Interesse. Eine frühneuzeitliche analytische Kategorie

Interesse. Eine frühneuzeitliche analytische Kategorie

Veranstalter
Lena Oetzel, Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Veranstaltungsort
online
PLZ
1020
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
18.11.2021 - 19.11.2021
Deadline
18.04.2021
Von
Lena Oetzel, Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes an der ÖAW, Wien

Interesse. Eine frühneuzeitliche analytische Kategorie

Interesse ist ein allgegenwärtiger, aber selten klar definierter Begriff, der eine zentrale Rolle in verschiedenen modernen Wissenschaften spielt. Bereits im 17. Jahrhundert wurde er in unterschiedlichen Kontexten zur Analyse menschlichen Handelns genutzt. Der Workshop will diese unterschiedlichen Diskurstraditionen untersuchen und miteinander in Beziehung setzen.

Interest. An analytical category in early modern times

Interest is an omnipresent but rarely clearly defined concept that plays a central role in modern academia. Already in the 17th century, it was used in various contexts to analyse human behaviour. The workshop aims to examine these different discourse traditions and relate them to each other.

Interesse. Eine frühneuzeitliche analytische Kategorie

Interesse ist ein allgegenwärtiger, aber selten klar definierter Begriff – und dass obwohl er eine zentrale Rolle in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, wie den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, den Politikwissenschaften (insbesondere den Internationalen Beziehungen), der Philosophie und der Geschichtswissenschaft spielt. Die moderne Sicht ist dabei stark geprägt von einem wirtschaftswissenschaftlichen Verständnis vom Eigeninteresse als Faktor zur Erklärung menschlichen Handelns. Gerade die Soziologie und die Politikwissenschaften versuchen jedoch die Perspektive zu weiten und einen umfassenderen Interessensbegriff zu nutzen, der alle Aspekte menschlichen Handelns erfasst. Im Feld der Internationalen Beziehungen wiederum domminierte lange ein Verständnis von Interesse als scheinbar objektiver Kategorie mittels dessen sich zwischenstaatliches Handeln kalkulieren lässt. Heute wird hingegen zumeist davon ausgegangen, dass Interessen von Regierungen und politischen Akteur:innen definiert werden, sie also von den jeweiligen Normen und Werten geprägt sind und dem Wandel unterliegen.

Tatsächlich geht die Verwendung von Interesse als analytisches Konzept ins 17. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit wurde der Begriff, der seinen Ursprung im Römischen Recht im Sinne von Schadenersatz (id quod interest) hat, politisiert. Italienische und französische Autoren, wie Giovanni Botero, Francesco Guicciardini, Henri de Rohan und La Rochefoucauld, verwendeten den Begriff im Kontext von Staatsräson-Diskursen und nutzten in zur Analyse frühneuzeitlicher Außenbeziehungen. Henri de Rohan erklärte in seinem berühmten und in verschiedene Sprachen übersetzten Traktat De l’Intérest des Princes et Estats de la Chrestienté (1639), dass sorgfältig abgewogene Interessen als Leitlinien der Politik den Leidenschaften eines Herrschers vorzuziehen seien und damit das Handeln der Akteure scheinbar berechenbar und kalkulierbar machten.

Der Workshop möchte die verschiedenen Verwendungen von Interesse in der Frühen Neuzeit untersuchen, d.h., es sollen die unterschiedlichen Diskurse (Ökonomie, Moraltheologie, Verfassungsrecht, Völkerrecht, Außenbeziehungen, Ratgeber-Traktate), in denen der Interessensbegriff auftaucht, und ihre Verbindung zueinander untersucht werden. Inwiefern war z. B. der Interessensdiskurs mit dem Diskurs um das Gemeinwohl verknüpft? Welchen Einfluss hatte die ursprünglich ökonomische Bedeutung? Unterschieden sich die theoretischen Reflexionen zum Interessenbegriff und der praktische Gebrauch beispielsweise in diplomatischen Korrespondenzen?

Entsprechend sind Beiträge aus verschiedenen Disziplinen willkommen, z. B. aus den Geschichtswissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaften, Philosophie, Rechtsgeschichte. Beiträge, zu den folgenden Themenfelder sind dabei von besonderem Interesse:
(1) die verschiedenen zeitgenössischen theoretischen Diskurse
(2) die Verwendung des Interessensbegriff in der Praxis (Diplomatie, Wirtschaft, Verfassungsrecht, etc.)

Außerdem sind Beiträge willkommen, die sich
(3) auf einer methodischen Ebene mit dem Interessensbegriff und seinem analytischen Potential auseinandersetzen.

Einreichungen von Wissenschaftler:innen aller Qualifikations- und Karrierestufen sind herzlich willkommen! Bitte schicken Sie ein Abstract von ca. 300 Wörtern sowie einen kurzen CV bis 18. April 2021 an lena.oetzel@oeaw.ac.at. Eine Auswahl der Beiträge wird bis Anfang Mai erfolgen.

Der Workshop ist als online Veranstaltung geplant. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Vorträge sollten ca. 20 Minuten plus Diskussion dauern. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist geplant.

Der Workshop findet im Rahmen des vom FWF geförderten Elise-Richter-Projekts „Interessengeflechte am Westfälischen Friedenskongress“ statt und wird in Kooperation mit dem Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und Balkanstudien an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt.

Interest. An analytical category in early modern times

Interest is an omnipresent, but only rarely clearly defined concept in modern academia. It is a key term in economics, sociology, political sciences, especially in international relations, philosophy, history etc. Modern views are heavily shaped by economics and the idea of self-interest that is used to explain all human behaviour. This limits the meaning and the potential of the concept. Therefore, sociologists and political scientists aim to grasp interest in a much wider sense, including all aspects of human behaviour. In international relations for a long time the view of interest as an objective category prevailed, while today most scholars see them as being defined by the government and therefore influenced by specific ideas and cultural views.

However, the origin of the term and its usage as an analytical concept goes back to the 17th century. At that time the term that originates from Roman law in the sense of compensation (id quod interest) became politicised. Italian and French political theorists, such as Giovanni Botero, Francesco Guicciardini, Henri de Rohan and La Rochefoucauld, began to use interest in the context of reason of state and used it to analyse early modern international relations. Henri de Rohan argued in his famous and widely translated essay De l’Intérest des Princes et Estats de la Chrestienté (1639) that thoroughly calculated interests helped control a ruler’s passion and, therefore, should guide his politics.

The workshop wants to examine the different usages of the term interest in the early modern period: Thus, we want to identify the different discourses (economics, moral theology, constitutional and international law, international relations, counsel etc.) and analyse their interconnectedness. In how far was the discourse on interest for example linked with the discourse on the commonweal? What influence had the original economic meaning of the term? Is there a difference between the usage of interest in theoretical treatises on e.g. constitutional and international law compared to the day-to-day usage in e.g. diplomatic correspondences?

We invite scholars from different fields – e.g. history, language and literary studies, philosophy, history of law – to submit papers that delve on the (but not limited to)
(1) different theoretical discourses
(2) usage in different practical contexts (diplomatic, economic, constitutional, etc.)

Moreover, we also invite papers that
(3) deal with interest on a more methodological level, asking how it can be used as an analytical tool.

Applications by early career researchers are welcome! Please, submit a 300-word abstract along with a short CV to lena.oetzel@oeaw.ac.at until 18th April 2021. All proposals will get a reply by the beginning of May.

Conference languages will be German and English. The papers should be about 20 minutes. The workshop will be held as an online event.

The publication of the proceedings with an appropriate publisher or journal is planned.

The workshop is part of the Elise-Richter-project “Networks of Interest at the Westphalian Peace Congress” (funded by the FWF) and will be held in cooperation with the Institute for Habsburg and Balkan Studies at the Austrian Academy of Sciences.

Kontakt

lena.oetzel@oeaw.ac.at

https://www.oeaw.ac.at/ihb/forschungsbereiche/geschichte-der-habsburgermonarchie/forschung/westfaelischer-friedenskongress
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