Das am 14. Juni 1976 verkündete Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts brachte eine grundlegende Neuregelung des Scheidungsrechts, des Scheidungsfolgenrechts (Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt, Versorgungsausgleich) und des Scheidungsverfahrensrechts in der Bundesrepublik Deutschland. Das bisher prägende Verschuldensprinzip wurde zugunsten des Zerrüttungsprinzips beseitigt: Voraussetzung für die Scheidung einer Ehe ist seither nicht mehr das Vorliegen einer gravierenden Verletzung ehelicher Pflichten durch mindestens einen der Ehegatten, sondern allein das Scheitern der Ehe, das nach einer gewissen Zeit des Getrenntlebens vermutet wird. Auch wenn das neugeregelte Scheidungsunterhaltsrecht die Selbstverantwortung der Ehegatten nach der Ehescheidung betonte: Der wirtschaftlich stärkere Partner schuldet dem wirtschaftlich schwächeren Partner in vielen Fällen über Jahre hinweg nachehelichen Unterhalt; auf das Verschulden am Scheitern der Ehe kommt es auch hier nicht an. Zudem wurde der Versorgungsausgleich eingeführt, der geschiedene Ehegatten gleichmäßig an den während der Ehe erworbenen Altersversorgungsanwartschaften des anderen Ehegatten beteiligt. Die Scheidung wurde nunmehr von den neu geschaffenen Familiengerichten in einem neugeregelten Verfahren durchgeführt. Die Scheidungsrechtsreform war das Ergebnis eines jahrelangen kontroversen rechts- und gesellschaftspolitischen Diskurses, der auch nach Inkrafttreten des Reformgesetzes nicht zum Erliegen kam. Untersucht werden sollen Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser Scheidungsrechtsreform aus multidisziplinärer Perspektive.