Der Band mit dem Titel „Bukowina-Deutsche. Erfindungen, Erfahrungen und Erzählungen einer (imaginierten) Gemeinschaft seit 1775“ wurde von Maren Röger und Alexander Weidle herausgegeben. In ihrer Einführung zu der Thematik vermitteln sie die zentralen Ziele des Sammelbandes: Er geht der Frage nach, in welchen Phasen, in welchem Ausmaß und mit welchen Grenzen die Gruppenbildungen als Buchenlanddeutsche bzw. Bukowina-Deutsche stattfanden, und wer die jeweils einschlägigen Akteure und Akteurinnen waren. Mit dem titelgebenden Dreiklang Erfindungen, Erfahrungen und Erzählungen wird auf das Wechselspiel zwischen dem (stetigen) Konstruktionscharakter der Gruppe, der immer wieder neue Sinnstiftung in Form von Erzählungen voraussetzt, verwiesen. Daneben werden die (partiell) geteilten Erfahrungshorizonte und Erlebnisse der Personen thematisiert, die sich als Bukowina-Deutsche identifizierten bzw. von Behörden und/oder MitbürgerInnen als solche adressiert wurden. Denn diese Erfahrungen trugen wiederum zur weiteren Gruppenkohäsion bei. Damit wird erfragt, wie die Gemeinschaft der Bukowina-Deutschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gestiftet – oder, um mit Benedict Anderson zu sprechen: erfunden – wurde.
Das Interesse wird aber auch darauf gerichtet, durch wen und wie sinnstiftende Erzählungen der Bukowina-Deutschen etabliert werden konnten und wie sich diese in Gruppenkohäsionsprozesse übersetzen. Der Begriff der Erzählung verweist zum einen auf kollektive identitätsstiftende Deutungen der Geschichte und Kultur der (imaginierten) Gruppe, aber auch auf individuelle Perspektiven, indem lebensgeschichtliche Äußerungen von Bukowina-Deutschen in Anlehnung an Dorothee Wierling als Erzählungen, nicht als Erinnerungen, gefasst werden. Dazu werden Überblicksbeiträge, aber vor allem mehrere Ergebnisse aktueller Forschungen versammelt, die von der ersten Ansiedlung deutschsprachiger Personen in der Bukowina bis zur Gegenwart reichen.
INHALTSVERZEICHNIS
MAREN RÖGER und ALEXANDER WEIDLE: Bukowina-Deutsche. Erfindungen, Erfahrungen und Erzählungen einer (imaginierten) Gemeinschaft seit 1775 – Eine Einführung S. 7
MARIANA HAUSLEITNER: Von der Ansiedlung bis zur Umsiedlung: Institutionen und Akteure der Deutschen in der Bukowina S. 21
MAREN RÖGER: Ethnopolitisches Engineering im Zeitalter des Nationalismus: Identitätsstiftung und ihre Grenzen bei den Bukowina-Deutschen S. 39
PETRO RYCHLO: Das deutsche Nationalhaus in Czernowitz als Kultur-, Bildungs- und Unterhaltungsort S. 57
Philipp Kröger: Die statistische Sichtbarmachung der Bukowina-Deutschen. Ethnographische Zählungen der Zwischenkriegszeit und die bevölkerungspolitische Bedeutung statistischer Daten im Rahmen der Umsiedlung S. 69
JOHANN WELLNER: Sprachliche Diversität bukowina-deutscher Dialekte S. 85
SUSANNE SORGENFREI: Rudolf Wagner 1934-1954: Zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Vertriebenenpolitik S. 101
CHRISTINA EIDEN: Technokrat der Bukowina-Deutschen – Herbert Mayer S. 117
MICHAEL KABELKA: Der Südostdeutsche – Grenzrevisionismus als Identitätsstiftung? Das Presseorgan der Bukowina-Deutschen von 1949 bis 1970 S. 131
GAËLLE FISHER: “Ethnic germans”, “Expellees” or “Old Austrians”: Identify Narratives and Memory Politics of Germans from Bukovina in Austria since 1945 S. 147
ANNA HAHN: Auf der Suche nach einer „Stimme“ Das Organ der Landsmannschaft in Israel S. 169
ALEXANDER WEIDLE: Von Netzwerken des Erzählens: Interviews mit Bukowina-Deutschen heute S. 185
ALEXANDER WEIDLE: Stimmen, Fotografien und Dinge: Quellenedition zum Interviewprojekt mit Bukowina-Deutschen S. 201
AutorInnen-Verzeichnis S. 315