Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 15 (2011), 2

Titel der Ausgabe 
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern 15 (2011), 2
Weiterer Titel 
offenes Heft

Erschienen
Rostock 2011: Ingo Koch Verlag
Erscheint 
zwei Ausgaben pro Jahr, jeweils im Juli und Dezember
Anzahl Seiten
136 S.
Preis
8,00 €

 

Kontakt

Institution
Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern
Land
Deutschland
c/o
Geschichtswerkstatt Rostock e.V. Kröpeliner Tor 18055 Rostock Tel.: 0381-1216415 Fax: 0381-3607240
Von
Bispinck, Henrik

EDITORIAL

Unser aktuelles Heft nimmt auf eine Reihe von Anlässen Bezug, die in den letzten Monaten historiografische Bedeutung hatten. Der 21. Landesarchivtag in Neubrandenburg am 21./22. Juni 2011 war explizit den Implikationen und Auswirkungen der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts gewidmet. So beginnen wir die Rubrik „Aufsätze“ mit dem Vortrag über das Geheime und Hauptarchiv Schwerin zwischen 1933 und 1945 des Schweriner Archivars Matthias Manke. Einen Überblick über den Ablauf dieser Tagung bietet die diesjährige Gastgeberin, die Neubrandenburger Archivarin Eleonore Wolf, unter „Archivmitteilungen“.

Erinnerungspolitisch stand das Jahr 2011 im Zeichen des Mauerbaus in Berlin und der weiteren Befestigung der deutsch-deutschen Grenze vor 50 Jahren. Kay Kufeke hatte vor einigen Jahren im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern ein Gutachten über Entwicklungsmöglichkeiten der Gedenkstätten, die in Mecklenburg-Vorpommern an die Grenze und ihre Opfer erinnern, verfasst. In diesem Heft skizziert er nun mit seinem Beitrag über die Durchlässigkeit der innerdeutschen Grenze in Mecklenburg vor 1952 die Anfänge des Aufbaus eines Grenzregimes. Michael Heinz von der Rostocker Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) und Anita Krätzner von der Universität Rostock nehmen die zeitgenössischen Reaktionen auf den Mauerbau im damaligen Ostseebezirk Rostock im Sommer und Herbst 1961 in den Blick. Ablehnende Äußerungen bei den Bürgern waren keine Seltenheit. Diese wurden als „staatsgefährdende Hetze“ massiv verfolgt und propagandistisch instrumentalisiert.

Ein weiterer Schwerpunkt des Heftes liegt auf der Geschichte von Jugend und Jugendpolitik in den 1980er Jahren in unserer Region. Mit Christoph Wunnickes Aufsatz über die Offene Evangelische Jugendarbeit in der Mecklenburgischen Landeskirche wird eine Seite nichtstaatlicher Jugendarbeit untersucht. Die Darstellung wird durch ein Interview ergänzt, dass der Autor mit Bernd Schröder, in den 1980er Jahren als Jugendwart für die Offene Jugendarbeit bei der Pommerschen Evangelischen Kirche verantwortlich, für „Zeitgeschichte regional“ führte. Caroline Fricke hingegen untersucht in ihrem Aufsatz Selbstbild und Realität der von SED und FDJ geführten Jugendpolitik, wie sie sich zu dieser Zeit im Bezirk Schwerin darstellten. Sie zeigt, dass Bemühungen, Jugendliche mit abweichend wahrgenommenem Verhalten zu integrieren, an der eigenen holzschnittartigen Ideologie, mehr jedoch an den Schwächen, die letztlich auch zum Untergang des Staates führten, scheitern mussten.

Im September dieses Jahres jährte sich der 65. Todestag des evangelischen Theologen und Universitätsprofessors D. Dr. Ernst Lohmeyer. Aus diesem Anlass haben zwei Autoren, die sich über viele Jahre mit dieser Persönlichkeit und ihrem Schicksal beschäftigten, der Redaktion einen Beitrag angeboten. Sie ergänzen sich auch da, wo sie anscheinend denselben Gegenstand referieren. Beide Autoren gehen auf eine Quelle besonders ein: eine 1946 bei der Landesleitung der SED entstandene Akte, die – wie beide Autoren übereinstimmend fest stellten – aktuell in den beiden Landesarchiven nicht auffindbar ist. Wolfgang Wilhelmus legt hier das Skript einer Rede vor, die er im September 1990 anlässlich der Feier des 100. Geburtstages Ernst Lohmeyers hatte halten wollen, ergänzt um einen Bericht aus der Perspektive des bis 1990 als Professor an der Sektion Geschichte der Universität Greifswald und als Leiter der Forschungsgruppe Universitätsgeschichte tätig gewesenen Wissenschaftlers. Mathias Rautenberg hingegen analysiert die Auseinandersetzung mit dem Schicksal Lohmeyers von 1946 bis in die Gegenwart aufgrund der Fülle bis heute zugänglich gewordener Literatur und Archivalien und zeichnet dabei ein differenziertes Bild vom Wirken der involvierten SED-Funktionäre. Ernst Lohmeyer spielte auch bei der Gedenktafelenthüllung 2011 für die Retter Greifswalds eine Rolle. Interessierte sollten also auch den Beitrag des Greifswalder Stadtarchivars Uwe Kiel zur Rezeptionsgeschichte der kampflosen Übergabe der Stadt an die Rote Armee 1945 lesen.

Zwei Autorinnen verdanken wir die Möglichkeit, die folgend angezeigten Dokumente veröffentlichen zu können: Elke Scherstjanoi fand – bisher einmalig – in russischen Archiven ein russisches Protokoll zur ersten Besprechung des Chefs der Sowjetischen Militäradministration für Mecklenburg (-Vorpommern) mit den Mitgliedern des Präsidiums und den Ministerialdirektoren der deutschen Landesverwaltung am 12. Juli 1945 in Schwerin, die als offizieller Auftakt der sowjetischen Besatzungsherrschaft in Mecklenburg-Vorpommern anzusehen ist. Hieran ist besonders der Vergleich des nun übersetzten russischen Dokuments mit der damals aufgesetzten deutschen, deutlich kürzeren Niederschrift aufschlussreich. Demgegenüber bietet die Schweriner Kulturwissenschaftlerin Sabine Steffens einen eher amüsanten Extrakt aus ihrer Arbeit an der Ausstellung zur Geschichte des Instituts für Tierseuchenforschung auf der Insel Riems: den Werdegang des Begründers des Riemser Instituts, Prof. Dr. Friedrich Loeffler, in lustigen Versen und Bildern zu seinem 60. Geburtstag aus der Feder seiner Mitarbeiter.

Ein letzter Schwerpunkt ist die Musik. Der Leiter des Anklamer Knabenchores Mike Hartmann lässt 40 Jahre Geschichte dieses Klangkörpers aus der Perspektive dreier Sängergenerationen Revue passieren. Während dieser Beitrag für Kontinuitäten steht, zeigt der vom Leiter des Schweriner Konservatoriums Volker Ahmels vorgelegte Bericht über die zwischen 1996 und 2011 durchgeführten Projekte zum Thema „Verfemte Musik“ den Zugewinn an Möglichkeiten seit 1990. Dem ist auch das Entstehen der Annalise-Wagner-Stiftung in Neubrandenburg zuzurechnen. Gudrun Mohr verdeutlicht mit ihren Erinnerungen an Annalise Wagner deren Bedeutung für die Regionalforschung.

Wie immer, wenn der Platz für das Editorial fast verbraucht ist, ist die Reihe der hervorhebenswerten Beiträge noch lange nicht erschöpft. Die quellenkritischen Anmerkungen Volker Jankes zum Umgang mit Fotos von Karl Eschenburg verdiente eine ebenso ausführliche Einführung wie der diese Zeitschrift insbesondere betreffende Text von Julia Rinser über eine Tagung zu regional- und landesgeschichtlichen Zeitschriften im 19. und 20. Jahrhundert. Die von der Redaktion dankbar publizierten Berichte von Mirko Wetzel über das Portal www.stolpersteine-mv.de und von Helge Heidemeyer zu Kinderführungen in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde seien hier wenigstens noch erwähnt. Die erfreulich zahlreichen Rezensionen und Anzeigen bitten wir Sie sich selbst zu erschließen.

Ihre Redaktion

Inhaltsverzeichnis

INHATLSVERZEICHNIS

AUFSÄTZE

Matthias Manke: Unter braunen Schatten. Das Geheime und Hauptarchiv Schwerin zwischen 1933 und 1945 (S. 5–19)

Mathias Rautenberg: Der Tod und die SED. Zum 65. Todestag Ernst Lohmeyers (S. 20–33)

Kay Kufeke: „Jeder, ob Genosse oder nicht, ist schon ‚drüben‘ gewesen.“ Die Durchlässigkeit der innerdeutschen Grenze in Mecklenburg vor 1952 (S. 34–38)

Michael Heinz/Anita Krätzner: Verurteilt wegen „staatsgefährdender Hetze“. Reaktionen im Bezirk Rostock auf den Mauerbau 1961 (S. 39–49)

Christoph Wunnicke: Die Offene Evangelische Jugendarbeit in der Mecklenburgischen Landeskirche in den 1980er Jahren (S. 50–52)

Caroline Fricke: „Negativ-dekadent“? Jugendkulturen im Bezirk Schwerin in den 1980er Jahren (S. 53–61)

DOKUMENTE

Sabine Steffens: Der Werdegang von Herrn Geheimrat Loeffler, in lustigen Versen und Bildern zum 60. Geburtstag gewidmet von Ernst Walter und Hugo Zipfel (S. 62–65)

Elke Scherstjanoi: „Wir werden uns oft treffen.“ Der Auftakt der Besatzungsherrschaft in Mecklenburg-Vorpommern am 12. Juli 1945 (S. 66–72)

ERINNERUNGEN

Wolfgang Wilhelmus: Noch einmal Ernst Lohmeyer. Eine Rede, die nicht gehalten werden konnte, und eine Akte (S. 73–84)

Gudrun Mohr: Erinnerungen an Annalise Wagner (S. 85–89)

Mike Hartmann: 40 Jahre Anklamer Knabenchor (S. 90–92)

DISKUSSION

Volker Janke: Ausstellung „Rostock Schwarzweiß. Karl Eschenburg und sein Rostock“, 25. Februar bis 22. Mai 2011 im Kulturhistorischen Museum Rostock (S. 93–95)

REGIONALE GESCHICHTSARBEIT

Volker Ahmels: Die Projekte zum Thema „Verfemte Musik“ des Konservatoriums Schwerin und des Landesverbands Jeunesses Musicales Mecklenburg-Vorpommern e.V. 1996 bis 2011 (S. 96–99)

Uwe Kiel: April 2011 – Gedenktafelenthüllung für die Retter Greifswalds. Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte der kampflosen Übergabe der Stadt an die Rote Armee 1945 (S. 99–101)

HISTORISCHES LERNEN

Mirko Wetzel: www.stolpersteine-mv.de – ein Projekt der Produktionsschule Barth (S. 102 f.)

ARCHIVMITTEILUNGEN

Eleonore Wolf: 21. Archivtag des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern (S. 104 f.)

INTERVIEW

„Man muss auch als Diakon immer wissen, was man tut.“ Interview mit Bernd Schröder, dem ehemaligen Greifswalder Jugendwart, über die Offene Evangelische Jugendarbeit der 1980er Jahre

AUS ANDEREN LÄNDERN

Julia Rinser: Medien des begrenzten Raumes: Regional- und landesgeschichtliche Zeitschriften im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Tagung des Instituts für westfälische Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe am 12. und 13. Mai 2011 in Münster (S. 109–111)

Helge Heidemeyer: Flucht und Neuanfang für Kinder verständlich erzählen. Kinderführungen in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde (S. 112 f.)

Ruth Wunnicke: „Keine Matchboxautos in der DDR“. DDR-Geschichte als Lokalgeschichte in den alten Bundesländern. Ein Schülerworkshop in der Kester-Haeusler-Stiftung Fürstenfeldbruck (S. 114–116)

REZENSIONEN / ANNOTATIONEN (S. 117–129)

Peter Jancke (Hg.): Kirchen und kirchliches Leben im deutschen Kolberg (Sabine Grauer)

Rudolf von Thadden: Trieglaff. Eine pommersche Lebenswelt zwischen Kirche und Politik 1807–1948 (Kai Agthe)

Richard Moeller: Lebenserinnerungen Hg. von Bernd Kasten (Henrik Bispinck)

Detlev Brunner: Stralsund. Eine Stadt im Systemwandel vom Ende des Kaiserreichs bis in die 1960er Jahre (Christian Halbrock)

Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich (Hermann Langer)

Joachim Piper: „Lobetal habe ich säubern lassen.“ Arbeit und Schicksal der Lübtheener Diakonissen (Sabine Grauer)

Hans Dieter Borchardt: Kriegsende in Wollin. Kreis Usedom-Wollin in Pommern (Hans-Gerd Warmann)

Heinz Schneider: Die Normalität des Absurden (Wolfgang Stemmer)

Christian Schwießelmann: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in Mecklenburg und Vorpommern (Steffen Schoon)

Detlev Brunner/Mario Niemann (Hg.): Die DDR – eine deutsche Geschichte. Wirkung und Wahrnehmung (Henrik Bispinck)

Arvid Schnauer: Zur Arbeit des Rostocker Gerechtigkeitsausschusses. Teil 2: 1990 bis 1994 (Christian Schwießelmann)

Christian Rogge: Postsozialistischer Wandel ländlicher Siedlungen in Mecklenburg. Determinanten – Prozesse – Modelle (Michael Heinz)

NEUERSCHEINUNGEN (S. 130 f.)

KURZVORSTELLUNG DER AUTOREN (S. 132)

ADRESSEN DER AUTOREN (S. 133 f.)

IMPRESSUM (S. 135)

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