21. Jahrestagung, Rechtsprechung im „Kalten Bürgerkrieg“? Neue Perspektiven zur deutsch-deutschen Justizgeschichte der 1950er- und 60er-Jahre

21. Jahrestagung, Rechtsprechung im „Kalten Bürgerkrieg“? Neue Perspektiven zur deutsch-deutschen Justizgeschichte der 1950er- und 60er-Jahre

Veranstalter
Forum Justizgeschichte e.V.
Veranstaltungsort
Deutsche Richterakademie
Ort
Wustrau/Ruppiner See
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.09.2019 - 22.09.2019
Deadline
05.09.2019
Von
Forum Justizgeschichte e.V.

70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wird vielfach zurückgeblickt auf eine so beschriebene fundamentale Liberalisierung und Demokratisierung im Laufe der „Bonner Republik“. Auch für die bundesdeutsche Justiz der 1950er- und 1960er Jahre dürften dabei Sichtweisen vorherrschen, die grundsätzlich von einer erfolgreichen Konstitutionalisierung oder „Westernisierung“ ausgehen. Dabei kommen zwar auch Hindernisse und Verzögerungen zur Sprache – nicht zuletzt die hohen personellen NS-Kontinuitäten an den westdeutschen Gerichten, die engagierte Antifaschisten wie Fritz Bauer zu Ausnahmeerscheinungen machten. Deutlich seltener ist hingegen davon die Rede, in welchem Ausmaß die Rechtsprechung dieser Zeit beeinflusst war vom ideellen NS-Erbe, nicht zuletzt einem virulenten Antikommunismus.

Für eine andere Perspektive hat sich zuletzt der Richard-Schmid-Preisträger 2018, Josef Foschepoth, stark gemacht: Er interpretiert das KPD-Verbotsverfahren am Bundesverfassungsgericht als Auseinandersetzung im Rahmen eines mit propagandistischen wie juristischen Mitteln geführten deutsch-deutschen „Kalten Bürgerkriegs“ von 1945 bis Anfang der 1970er-Jahre. Überlagert vom internationalen Konflikt zwischen den vermeintlichen „Blöcken“ des Ostens und des Westens sei es in Deutschland zu einer zweistaatlichen Auseinandersetzung zwischen einem antikommunistischen und einem antiimperialistischen Nationalismus gekommen. Die freiheitlich-rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes sei dabei auf der Strecke geblieben, nicht zuletzt im Zuge der (strafrechtlichen) Kommunistenverfolgung.

Was (v)erklärt also die Erzählung von der „Erfolgsgeschichte“ der Bundesrepublik? Auf der 21. Jahrestagung des „Forum Justizgeschichte“ wollen wir für verschiedene Rechtsgebiete thematisieren, inwiefern die Gerichte und ihre Rechtsprechung in den 1950er- und 60er-Jahren beeinflusst waren von der Frontstellung der BRD gegenüber der DDR. Auch jenseits von Staatsschutz und (politischer) Strafjustiz erscheint uns die Fragestellung lohnend, welche Folgen der innerdeutsche Konflikt hatte. Umgekehrt lohnt ein Blick darauf, wie die – freilich ohne einen gleichermaßen rechtsstaatlichen Anspruch angetretene – DDR-Justiz realpolitische Zielsetzungen in ihr Selbstverständnis integrierte.

Wir erhoffen uns neben neuen Erkenntnissen zur allgemeinen Funktionsweise von Rechtsprechung auch eine produktive Diskussion darüber, welche Konsequenzen aus der Zeitgeschichte (nicht nur) für Juristinnen und Juristen heute zu ziehen sind.

Programm

Freitag 20.9.2019

15.45 Uhr Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand

16.00 Uhr Inhaltliche Einführung der Tagungsleitung

16.15 Uhr Claudia Fröhlich, Demokratisch, stabil, aus der Vergangenheit gelernt? Zur
bundesrepublikanischen Justiz als „Erfolgsgeschichte“

17.15 Uhr Kaffeepause

17.30 Uhr Thomas Clausen, „Bonner Blutjuristen” oder „rote Freislerin” – der NS- Volksgerichtshof als Objekt deutsch-deutscher Vergangenheitspolitik

18.30 Uhr Abendessen

19.30 Uhr Jacob Panzner, Ausschluss per Ausschuss. Ost-Filme in der Bundesrepub-lik am Beispiel „Berlin - Ecke Schönhauser...“ (1957)

Ausklang/Nachbereitung im Märkischen Keller oder im Freien am Seeufer

Samstag 21.9.2019

09.00 Uhr Albrecht Kirschner, Roben und Kampfanzüge. Zur geplanten Wehrstrafge-richtsbarkeit der Bundesrepublik im Verteidigungsfall

10.30 Uhr Kaffeepause

10.45 Uhr Sebastian Richter, Alles nur „sowjetisiert"? Politische Strafjustiz in der DDR vor und nach dem Mauerbau

12.00 Uhr Mittagessen

13.30 Uhr Fabian Michl, Das Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts im Spiegel des Ost-West-Konflikts

14.30 Uhr Kaffeepause

14.45 Uhr Sarah Schulz, „Freiheitlich“ heißt nicht „volksdemokratisch“ – die Entstehung der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ in Verfassung und Strafrecht

15.45 Uhr Sarah Langwald, Der Streit um „das Politische“ in Strafprozessen gegen Kommunist*innen in der Bundesrepublik der 1950er- und 60er-Jahre

17.00 Uhr Mitgliederversammlung

18.30 Uhr Abendessen

19.30 Uhr Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer

Sonntag 22.9.2019

09.00 Uhr Alexandra Jaeger, Vom „Adenauererlass“ zum „Radikalenbeschluss“. Die ambivalente Rolle der Justiz bei der Frage der Verfassungstreue im öffentli-chen Dienst in den 1950er- bis 1970er-Jahren

10.00 Uhr Kaffeepause

10.15 Uhr Jana Stoklasa, Der Fall der Diligentia AG: „Kalter Bürgerkrieg“ in Wiedergutmachungsverfahren für NS-Unrecht?

11.15 Uhr Abschlussrunde als fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick

12.00 Uhr Mittagessen

Der Teilnahmebeitrag beträgt 195,- Euro für Nichtmitglieder, 175,- Euro für Mitglieder und 80 Euro für Studenten, Referendare und Erwerblose.

Anmeldungen richten Sie bitte bis zum 5. September 2019 an info@forum-justizgeschichte.de.

Es besteht dank der Unterstützung durch ein Vereinsmitglied die Möglichkeit, ein Stipendium für die Tagung zu erhalten. Die Vergabe erfolgt entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Das Stipendium umfasst die Teil-nahmegebühr für die Tagung in Wustrau sowie bis zu 50% der Fahrtkosten bei einer Anreise mit der Bahncard 50. Stipemdiatinnen aus Berlin erhalten keinen Fahrtkostenzu-schuss. Das Forum Justizgeschichte e.V. begrüßt es, wenn eine Teilnahme in Wustrau die Stipendiatinnen dazu ermuntert, sich längerfristig an der Arbeit des Vereins zu beteiligen.Die Bewerbung muss bis spätestens zum 31. Juli 2019 beim Forum Justizgeschichte e.V. eingehen. Der Wunsch nach einem Stipendium ist kurz zu begründen. Die Stipendiat*innen verfassen einen Tagungsbericht, der auf www.hsozkult.de erscheint und den dort genannten Kriterien entspricht. Das Stipendium kann mehrfach gewährt werden.

Kontakt

Nicola Willenberg
willenberg@forum-justizgeschichte.de

https://www.forumjustizgeschichte.de/
Redaktion
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Sprach(en) der Veranstaltung
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