: Umweltgeschichte. Eine Einführung. Köln 2007 : Böhlau Verlag, ISBN 978-3-8252-2521-6 368 S. € 17,90

: Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. . München 2007 : Oldenbourg Verlag, ISBN 978-3-486-57631-3 160 S. € 19,80

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jürgen Büschenfeld, Bielefeld

Wie für kaum einen anderen historischen Forschungszusammenhang ist für die Umweltgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit hinein die Frage gestellt worden, ob die Disziplin erwachsen und damit zu einem ernstzunehmenden Element im Fächerkanon der Geschichtswissenschaft geworden sei. Zu diesem unsicheren Status nicht nur mit Blick auf die Fremd-, sondern auch bezogen auf die Selbstwahrnehmung haben sicher die Besonderheit der Methodenvielfalt auf den Grundlagen von Geistes- und Naturwissenschaften und die lange, aber weitgehend fruchtlose Auseinandersetzung um die Vorherrschaft anthropozentrischer oder biozentrischer Fragestellungen wesentlich beigetragen.

Die hier zu besprechenden Bücher belegen allerdings, dass die Zeit der „Flegeljahre“ für die Umweltgeschichte längst vorbei ist. Das Lehrbuch „Umweltgeschichte“ von Verena Winiwarter und Martin Knoll bereichert die UTB-Reihe, während Frank Uekötter mit „Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert“ ein Buch zur renommierten „Enzyklopädie Deutscher Geschichte“ beigesteuert hat. Jedes Buch belegt für sich die große Bandbreite umwelthistorischer Themen und Forschungsansätze. Thematische und methodische Schnittmengen sind nicht zu übersehen. Deutlicher als die Gemeinsamkeiten aber treten die Unterschiede hervor.

Winiwarter/Knoll möchten die Umweltgeschichte zwar als historisches Fachgebiet behandelt wissen, legen aber stets großen Wert auf den interdisziplinären Charakter des Faches mit Brückenschlägen zu naturwissenschaftlichen Wissensgebieten. So verdeutlicht ihr „Einstieg in die Umweltgeschichte“ im zweiten Kapitel, dass es nicht nur um Rekonstruktion von Wahrnehmung und Interpretation geht, sondern auch um die „harten“ und vermeintlich objektiven Daten einer Rekonstruktion der Umweltbedingungen in der Vergangenheit. Aber Winiwarter/Knoll geben sich keinen Illusionen hin und verweisen auch für den Rahmen der Naturwissenschaften auf die Methodenabhängigkeit der gewonnenen Daten und auf den Zweifel, ob die gewählten Methoden den Forschungsgegenstand tatsächlich objektiv abbilden können. Gleichwohl beharren sie in Anlehnung an Rolf Peter Sieferle darauf, dass die Umweltgeschichte nicht in einer „Sozial- und Geistesgeschichte mit Naturbezug“ (S. 27) erstarren dürfe.

Wie dieses Ziel erreicht werden könnte, darüber reflektieren die Kapitel 3-5 in der Vorstellung von Themen, Methoden, Konzepten, Theorien und Erzählweisen der Umweltgeschichte. Zwar überwiegen diejenigen Themen, die im Wesentlichen mit Hilfe eines geisteswissenschaftlichen Methodeninventars behandelt werden können, aber auch Fächer wie Paläobotanik und Bodenkunde stehen im Brennpunkt der Umweltgeschichte. Im Umgang mit „neue[n] Trends“ verweisen Winiwarter/Knoll vor allem auf diejenigen Arbeiten, die eine globale Perspektive bieten. Hier sei die Frage erlaubt, ob der weltweite Blick auch immer das leisten kann, was der in der Regel an gründlicher Recherche interessierte Leser erwarten mag. Keine Frage, der große Wurf einer auf die Gesamtheit des „Blue Planet“ bezogenen „Geschichte der Umwelt im 20. Jahrhundert“ etwa verdient allerhöchsten Respekt. Aber kann ein solches Buch tatsächlich den weltweiten „Status der Belastung der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft in seiner Entwicklung von 1890 bis 1990“ abbilden?1 Angesichts der Quellenmassen, die noch völlig unerforscht in den Archiven schlummern, dürfte man sogar auf staatlichen Ebenen gerade erst damit begonnen haben, sich einem aussagekräftigen „Status der Belastung“ in mühsamen kleinen Forschungsschritten langsam anzunähern.

Geht es um die Umweltgeschichte vorindustrieller Gesellschaften, so kritisieren Winiwarter/Knoll völlig zu recht den weitgehenden Verzicht auf die Möglichkeiten naturwissenschaftlicher Methodik, die im vierten Kapitel ausführlich dargestellt wird. Aber geistes- und naturwissenschaftliche Methoden sollen in der umweltgeschichtlichen Praxis nicht nur nebeneinander verwendet werden. Vielmehr sei eine „eigene Klasse von Methoden“, z.B. geografische Informationssysteme (GIS), aufgerufen, die Integration von Daten aus ganz verschiedenen Disziplinen zu ermöglichen.

Konzepte, Theorien und Erzählweisen sind Gegenstand des fünften Kapitels, das allerdings über den Rahmen eines einführenden Lehr- und Studienbuches weit hinausgeht. Die Frage ist, ob das hier auf hohem Abstraktionsniveau entfaltete theoretische Tableau der modellhaften Untersuchung umwelthistorischer Phänomene zwischen „DPSIR-Konzept“, „Cultural Theory“ und sozial-ökologischen Zusammenhängen tatsächlich für solche Studierende geeignet ist, die erstmals mit der Umweltgeschichte in Berührung kommen. Auch wird man derartige Konzepte immer auch an ihrem Leistungsvermögen für die umwelthistorische Praxis messen müssen. So verweist etwa die Darstellung des Zusammenhangs zwischen Gesellschaft und Umwelt im „DPSIR-Modell“ in seinen fünf Komponenten auf die Auswirkungen gesellschaftlicher Prozesse auf Ökosysteme und ihre entsprechende politische Verarbeitung. Winiwarter/Knoll konstatieren, dass der „analytische Wert“ des Modells beschränkt sei. Es bleibe ungeklärt, „welcher Art die Relationen sind“, die zwischen den Teilen des Modells bestünden. Für Historiker sind aber vor allem solche Innenansichten, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind und die manchmal mühsam aus den praktischen Fällen herauspräpariert werden müssen, ganz zentral. Erst solche – oft unerwarteten – Zusammenhänge machen den Fall interessant, sorgen gewissermaßen für das Salz in der Suppe. Für eine „gut gewürzte“ Umweltgeschichte kann deshalb das auf breite Kontexte bezogene hermeneutische Textverständnis häufig zielführender sein als ein modellhaftes, theoretisch abstraktes Denken.

Die Kapitel 6-10 beschäftigen sich mit zentralen Themenfeldern der Umweltgeschichte. Überaus sachkundig und auf der Basis einer breiten Forschungsliteratur werden hier z.B. die inzwischen gut ausdifferenzierten umwelthistorischen Bezüge zur Agrar-, Forstgeschichte und zur Geschichte des Naturschutzes vorgestellt. Auch wird die Umweltgeschichte der Stadt (Kapitel 7) beleuchtet, wobei nicht nur Hygiene und Toxikologie, sondern auch Ressourcen und Materialflüsse, das Thema „Vernetzung“ durch Infrastrukturleistungen und die Auseinandersetzung mit städtischem und stadtnahem Grün im Brennpunkt stehen. Ein zentrales Thema für die Umweltgeschichte sind die mit sogenannten „Transportrevolutionen“ verbundene Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Zuwachs an Mobilität in der Geschichte (Kapitel 8) bis hin zur „Massenmobilität“, die den Industriegesellschaften seit den 1950er-Jahren ihren Stempel aufgedrückt hat.

Die historische Demographie (Kapitel 9) und die Abhängigkeit der Geburten- und Sterberaten sowie der Wanderungsbewegungen von Umweltfaktoren ist ein weiterer wichtiger Forschungszusammenhang, der kenntnisreich präsentiert wird. Dazu gehören auch die Wechselwirkungen mit Mikroorganismen, die die Umweltgeschichte in enge Beziehungsgeflechte zu epidemiologischen Fragen setzen. In diesem Zusammenhang dürften sich vielfältige Querverbindungen zur „Umweltgeschichte der Stadt“ bzw. zu älteren stadthygienischen Untersuchungen herstellen lassen, die bereits seit den 1970er-Jahren den besonderen Beziehungen zwischen sozialer Ungleichheit und Seuchengeschehen in der Geschichte nachgegangen sind.

Der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Umwelt wird in Kapitel 10 ein eigener Abschnitt gewidmet, wenngleich die Ebene der Wahrnehmung bereits mit allen Sachthemen von Landnutzung über städtische Umweltfragen, über Transport und Verkehr bis hin zu demographischen Bezügen untrennbar verbunden ist. Geht man davon aus, dass die Wahrnehmung von Umwelt in der Geschichte im Wesentlichen in ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen oder ästhetischen Belangen immer sachbezogen gewesen ist, so ist den Fragen des Problembewusstseins, der Risikoabschätzung, der naturästhetischen Wertungen und des Rechts auch am besten in der Konkretion des praktischen Falles nachzugehen.

Die Überlegungen zum Konzept der Nachhaltigkeit (Kapitel 11) fließen direkt ein in die abschließende Diskussion der Frage, welche gesellschaftlichen Aufgaben der Umweltgeschichte im Kontext der nachhaltigen Entwicklung zuzuweisen seien. Für Winiwarter/Knoll hat sich Umweltgeschichte auch mit aktuellen umweltwissenschaftlichen und -politischen Konzepten auseinanderzusetzen. Am Ende steht das eindeutige Plädoyer für die Umweltgeschichte als interdisziplinäres Projekt, damit sie in der Lage sei, zu einer wünschenswerten und damit nachhaltigen Entwicklung von Gesellschaft beizutragen.

Ein Plädoyer für den Brückenschlag zu den Naturwissenschaften lässt die Arbeit von Frank Uekötter bewusst vermissen. Seine „Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert“ bettet er als konzise Darstellung in die vorgegebene Struktur der „Enzyklopädie Deutscher Geschichte“ ein. Dem „enzyklopädischen Überblick“ und den „Grundproblemen und Tendenzen der Forschung“ folgt ein ausführliches „Quellen- und Literaturverzeichnis“ zur breiten Orientierung im Forschungsfeld.

Als Ausgangspunkt seiner Darstellung erkennt Uekötter die aktuelle Umweltsituation, die er in ihren „beängstigenden Dimensionen“ knapp skizziert und die seiner Analyse als Impulsgeber dient. Aus dieser aktuellen Verortung leitet der Autor einen „thematischen Kern“ der Umweltgeschichte ab, den er als Geschichte der Umweltbewegungen, der Energie, der Umweltverschmutzung sowie der Wald- und Forstgeschichte definiert. Wie Winiwarter/Knoll konstatiert auch Uekötter einen „Methodenpluralismus“. Aber diese Vielfalt gewichtet er nicht uneingeschränkt positiv. Gerade wegen dieser Vielfalt präsentiert sich die Umweltgeschichte für ihn auch als „prekäre Disziplin“ ohne eindeutiges Profil. Zur weiteren Standortbestimmung und zur Abgrenzung gegenüber Winiwarter/Knoll trägt Uekötters Leitmotiv bei, dass die Fragestellungen der Umweltgeschichte „unvermeidlich anthropozentrisch begründet“ sind. Das „biozentrische Paradigma“ erscheint ihm dagegen angesichts der Komplexität des Forschungsgegenstandes als wenig hilfreich, wenngleich er die „Eigenlogik“ der natürlichen Umwelt keinesfalls bestreitet. Eine Eigenlogik, die als Motor für die dialektische Spannung zwischen Naturbeherrschung und Naturabhängigkeit sorgt und, so Uekötter, den Reiz der umwelthistorischen Forschung ausmache.

Der weitere enzyklopädische Überblick ist chronologisch angelegt und zeichnet in aller Kürze, aber dennoch umfassend auf etwa 30 Seiten die umwelthistorischen Etappen vom 19. Jahrhundert bis in die jüngste Vergangenheit nach. In Anlehnung an den von Reinhart Koselleck eingeführten Terminus erkennt Uekötter in der Zeit des Kaiserreichs eine „umwelthistorische Sattelzeit“ mit der Ausformung „episodische[r] Problemlagen“ zu einer „chronischen Krisensituation“ um 1900. Das gleichzeitige Bemühen um die Eindämmung der Problemlagen rechtfertige den Begriff der „Sattelzeit“. Dass die industrialisierten Großstädte mit einer zielgerichteten und auf Technik und Wissenschaft gestützten Leistungsverwaltung dabei zu „Taktgeber[n] der Umweltpolitik“ in den Bereichen Wasser, Abwasser, Müllentsorgung, Grünflächenplanung etc. wurden, ist evident. Auch der Naturschutz organisiert sich in den Jahren um 1900. In Preußen bekommt er als „Naturdenkmalpflege“ seit 1906 ein staatliches Dach. Insgesamt schreibt Uekötter der Debatte über Umweltthemen im Kaiserreich eine Intensität zu, die bis weit in die 1950er-Jahre hinein unerreicht geblieben sei. Dabei ist es für ihn eine der „ungeklärten Fragen der deutschen Umweltgeschichte“, warum die vielen Einzelbestrebungen im Kaiserreich nicht zielorientiert gebündelt werden konnten.

Aber konnte die „chronische Krisensituation“ auch von den Zeitgenossen als solche immer erkannt werden? Abseits der großen Industriereviere zog das Leben wie ehedem seine „natürlichen“ Bahnen. Dafür, dass die Zeit für die Verschmelzung der Einzelphänomene zum allumfassenden Umweltthema noch lange nicht reif war, liefert Uekötter selber das beste Argument, wenn er etwa über die „gemäßigt[en] und unaufgeregt[en]“ Protestformen der 1950er-Jahre schreibt: Stets hätten konkrete Einzelprojekte und nicht allgemeine Problemlagen im Vordergrund gestanden, stets sei der Protest nach dem Ende des Konflikts wieder erlahmt. Warum hätte man von den Akteuren im Kaiserreich mehr Einsicht in den Gesamtzusammenhang erwarten sollen als von denen der 1950/60er-Jahre?

Die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus erkennt Uekötter als Phasen relativer Ruhe, wenngleich der ökologische Wandel in vielen Bereichen erst in dieser Zeit mit Macht eingesetzt habe. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft, mit Energie- und Emissionsproblemen sind nur einige der wichtigsten Themen benannt. Aber die Krisenzeiten nach dem Ersten Weltkrieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise und der politische Wandel im Nationalsozialismus dürften das „Umwelt“-Thema allemal verdrängt haben. Dabei hatte es in der historischen Forschung lange Zeit so ausgesehen, als könnte dem Nationalsozialismus eine besondere Affinität für die Natur und insbesondere den Naturschutz zugeschrieben werden. Aber die Sache scheint viel einfacher zu sein. Man müsse, so Uekötter, die private Jagdleidenschaft Hermann Görings in Rechnung stellen. Görings allgemeines Interesse am Naturschutz wie auch das Interesse des Nationalsozialismus insgesamt sei dagegen nur schwach ausgeprägt gewesen.

Für die frühe Zeit der Bundesrepublik Deutschland verweist Uekötter auf den Aufstieg der Konsumgesellschaft und den Verfall der Energiepreise, um plausibel zu erklären, warum das Thema „Umwelt“ in den 1950er-Jahren einen schweren Stand hatte. Erst weitere Entwicklungsschübe in der intensivierten Landwirtschaft, breit wahrgenommene Verschmutzungsszenarien bei Wasser und Luft hätten um 1970 eine Trendwende bewirkt, die auf der politischen Ebene mit der Genscherschen Umweltpolitik ihren „von oben“ initiierten Ausdruck gefunden habe. Atomkonflikt, ökologische Themen wie das „Waldsterben“ und die mit der Entstehung der „Grünen“ politische Antwort auf den nun als „Umweltkrise“ wahrgenommenen Problemzusammenhang sind die weiteren Wegmarken dieses Buches im Rahmen der Wende zum „ökologischen Zeitalter“.

Der chronologischen Gliederung des enzyklopädischen Überblicks stellt Uekötter in den „Grundprobleme[n] und Tendenzen der Forschung“ eine thematische Systematik gegenüber, die die in der Chronologie bereits benannten Themenfelder noch einmal einer genaueren Prüfung unterzieht und die er mit einer kurzen Einschätzung zu den Ursprüngen der Umweltbewegung, den Ansätzen der Institutionalisierung, zu Fachzeitschriften und umweltgeschichtlicher Basisliteratur einleitet. In einem zweiten Schritt widmet sich Uekötter den ideengeschichtlichen Zugängen, bevor er sich mit der Wald- und Forstgeschichte, mit Energie und Ressourcen, mit dem Thema Umweltverschmutzung und Stadthygiene, dem Naturschutz und seinen Wegbereitern, den Umweltbewegungen nach 1945, der Umweltgeschichte der Landwirtschaft, aber auch dem relativ jungen Themenfeld des Gefahren- und Risikopotentials von Natur auseinandersetzt. Ohne die einzelnen Bereiche hier im Detail vorstellen zu können, gelingt in jedem Kapitel ein umfassender Forschungsüberblick. Der besondere Vorzug des Textes ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass stets auch die Reibungsflächen unterschiedlicher Forschungsansätze herausgearbeitet und die Desiderate der Forschung benannt werden.

Abschließend und in Korrespondenz mit dem Auftakt des enzyklopädischen Überblicks stellt Uekötter noch einmal methodische Fragen und die „Einheit der Umweltgeschichte“ zur Diskussion. Mit der „enormen Dynamik“ erkennt er aber gleichzeitig den „amorphen Charakter“ des Forschungsfeldes in seiner thematischen und methodischen Heterogenität. Gleichwohl werde, so Uekötter, die Frage nach der „inneren Einheit der Umweltgeschichte nicht mehr „ganz so verbissen“ gestellt wie noch in der Frühzeit der Umweltgeschichte. Sollte vor allem die thematische und methodische Offenheit zu Markenzeichen und Fixpunkt der Disziplin geworden sein?

Einmal mehr stellt sich Uekötter auf die Seite derer, die – vermittelt über einen noch immer reichhaltigen Quellenfundus – den „Historikerblick“ auf die Disziplin präferieren. Versuche zur Verschmelzung sozial-kultureller und natürlich-ökologischer Konzepte zu einem „interagierenden Meta-System“ oder eine „biozentrische“ Umweltgeschichte sind seine Sache nicht. Was leistet eine so verstandene Umweltgeschichte? Uekötters Überlegungen gehen dahin, dass die Umweltgeschichte als „politisch aufklärende Geschichtswissenschaft“ dazu beitragen könnte, der Krise der Umweltbewegung entgegenzusteuern. Auf dem Weg zu einem eigenständigen Forschungsfeld könnte das Fach durch die „Politisierung“ neue Konturen gewinnen. Aber es geht ihm nicht nur um den Aufbau der Subdisziplin. Parallel zur Verfestigung umwelthistorischer Strukturen konstatiert er eine erfreuliche „Öffnung der allgemeinen Geschichtswissenschaft“ gegenüber umwelthistorischen Themen. Würden Politik-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie andere Subdisziplinen künftig tatsächlich ökologische Aspekte stärker als bisher in ihre Forschungen einbinden, würde dies dazu beitragen, die Umweltgeschichte im Kanon der Subdisziplinen fest zu etablieren.

Ein Thema – zwei einführende Bücher mit unterschiedlicher Stoßrichtung: Winiwarter/Knoll wollen nicht nur der Naturwahrnehmung des Menschen nachspüren, sondern über die geforderte interdisziplinäre Ausrichtung des Faches begeben sie sich auf die Suche nach den „harten“ und „objektiven“ Daten vergangener Lebensumstände. Dieser interdisziplinäre Brückenschlag findet bei Uekötter nicht statt. Es geht ihm nicht um die Quantifizierbarkeit gesellschaftlicher Stoff- und Energieströme. Sein grundlegendes Interesse an Umweltgeschichte wächst aus der Verarbeitung der dialektischen Spannung von Beherrschung der Natur und Abhängigkeit von der Natur. Während Winiwarter/Knoll es als originäre Aufgabe der Umweltgeschichte ansehen, die „Eigenlogik“ der Umwelt herauszuarbeiten, betrachtet Uekötter die auch von ihm anerkannte Eigenlogik aus der Distanz. Wenngleich er sie anerkennt, ist sie ihm kein Forschungsgegenstand im materiellen Sinne.

Vermutlich hätte man vor einer Dekade ausführlich über den Graben debattiert, der die beiden „Lager“ der Umweltgeschichte voneinander trennt. Heute scheint es so, als habe die Umweltgeschichte diesen Graben im positiven Sinne instrumentalisiert als unverzichtbaren Bestandteil des „produktiven Selbstfindungsprozesses“ der Umweltgeschichte.

Anmerkung:
1 Vgl. die Bewertung des Buches von McNeill, John R., Blue Planet. Die Geschichte der Umwelt im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main u.a. 2003 bei Verena Winiwarter und Martin Knoll, Umweltgeschichte, S. 66.

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