Im Zuge der "neuen Frauenbewegungen" in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden viele FrauenLesben-Archive und -bildungseinrichtungen gegründet. Ihre Arbeit hat auch heute nichts an ihrer Aktualität verloren. Der Titel des Workshops verweist auf eine Aktion der indischen Archivgründer/innen im Jahre 1994. Sie schrieben die Parole "Keine Nähmaschinen und Gemüsegärten mehr!" während eines Beratungstreffens zur geschlechtersensiblen Entwicklungsarbeit an die Tafel und kritisierten damit die dort diskutierten Programme, die traditionellen Geschlechterkonzepten folgten.
Die Geschlechterordnungen haben sich in den letzten Jahrzehnten vielerorts verändert, Frauenrechte sind gestärkt worden, aber antifeministische Backlashs sind in verschiedenen Weltregionen feststellbar, rechter Populismus und klassische Familienbilder gewinnen öffentlich an Zustimmung. Angriffe auf Feminismus, Gleichstellungspolitik und sexuelle Selbstbestimmung haben zugenommen. Unter Rechtfertigungsdruck stehen auch die Gender Studies, wie das kürzliche Verbot in Ungarn zeigt. Auch vor diesem Hintergrund ist es dringlich, dass sich Aktivist/innen für Geschlechtergerechtigkeit verstärkt vernetzen, von der Arbeit anderer hören, lernen und profitieren. Zugleich besteht weiterhin eine vielfältige Debatte zur Kategorie Frau. LGTBQI+-Bewegungen haben dazu beigetragen, heteronormative und heterosexuelle Ordnungen zu problematisieren und multiple Geschlechterkonzepte in den Blick zu nehmen. Die Aufmerksamkeit für Macht- und Unterdrückungsstrukturen (z.B. Klasse, Kaste, Alter), für die Wirkungsmächtigkeit von Normsystemen etwa zu Körper und Gesundheit sowie für ethnisierende und rassifizierende Zuschreibungen haben zudem dazu geführt, die Gleichsetzung von Frau mit Gender, Unterdrückung und Opfer kritisch zu hinterfragen.
FrauenLesben-Archive und -bildungseinrichtungen bündeln das Wissen über Frauenbewegungen in den jeweiligen Weltregionen. Sie archivieren Bücher, Zeitschriften und unveröffentlichte Originaldokumente wie Briefe, Fotos oder Tonaufnahmen aus den Nachlässen feministischer Wegbereiter/innen. Der Entstehungskontext des indischen Frauenarchivs hat viel gemein mit der Geschichte von Frauenarchiven in anderen Weltregionen. Auch in Deutschland entstanden seit den 1970er Jahren vermehrt neue Archive, viele davon existieren heute noch. Wie vielfältig die Gedächtnisse zur FrauenBewegungsGeschichte sind, zeigt der Dachverband i.d.a. (informieren, dokumentieren, archivieren). Dort haben sich Frauen- und Lesbenarchive, Frauenbibliotheken und –dokumentationen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Luxemburg und Italien zusammengefunden.
Der Workshop möchte Aktivist/innen und Akteur/innen aus Indien und Deutschland zu Wort kommen lassen. Es wird dazu eingeladen, sich über die Selbstverständnisse, Arbeitsweisen und Herausforderungen feministischer Gedächtnisarbeit auszutauschen und über Zukunftsperspektiven nachzudenken. Es geht dabei auch um Fragen von Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Möglichkeiten transnationaler Solidarität. In diesem Sinne ist besonders die Auseinandersetzung mit den Veränderungen und Kontinuitäten von Gender-Ansätzen in sozialen Bewegungen und akademischen Kontexten in Indien und Deutschland zu thematisieren. Neben Vorträgen zur Vergangenheit und Gegenwart von Frauen-Archiven in Deutschland und Indien, werden Sequenzen aus SPARROW Dokumentarfilmen zur Lebens- und Arbeitswelt von indischen Frauen, Transgender-Erfahrungen, Aussagen von Aktivist/innen und Forscher/innen zu ihrem Verständnis von Feminismus gezeigt.
Eingeladen sind alle, die sich neu über das Thema informieren, dazu arbeiten wollen (Forscher/innen, Studierende, Journalist/innen, Interessierte) oder in FrauenLesben-Archiven, Bildungseinrichtungen, sozialen Bewegungen oder in Initiativen zur Entwicklungszusammenarbeit arbeiten bzw. aktiv sind. Während des englisch-deutschsprachigen Workshops wird es Hilfestellungen für die Überwindung von Kommunikationsschwierigkeiten geben.