Einladung zum Wissenschaftshistorischen Seminar
Von Fässern und Formeln: Mathematische Messmethoden der Visierkunst im 15. Jahrhundert
Dr. Gunthild Peters, Berlin
Wie man mit nur einem einzigen Messstab den Inhalt von ganz verschiedenen Weinfässern bestimmen konnte, darüber wunderte sich bereits Johannes Kepler, als er nach seiner zweiten Heirat einige Fässer einlagerte. Solche Messstäbe zur Inhaltsbestimmung von Weinfässern, die sogenannten Visierruten, verwendete man im Weinhandel mindestens seit dem 14. Jahrhundert. Es gab verschiedene Typen von Visierruten, mit denen man den Inhalt von vollen oder auch teilweise gefüllten Fässern auf einfache und recht präzise Weise bestimmen konnte.
Der Vortrag untersucht eine im 15. Jahrhundert weit verbreitete Handschriftenüberlieferung. In den lateinischen Texten wird insbesondere erklärt, wie man die Skalen auf den Visierruten erstellt. Hinter den Anleitungen stehen mathematische Konzepte. Sie reichen von einfachen Rechnungen über geometrische Herleitungen bis zu trigonometrischen Zusammenhängen. Die Texte sind ein Querschnitt des mathematischen Wissens jener Zeit.
Neben den mathematisch-theoretischen Überlegungen spielten auch praktische Fähigkeiten eine große Rolle. Am Beispiel Nürnbergs lassen sich die Abläufe auf dem Marktplatz im Detail nachvollziehen. Für die Fassmessung waren vereidigte Handwerker zuständig, die Visierer. Auf Grundlage ihrer Messergebnisse berechnete man die Weinsteuer, die für die Stadt eine wesentliche Einnahmequelle darstellte. Die Visierer nahmen eine zentrale Mittlerrolle zwischen Stadt und Händlern ein.
Der Vortrag stellt eine Fallstudie für das gelungene Zusammenspiel von theoretischem und praktischem Wissen vor.
Es laden Sie herzlich ein:
Prof. Dr. Rainer Godel und Prof. Dr. Dieter Hoffmann ML
Das Seminar findet statt
am: 5. Juni 2018
um: 18.00 Uhr
Ort: Lesesaal des Leopoldina-Studienzentrums, Emil-Abderhalden-Straße 36, 06108 Halle (Saale)
ML = Mitglied der Leopoldina