[Der Workshop / die Nachwuchstagung findet in Abhängigkeit von den Kontaktbeschränkungsmaßnahmen während der COVID19-Pandemie entweder hybrid oder online statt. Eine Entscheidung darüber wird bis Mitte April bekanntgegeben.]
Bewerbungsschluss: 31. Januar 2021
Deutsche und Juden prägten das östliche Europa vom Spätmittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg. Die historische Rolle beider ethno-konfessionellen Gruppen sowie ihre Verflechtungsgeschichte unter (post)imperialen Vorzeichen wurden in der Forschung von der Gewaltgeschichte des Holocaust überlagert. Im Zuge kulturwissenschaftlich geprägter Überlegungen zur Geschichte Osteuropas wurde die bi-polare Gegenüberstellung von Mehrheit und Minderheit kritisiert und teilweise aufgegeben. Stattdessen rückten Prozesse in den Vordergrund, die das alltägliche Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im östlichen Europa stärker berücksichtigen und die Vielfalt der Erfahrungen in den Vordergrund rückten. Diese Prozesse sind von gegenseitigen Aneignungen, von Überlagerungen und von Abgrenzungen gekennzeichnet. Diesen Forschungen sieht sich die angekündigte Nachwuchstagung verpflichtet.
Mögliche Themen sind die Geschichte der Kolonisation und des Landesausbaus in Ostmitteleuropa als Verflechtungsgeschichte oder shared history, die Besiedlung der Steppengebiete im Russischen Reich seit der Regierungszeit Katharinas II. und die damit verbundene Kolonisation der Gebiete nördlich des Schwarzen Meeres. Doch nicht nur im Zarenreich fallen historische Parallelitäten zwischen deutscher und jüdischer Bevölkerung auf. Auch die Geschichte von Deutschen und Juden in den postimperialen Nationalstaaten weist bei allen Unterschieden erstaunliche Ähnlichkeiten auf. Deutsche und jüdische Politiker aus dem östlichen Europa kooperierten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Rahmen des Europäischen Nationalitätenkongresses. Das unabhängige Polen beherbergte – neben Deutschen und Juden, die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts kulturell an die polnische Nation angenähert hatten und sich häufig mehrfach zugehörig fühlten –jüdische und deutsche Bevölkerungsgruppen, die ein signifikantes politisches, ökonomisches und kulturelles Eigenleben pflegten. In der frühen Sowjetunion wurde bis zur Stalinisierung in den 1930er Jahren die kulturelle Autonomie von Deutschen und Juden unter kommunistischem Vorzeichen gefördert. 1924 rief man eine sowjetische Republik der Wolgadeutschen aus, während die territoriale Komponente der jüdischen Kulturautonomie in den 1930er Jahren in Birobidžan realisiert werden sollte.
Nicht nur in den Anfängen war die Geschichte von Deutschen und Juden in Osteuropa aufeinander bezogen, sondern auch in ihrem Ende durch Völkermord, Flucht und Vertreibung im extremen 20. Jahrhundert. Nach der Auflösung der Sowjetunion erwachte das Interesse an der transnationalen Geschichte sowie dem Erbe der kulturellen Vielvölkerlandschaften des östlichen Europas von Neuem. Insbesondere durch die Zuwanderung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion wurde die deutsche Mehrheitsgesellschaft in Form deutscher und jüdischer Zuwanderer_innen mit postsowjetischen Verhältnissen konfrontiert.
Mit dem Call for Papers fordern wir Nachwuchswissenschaftler_innen zur Bewerbung auf, die sich in ihren akademischen Qualifikationsarbeiten oder anderen Forschungsprojekten mit diesen oder verwandten Themen der Geschichte der deutschen und/oder jüdischen Bevölkerungsgruppen im östlichen Europa beschäftigen – es sind ausdrücklich Teilnehmer_innen willkommen, in deren Arbeiten ein entsprechender Vergleich nicht geleistet wird. Die vorzustellenden Texte sollen im Voraus eingereicht werden, so dass sich die Präsentationen auf 20 Minuten beschränken können. Neben Historiker_innen sind auch Ethnolog_innen, Literatur- und Migrationswissenschaftler_innen sowie Politolog_innen nach Lüneburg eingeladen. Die Tagung findet als Kooperation des von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) geförderten Themendossiers „Deutsche und Juden im östlichen Europa – Aspekte einer verflochtenen Geschichte?“ [https://www.osmikon.de/themendossiers/shared-histories], dem Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Georg-August-Universität Göttingen, dem Nordost-Institut (IKGN) sowie der University of Sussex (DAAD Chair of European and Jewish History and Culture) statt. Reichen Sie bitte bis zum 31. Januar 2021 neben einem akademischen Lebenslauf (max. 2 Seiten) ein Exposee des geplanten Beitrages (max. 750 Wörter) ein und senden Sie diesen per mail an Dr. Alexis Hofmeister (alexis.hofmeister@unibas.ch).
Suggested Panels
A) Economic, social, and cultural history
B) Exposure to war and violence in the „Century of Extremes"
C) History of remembrance and public history
D) The history of languages and literature
E) German and Jewish life in Eastern Europe today
Gastgeber
Prof. Dr. Anke Hilbrenner
Universität Göttingen
Professur für Neuere Geschichte Osteuropas
(anke.hilbrenner@uni-goettingen.de)
Prof. Dr. Katrin Steffen
University of Sussex
DAAD Chair of European and Jewish History and Culture
(K.Steffen@sussex.ac.uk)
Dr. Alexis Hofmeister
Universität Basel
Department Geschichte
(alexis.hofmeister@unibas.ch)