Geisteswissenschaftliche Großforschung gestern, heute, morgen. Paul Fridolin Kehr (1860–1944) und die Folgen

Geisteswissenschaftliche Großforschung gestern, heute, morgen. Paul Fridolin Kehr (1860–1944) und die Folgen

Veranstalter
Germania Sacra, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Veranstaltungsort
Historisches Gebäude der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Papendiek 14, Alfred-Hessel-Saal
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.02.2017 - 25.02.2017
Von
Dr. Christian Popp

Die Germania Sacra ist ein auf europäischer Ebene einzigartiges Forschungsprojekt, das sich mit der Geschichte der Bistümer, Stifte und Klöster im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation beschäftigt. Seit knapp 100 Jahren bündelt die Germania Sacra die Forschungen zu den geistlichen Institutionen, die epochenübergreifend von ihrer Gründung bis in die Zeit der Reformation bzw. Säkularisation behandelt werden.
Mit Paul Fridolin Kehr (1860–1944), dem großen Organisator der deutschen Mediävistik, kann die Germania Sacra auf eine schillernde Gründerfigur zurückblicken. Er rief das Forschungsprojekt 1917 am Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte in Berlin mit der Absicht ins Leben, ein landesgeschichtliches Bindeglied zu umfassenden Kirchengeschichtsprojekten (Germania Pontificia, Repertorium Germanicum) zu schaffen, die am Preußischen Historischen Institut in Rom und vor allem am Vatikanischen Archiv etabliert waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte die Germania Sacra zweimal ihre institutionelle Zugehörigkeit: 1956 wurde das Forschungsvorhaben an das neu gegründete Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen übertragen. Im Jahr 2008 übernahm die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften für weitere 25 Jahre die Verantwortung für die Germania Sacra und richtete eine Arbeitsstelle an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ein.
Zum 100-jährigen Bestehen veranstaltet die Germania Sacra eine internationale wissenschaftliche Tagung. Ziel ist es zum einen, den Blick zurück auf die Gründungszeit der Germania Sacra zu werfen, und darüber hinaus auf die Anfänge geschichtswissenschaftlicher Großforschung in Deutschland überhaupt, wie sie Paul Fridolin Kehr als Direktor zahlreicher außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Anlehnung an die Naturwissenschaften initiierte. Entsprechend werden die Partnerunternehmen „Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters“ und „Repertorium Germanicum“, deren Anfänge ebenfalls auf Kehr zurückgehen, auf der Tagung zu Wort kommen. Die Einbindung der Germania Sacra in den europäischen Forschungsverbund wird durch einen Beitrag zu den in den 1970er Jahren initiierten English Episcopal Acta an der Britischen Akademie der Wissenschaften verdeutlicht.
Zum anderen gilt es, den Ertrag der Germania Sacra zu bilanzieren und die zukünftige Entwicklung kirchengeschichtlicher Forschung – auch unter Berücksichtigung des digitalen Wandels – zu beleuchten. Vor allem aber soll die Tagung dazu anregen, über die Perspektiven geisteswissenschaftlicher Forschung insgesamt nachzudenken und inhaltliche Relevanz sowie zukunftsweisende Forschungsformate zu diskutieren. Am Wissenschaftsstandort Göttingen soll damit ein Dialog zwischen Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen und der Wissenschaftspolitik, vertreten durch die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, ins Leben gerufen werden. Mit dem zukunftsorientierten Thema, das über den engeren fachwissenschaftlichen Kontext hinausweist, wendet sich die Podiumsdiskussion an ein breites Publikum, insbesondere an Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Fragen, Meinungen und Kommentare in die Veranstaltung einfließen sollen.

Programm

FREITAG, 24. Februar 2017
Ort: Historisches Gebäude der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen,
Papendiek 14, Alfred-Hessel-Saal

9.00 Uhr
Prof. Dr. Andreas Gardt (Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen)
Grußwort
Prof. Dr. Hedwig Röckelein (Germania Sacra)
Einführung in das Tagungsthema

Sektion 1: Die Geschichte der Germania Sacra und Paul Fridolin Kehr

9.30 Uhr
Prof. Dr. Andreas Bihrer (Universität Kiel)
Die Erfindung der „Germania Sacra“ im 16. Jahrhundert. Neue Formen humanistischer Bistumsgeschichtsschreibung

10.00 Uhr
Prof. Dr. Helmut Flachenecker (Universität Würzburg)
Kirchengeschichtsschreibung in Europa im konfessionellen Zeitalter: Die Germania Sacra im Kreis anderer national-/landeskirchlich ausgerichteter Projekte

11.30 Uhr
Prof. Dr. Volkhard Huth (Institut für Personengeschichte, Bensheim)
Proteus mit „Klingelbeutelgenie“. Paul Fridolin Kehr als Wissenschaftsmanager

14.30 Uhr
Sven Kriese M.A. (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin)
Die preußischen Staatsarchive und die Germania Sacra im Nationalsozialismus

Sektion 2: Geisteswissenschaftliche Forschung zwischen Tradition und Innovation

15.30 Uhr
Prof. Dr. Hedwig Röckelein (Germania Sacra)
Kirchengeschichtliche Grundlagenforschung heute – die Germania Sacra im Akademienprogramm

15.50 Uhr
Bärbel Kröger M.A., Dr. Christian Popp (Germania Sacra)
Das Forschungsportal Germania Sacra Online – der Weg in die digitale Zukunft

Ort: Tagungs- und Veranstaltungshaus Alte Mensa, Wilhelmsplatz 3,
Adam-von-Trott-Saal
19.00 Uhr
Öffentliche Podiumsdiskussion: Wozu geisteswissenschaftliche Forschung? – Perspektiven für die Zukunft
Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur)
Prof. Dr. Thomas Kaufmann (Universität Göttingen)
Prof. Dr. Brigitte Reinwald (Universität Hannover)
Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger (Universität Münster)
Moderation: Prof. Dr. Hedwig Röckelein

SAMSTAG, 25. Februar 2017
Sektion 2 (Fortsetzung): Geisteswissenschaftliche Forschung zwischen Tradition und Innovation
Ort: Historisches Gebäude der Staats- und Universitätsbibliothek, Papendiek 14, Alfred-Hessel-Saal

9.00 Uhr
Prof. Dr. Klaus Herbers (Universität Erlangen-Nürnberg)
Germania Sacra im europäischen Forschungsverbund I: Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters

9.45 Uhr
Dr. Andreas Rehberg, Dr. des. Jörg Hörnschemeyer (DHI Rom)
Germania Sacra im europäischen Forschungsverbund II: Das Repertorium Germanicum am Deutschen Historischen Institut in Rom

11.00 Uhr
Dr. Philippa Hoskin (University of Lincoln)
Germania Sacra im europäischen Forschungsverbund III: English Episcopal Acta (British Academy for the Humanities and Social Sciences)

11.45 Uhr
Dr. Mechthild Black-Veldtrup (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen)
Germania Sacra und das Archivwesen

12.30 Uhr
Prof. Dr. Hedwig Röckelein
Zusammenfassung und Schlussdiskussion

Kontakt

Christian Popp

Germania Sacra, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen

cpopp@gwdg.de

http://germania-sacra.de