Konsum ist zu einem großen Thema in der Geschichtswissenschaft geworden. Dabei beziehen sich die meisten übergreifenden Arbeiten auf den Nationalstaat; international vergleichende Studien sind eher rar. Dies hängt mit der dominierenden nationalen Ausrichtung der jeweiligen Historiographien zusammen, aber auch mit den beträchtlichen konzeptionellen und empirischen Schwierigkeiten, welche systematische Vergleiche zu bewältigen haben.
Die bei Hartmut Kaelble an der Humboldt-Universität zu Berlin entstandene Dissertation untersucht Deutschland, Frankreich und Großbritannien – mit vergleichenden Blicken in die USA – in dem Vierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sich – nach gängiger Lesart – die moderne Konsumgesellschaft herausbildete. Der Titel impliziert, dass in diesem Zeitraum der Massenkonsum den Mangel ablöste; die Epochenscheide setzt Haustein etwa 1955 bis 1957 an. Allerdings bleiben die dieser Einordnung zugrunde liegenden Kategorien diffus. In der Einblicke in den Forschungsstand bietenden Einleitung wird zwischen Konsum und Konsumgesellschaft leider nur unzureichend unterschieden.
In einem ersten Großkapitel untersucht Sabine Haustein die Arbeits- und Freizeit sowie die Einkommen als wichtige Bedingungen des Konsums, in einem zweiten Ernährung, Wohnen, die Verbreitung langlebiger Konsumgüter sowie Freizeit und Urlaub – und zwar sowohl in der Stadt wie auf dem Land. Dabei fragt sie nach der Bedeutung der Schichtenzugehörigkeit, des Geschlechts und des Alters für den Konsum. Ihre Quellenbasis bilden die gedruckte Sekundär- und Primärliteratur, Statistiken sowie Aussagen der Umfrageforschung.
Als Ergebnis ihrer Untersuchung konstatiert Haustein nationale und soziale „Vereinheitlichungstendenzen“ – bei der Ernährung, den Wohnbedingungen und der Wohnungsausstattung sowie beim Auto- und Fernsehbesitz. Allerdings stellt sie in den drei untersuchten Ländern und in den sozialen Schichten auch unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten und Verlaufsmuster sowie zahlreiche feine Unterschiede fest, was sie als „Einheit in der Vielfalt“ interpretiert. Im Gegensatz hierzu sieht Haustein bei den Urlaubsreisen eher eine „Anhebung des Gesamtniveaus der Reisen“ bei fortbestehenden markanten sozialen Differenzen. Die Kategorie Geschlecht ist in erster Linie präsent in Ausführungen zur geringeren Freizeit der Frauen und deren spezifischen Freizeitbeschäftigungen; die Kategorie Alter wird nicht systematisch ausgearbeitet.
Der kursorische Vergleich mit den USA dokumentiert um 1970 zwar geschrumpfte, aber immer noch markante Unterschiede. Zusätzlich gewinnt man den Eindruck – Haustein zieht diese Schlussfolgerung nicht –, dass Großbritannien nach dem Krieg den Weg in die Konsumgesellschaft auf einem wesentlich höheren Niveau als Frankreich und Deutschland begann und deswegen zwischen den Vereinigten Staaten und den kontinentaleuropäischen Ländern angesiedelt werden könnte.
Hausteins Untersuchung enthält sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Elemente. Allerdings steht das Bemühen um eine sozialgeschichtliche Quantifizierung im Mittelpunkt; die Kulturgeschichte tritt nur in Gestalt einiger Miniaturen auf. Ein solch quantifizierender Ansatz stellt eine unumgängliche Basis für qualitative Vergleiche dar, bringt aber auch zahlreiche Probleme mit sich. Besonders im ersten Kapitel über Zeit und Geld hat sich Haustein den damit verbundenen Herausforderungen entzogen, indem sie quantitative Angaben aus den drei Ländern beziehungslos nebeneinander stellt und sich nicht einmal um eine Vergleichsbasis für die drei Währungen bemüht. Im Kapitel über die Konsummuster wird eine annähernde Vergleichbarkeit durch die prozentuale Aufschlüsselung der Haushaltsbudgets geschaffen. So findet sich in allen drei Ländern eine Verlagerung von den Ausgaben für Ernährung zu denen für Verkehr, Kommunikation und Freizeit.
Für Konsumhistoriker mag dies alles wenig überraschend sein. Im Detail erfährt man aber doch viel Interessantes, wie zum Beispiel, dass in den drei europäischen Ländern recht unterschiedliche Verbreitungsmuster von Kühlschrank und Waschmaschine vorherrschten. Für Frankreich stellt Haustein z.B. eine wesentlich größere soziale Spreizung der Einkommen und der Konsummuster sowie höhere Lebenshaltungskosten, eine weitere Verbreitung des Kochens mit Gas sowie der Individualreisen fest. Allerdings bietet die durchweg mehr deskriptiv als explanativ angelegte Arbeit kaum thesenhafte Erklärungen solcher nationalen Spezifika.
Das überaus anspruchsvolle Programm der Arbeit kann die beträchtlichen Schwächen der Durchführung nur teilweise entschuldigen. Die Untersuchung leidet an einer wenig stringenten Gliederung: So ist im Abschnitt „Arbeit, Geld und Zeit“ von „Geld“ gar keine Rede; es taucht später unter „Einkommen“ auf. Arbeitszeit und Freizeit werden, den engen systemischen Zusammenhang missachtend, getrennt behandelt. Kein Wunder, dass es zu nicht gerade wenigen Wiederholungen kommt. Die Bezugsgrößen der angeführten Zahlen sind manchmal unklar: Beziehen sich Angaben zur Frauenerwerbsquote auf alle Frauen oder nur auf die Verheirateten (S. 31f.)? Handelt es sich um Nominal- oder Realeinkommen (S. 40ff.), um den Besitz oder den Kauf von Geräten (S. 106)? Über welche Zeit wird eigentlich referiert (S. 42)? Es tauchen explizite Widersprüche auf, wie bei den Angaben zu den Auslandsreisen der Deutschen (S. 187). Nur auf einer sehr hohen Generalisierungsebene kann man die Arbeit als Vergleich gelten lassen. Für anzustrebende detailliertere vergleichende Untersuchungen stellt sie jedoch eine nützliche Sammlung recht heterogenen Materials bereit.