Das Deutsche Historische Institut in Rom hat eine neue Publikationsreihe begründet, die sich laut Vorwort an ein breiteres, historisch interessiertes Publikum in Italien wendet. Angesichts des nun erschienenen ersten Bandes kommt man nicht umhin, den Italienern zu ihrem offenbar kompromisslosen Erkenntniswillen zu gratulieren: Die Monografie von Barbara Bombi ist vor allem die kritische Edition des lateinischen Registers des Kurienprokurators Andreas Sapiti, eingeleitet durch einen Überblick über sein Leben und sein Wirken an der päpstlichen Kurie von Avignon. Den Fachhistoriker freut es freilich, dass diese hochinteressante Sammlung von Urkunden nun endlich zugänglich ist. Die Aufzeichnungen des Florentiner Notars verschaffen einen Eindruck von den vielfältigen Aufgaben ihres Verfassers am päpstlichen Hof, der als Prokurator der Könige von England auch als Vertreter bei der Supplikenimpetration an der Kurie gewirkt hat.
Die Monografie besteht also aus zwei Teilen, einer fachlichen Einleitung (S. 15-72) und der Edition des Registers (S. 73-362). Das erste Kapitel der Einleitung (S. 15-48) behandelt die Vita des Andreas Sapiti, schwerpunktmäßig sein Wirken an der Kurie zwischen 1309 und 1327 und in der Regierungszeit Edwards III., 1327 bis 1338. Bombi lässt die Geschichte des Prokurators in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Florenz mit der Notarsfamilie Sapiti beginnen. Es folgen in geradezu annalistischer Weise die Aktivitäten Andreas Sapitis zwischen England und Avignon, wobei in der Vielzahl der involvierten Personen der prosopografische Kontext spürbar wird, in dem Sapiti sich bewegte. Bombi thematisiert auch seine Präsenz auf dem kurialen Pfründenmarkt und weist auf die zeitliche Interdependenz zwischen seiner Tätigkeit an der Kurie und seinem Auftreten in den päpstlichen Registern hin. Mit dem Ende der „internationalen“ Karriere der Familie Sapiti im Jahre 1350 beendet Bombi ihre Schilderung.
Das zweite Kapitel der Einleitung (S. 49-67) widmet sich dem Manuskript und seiner Entstehung: Das Register besteht aus zwei inhaltlich heterogenen Teilen, wobei der erste diverse Texte aus der praktischen Arbeit des Prokurators an der Kurie bietet, der zweite, umfangreichere Teil vor allem Suppliken enthält, die durch Sapiti impetriert worden sind. Die Autorin beschreibt kursorisch den Inhalt des Registers und ordnet ihre Arbeit kurz in die Forschung zu den Prokuratoren an der päpstlichen Kurie ein. Eine Diskussion ihrer Beobachtungen, etwa hinsichtlich der Kurienanwesenheit der Impetranten im Pontifikat Johannes’ XXII., findet nicht statt. Die Aufgaben Sapitis unterteilt sie nach den Tätigkeitsfeldern in der Kanzlei, der Kammer, der Pönitentiarie und an den kurialen Gerichten. Auch der letzte Punkt dieses Abschnittes, Il registro e gli interessi della famiglia Sapiti, regt die Beschäftigung mit dem Urkundenmaterial eher an, als sich selbst darauf einzulassen. Vor allem die Chance der Kontextualisierung der hier überlieferten Suppliken anhand der päpstlichen Registerüberlieferung wird nicht genutzt. Das folgende Kapitel (S. 69-72) widmet sich der Geschichte und der Beschreibung des Manuskripts und enthält – äußerst knappe – „Note all’Edizione“.
Während Andreas Sapiti in den zweiten Teil seines Registers vor allem Suppliken aufgenommen hat, deren Erfolg bzw. Misserfolg er am Rand notierte, enthält der erste Teil auch solche Texte, welche die Arbeit eines Prokurators erleichtern, etwa das Provinziale. Daneben stehen zahlreiche politische Schreiben, die z.B. Verhandlungen um die Wiederherstellung des Friedens in Irland betreffen.
Der erste Teil des Registers (S. 75-221) beginnt denn auch mit einer Kardinalsliste, deren Edition durch Bombi einem hohen Anspruch zu folgen scheint: Zwei im Manuskript unleserliche Buchstaben im Namen ‚Anibaldus’ werden ebenso deutlich gemacht, wie die fehlenden Kasusendungen etwa in Sabinen(sis) stets durch Klammern penibel nachgewiesen werden. Freilich kapriziert sich diese Sorgfalt gerade auf das weniger Wichtige, wenn dann z.B. die Verschreibung des Namens von Kardinal Elias Talayrandus zu dominus Gaylerandus unkommentiert bleibt. Ebenso würde es interessieren, ob der Kardinal dominus Beltrandus tituli Sanctorum Coronatorum in der Handschrift tatsächlich einen Teil seines Titels – quattuor – eingebüßt hat, oder ob dieser Fehler der Editorin bei der Abschrift unterlaufen ist. Dass dieser nämlich durchaus nicht immer zu trauen ist, zeigt nicht zuletzt das Schicksal des Kardinals Napoleone Orsini, der sich in der Anmerkung in seinen Verwandten, Kardinal Francesco Napoleone Orsini, verwandelt sieht (S. 75f.).
Im zweiten Stück, einem Prokuratorium, setzen sich die Unklarheiten fort, bei denen nicht deutlich ist, wo die Ursache der Fehler liegt. Steht im Manuskript wirklich legiptimos und iusrisdictionis? Ist der fehlende Akkusativ in der Prokuratorienformel einer anderen Urkunde ratum atque firmum nos perpetuo habituros promittimus, quicquid per dictos procuratores nostros et quemlibet eorum ac substituendum vel substituendos ab eis et quelibet (!) eorum actum, gestum et procuratum fuerit (S. 86) nicht doch eine Nachlässigkeit der modernen Bearbeiterin? An anderer Stelle, im Text ‚De potencioribus mundi Christianorum’ erfolgt dann die Sukzession der Kaiser von Konstantinopel filius a parte (!), Könige werden eingefügt (iniungi) statt gesalbt (inungi, S. 185). Ärgerlich sind die Unsicherheiten der Editorin bei der Zeichensetzung, etwa bei der Wiedergabe des Merkverses über die Zuordnung der Hofämter zu den deutschen Königswählern, wo sinnfreie Kommasetzung das Verständnis erschwert.1 Andere Fehlzuschreibungen wirken nachlässig, wenn etwa die englische Diözese Wintoniensis mit Worcester (Wigorniensis) statt Winchester übersetzt wird (S. 303).
Dazu kommen Fehler auch im Fachlichen, z.B. bei der ratificatio einer päpstlichen Provision durch König Edward III.2 Zunächst gelingt es Bombi nicht, die zugrunde liegende Provision Johannes’ XXII. in der Registeredition der École française aufzuspüren, da sie wohl an der korrekten Auflösung des Datums scheitert. Weiter wird in Bombis Regest eine „preb[enda] de Egglescliffe“ erfunden, bei der es sich nicht nur ausweislich des edierten Instruments um eine Pfarrkirche (ecclesia de Eggescliff) handelt. Sodann sieht die Editorin in einer späteren Kollation dieser Stelle durch Benedikt XII. eine confirmatio („tale prov[visione] regia fu confermata“). Tatsächlich handelt es sich bei der entsprechenden Urkunde um ein Provisionsreskript mit executoria zur nachträglichen Kollation der Pfarrkirche, die, gleichwohl päpstlicher Kollatur unterliegend, de facto bereits in partibus vergeben worden war.3 Überhaupt, die Reskripte: Obwohl Bombi einige Titel der einschlägigen Literatur im Literaturverzeichnis nennt, bezeichnet sie jedes päpstliche Provisionsreskript, jede Indulgenz, uneingeschränkt jede Urkunde, welche an der Kurie nach Impetration durch Andreas Sapiti expediert worden ist, als „Littera executoria“. Dieser Terminus bezeichnet freilich allein die Ausfertigung des päpstlichen Reskriptes an die Exekutoren als Ausführende z.B. eines Provisionsmandats.
An die Edition des Textes schließen sich die – ebenfalls nicht fehlerfreie – Bibliografie (S. 369-381) sowie je ein Register der Orte und der Personen (S. 385-394; 395-409) an, außerdem als besonderes Kuriosum ein „Indice delle citazioni giuridiche“ (S. 410), der zwar mitteilt, dass etwa das „Decretum“ [sc. Gratiani] zitiert wird, aber die allegierte Stelle nicht nennt. Auch die übrigen Register folgen eigenen Gesetzen. Bombi scheut die Vereinheitlichung der Namen, bietet demgegenüber ein Durcheinander von lateinischen, englischen, französischen und italienischen Versionen, abhängig davon, ob die entsprechende Person in der Einleitung, den lateinischen Texten oder den Anmerkungen auftritt. Der Kardinal Pierre de Chappes, lateinisch Petrus de Capis will als „Pietro de Capis“ gefunden sein. Dazu kommen viele Fehler. Arnaldus de Pellagrua schreibt sich im Register „de Pallagrua“. Pierre des Près, auf Latein Petrus de Pratis, mutiert zu „Petrus de Patris“. Ein gewisser „Giorgio ad Velum aureum“ hat ein eigenes Lemma. Besonders kurios der Eintrag „Giacomo Caietani Stefaneschi, card. di S. Iacobus Novelli (Albensis) (!), O Cist. card. S. Prisca“, nachzuschlagen unter „Benedetto XII, papa“. Die Nutzbarkeit der Edition wird zudem durch den Verzicht auf das dringend notwendige Sachverzeichnis beeinträchtigt, das mangels eines detaillierten Inhaltsverzeichnisses die sachorientierte Navigation in den 150 Urkunden überhaupt erst ermöglicht hätte.
So erfreulich es ist, dass das Prokuratorenregister überhaupt ediert wurde, so bedrückend ist das Ergebnis. Es bleibt zu hoffen, dass die folgenden Bände der neuen Reihe des DHI seitens der Herausgeber mehr redaktionelle und wissenschaftliche Sorgfalt erfahren als die Monografie von Barbara Bombi.
Anmerkungen:
1 S. 185: [...] palatinus, (!) dapifer, dux, (!) portitorensis (!), marchio, (!) prepositus camere, pincerna, (!) boemus; hii faciunt dominum cunctis per secula mundi. Unsinnig häufig auch die Satztrennung durch Punkt und Großschreibung im Notarsinstrument, etwa S. 206f., Nr. XLVII.
2 S. 202f., Nr. XLIII. Die Provision ist auf den 21., nicht auf den 20. Februar 1332 zu datieren. Vgl. Mollat, G., Jean XXII, Lettres communes, Bd. 11, Paris 1929, Nr. 56495.
3 Vidal, J.-M., Benoît XII, Lettres communes, Bd. 2, Paris 1904, Nr. 5380. Die Datierung auf den 27. April 1338 beruht vermutlich auf einen Lesefehler Bombis. Die Supplik wurde tatsächlich am 7. Mai (non maii) 1338 bewilligt.