex-pats“)
- Nachbarstaaten und Nationen
- Gegenseitige Wahrnehmungen von „Ost“ und „West“ bzw. „Europa“
Abstracts von max. 15 Zeilen Länge sind, zusammen mit einer kurzen biografischen Information, bis zum 15. Juni 2017 zu richten an:
Prof. Dr. Klaus Roth, Universität München, Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie, Oettingenstr. 67, D-80538 München k.roth@lrz.uni-muenchen.de
oder
Dr. Marketa Spiritova, Universität München, m.spiritova@vkde.fak12.uni-muenchen.de
oder
Dr. Katerina Gehl, Universität München, katerinagehl@aol.com