G. Hajós (Hrsg.): Stadtparks in der österreichischen Monarchie 1765-1918

Titel
Stadtparks in der österreichischen Monarchie 1765-1918. Studien zur bürgerlichen Entwicklung des urbanen Grüns in Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Krakau aus europäischer Perspektive


Herausgeber
Hajós, Géza
Erschienen
Anzahl Seiten
230 S.
Preis
€ 39,-
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jovica Lukovic, Osteuropainstitut, Freie Universität Berlin

Dass man die Geschichte einer Stadt, ja eines Reichs aus der Perspektive der Entwicklung ihres „urbanen Grüns“ darstellen kann – dieser Ansatz macht neugierig auf den vorliegenden Band. Zwar bieten Gärten, wie jedes andere Artefakt, Interpretationsflächen für politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge („Gärten“ schließt im Folgenden auch Parks ein, da die Unterscheidung zwischen diesen zwei Formen nicht immer eindeutig ist). Tatsache ist aber, dass die an sich reiche und wechselvolle Gartengeschichte ein Mauerblümchendasein fristet wie kaum ein anderes Thema der Geschichtswissenschaft; so ist etwa dem ähnlich gelagerten Bereich der Architektur ein glücklicheres Los beschieden.

Dabei sei nur an das kulturhistorische Potenzial des hortus conclusus erinnert, an seine ursprünglich einheitliche Funktion als Sicherheits-, Wohn-, Wirtschafts- und Ruhestätte; dieser umfriedete Ort kultivierter Natur zählt zu den ersten kulturellen Leistungen des Menschen überhaupt. Nachdem sich der (christliche) Mensch mit dem Garten Eden einen hortus voluptatis ersann – als den sinngebenden Kontrapunkt zur irdischen Mühsal –, erfreut sich die Gartenemblematik einer prononcierten Stellung im Symbolhaushalt eines ganzen Kulturkreises.

Wahr ist, dass die vorwärts drängende Moderne die Quellen mythischer Kraft eher bei „urigen“ Topoi, bei Bergen oder Flüssen fand. Von einer kultivierten Oase war in der Zeit der nationalen Mobilisierung keine symbolische Aufladung kollektiver Energien zu erwarten. Kein Garten hat es in die Walhalla der Erinnerungsorte geschafft – abgesehen vom armen Verwandten, dem Schrebergarten. Und dennoch: Hat man das Habsburger Reich nicht als einen Garten beschrieben? Diente nicht gerade der Garten als idealer Ort, um vor den Nachwirkungen der politischen Erschütterungen zu flüchten, wie im „Nachsommer“ Adalbert Stifters? War es nicht die gleiche Metapher, mit der man sich gegen Ende der Monarchie über das „Wert-Vakuum“ hinwegzuhelfen suchte und mit der wahlweise die „fröhliche Apokalypse“ oder der „Habsburgische Mythos“ gefeiert wurden? Es deutet vieles darauf hin, dass der Garten zur Habsburger Spielart der „machtgeschützten Innerlichkeit“ eines etablierten, aber zutiefst verunsicherten Bürgertums avancierte.

Dem Garten kommt im bürgerlichen Zeitalter eine viel größere Rolle zu, als gewöhnlich angenommen: Gartenarbeit ist bis heute die am meisten verbreitete Beschäftigung der Menschen; die Rolle des Gartens geht über die eines intellektuellen Bildes weit hinaus. Géza Hajós, ein profunder Kenner der österreichischen Gartengeschichte, hat in diesem Band Beiträge gesammelt, die gerade die Verbindung der Gartengeschichte mit der „bürgerlichen Entwicklung“ herzustellen versprechen. Die andere Deutungsklammer ist die Einbettung dieser Prozesse in den europäischen Kontext.

Die periodische Gliederung der Beiträge folgt dem üblichen Schema der politischen Geschichte des Habsburger Reiches. So wird im ersten Beitrag, von Hajós selbst beigesteuert, der Zeitraum von 1765 bis zum „Ausgleich“ 1867 abgesteckt. In den Vordergrund der Darstellung tritt ein breites Panorama der europäischen Gartengeschichte, die man hier hauptsächlich als Geschichte der Gartenstile verstehen muss. Im Zentrum steht die Konkurrenz zwischen dem geometrisch strukturierten barocken Schlossgarten des sogenannten französischen Typus und dem englischen Landschaftsgarten, der sich primär dem genius loci verpflichtet sah. Diese Konkurrenz wurde zugleich als Stellvertreterkrieg zweier Regierungsformen, politischer Systeme, ja Weltanschauungen ausgetragen: Hier die Vollkommenheit der absolutistischen Herrschaft – auch der Garten zählte zum zweiten Körper des Sonnenkönigs, konnte aber seine Geltung ins republikanische Zeitalter hinüberretten –, dort die Unregelmäßigkeit der Formen als Ausdruck der freiwuchernden Dynamik einer Gesellschaft ohne Standesschranken. Der englische Landschaftsarchitekt Humphry Repton (1752 – 1818) zählte neben dem Parlamentarismus die Gartenkunst zu den wichtigsten Exportartikeln seines Landes.

Dass in Wien der Prater (1766) und der Augarten (1775) vom Kaiser „allen Menschen“ übergeben und innerhalb der Stadtmauern der Volks- und der Burggarten für die Öffentlichkeit – gemeint waren die sogenannten „gesitteten Stände“ – schrittweise geöffnet wurden, weist auf den politischen Hintergrund der Gartenentwicklung hin. Die Gestaltung des öffentlichen Grüns unterlag stets aristokratischer Kontrolle; sie beschränkte sich hauptsächlich auf embellissements der vorhandenen Grünflächen, europäische Trends setzten sich nur langsam durch. Die Gartennutzung war einem strengen Reglement unterworfen, wobei vor allem der gesellschaftlichen Etikette die Rechnung getragen hätte müssen. Die Verwaltung der Wiener Gärten fiel in Zuständigkeit der städtischen „Policey“.

Das Wiener Bürgertum war in Gestalt des Landschaftsgärtners zwar in die Gartenpolitik der Monarchie involviert, seine Vorstellungen konnten aber nur bedingt verwirklicht werden. Die Rolle des Bürgertums beschränkte sich hauptsächlich auf die der Nutznießer der städtischen Promeniermeilen. Die europäische Tendenz zum Volksgarten im Sinne eines Pariser jardin plaisir oder des Londoner Vauxhall konnte in Wien nicht Wirklichkeit werden – der Prater blieb lange eine Ausnahme. Diese Diskrepanz sowie die Tatsache, dass in Wien die europäischen Entwicklungen zwar aufmerksam verfolgt und zeitgemäße Abhandlungen verfasst wurden, sich aber keine Diskussion entfalten konnte, lässt Hajós’ Konzept der Einbettung in den europäischen Kontext ins Leere laufen.

Folgt man Hajós weiter, so blieb Wien überdies im Habsburger Reich eine Insel für sich. Den Städten in der Provinz wird eine nachgeordnete Bedeutung beigemessen. Hajós’ Beitrag aber lassen sich mannigfaltige Initiativen der lokalen Honoratioren entnehmen, die in sogenannten „Verschönerungsvereinen“ organisiert waren; dies, sowie die stimulierende Auswirkung der Napoleonischen Eroberungen auf die Entwicklung des urbanen Grüns in einigen Provinzstädten wird nicht weiter thematisiert. Dabei scheinen manche von ihnen, gemessen an ihrer Gartenkultur, der Metropole weit voraus gewesen zu sein. Wenn Hajós’ Urteil stimmen sollte, dass in Österreich die Entwicklung des urbanen Grüns zwischen Wien und dem Landesinneren parallel verlief (S. 78), dann kann das zweierlei bedeuten: Von der Metropole ging keine Strahlkraft auf die Provinz aus – oder im Umkehrschluss: in der Provinz herrschte ein hoher Grad an bürgerlicher kommunaler Autonomie; den Nachweis dafür bleibt Hajós allerdings schuldig.

Eine neue Etappe in der Entwicklung des urbanen Grüns zeichnete sich mit der einsetzenden Industrialisierung und dem Bevölkerungswachstum in der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. Die Aufgabe bestand nun darin, die sanitär-hygienischen Erfordernisse der schnell wachsenden Städte den gesundheitlichen und Freizeitbedürfnissen der breiten Bevölkerungsschichten anzupassen. Unter dem Druck der sozialen Verhältnisse entstand, so Cordula Loidl-Reisch in ihrem Beitrag über die Entwicklung in Österreich nach dem „Ausgleich“ 1867, eine Vielfalt neuer Formen von urbanen Grünflächen: von den städtischen und großen Landschaftsgärten, über die Cottagebewegung bis hin zu kleinen städtischen Squares, die zu den sogenannten Proletariergärten zu zählen sind, Kirchplätzen und sogar zu einem Kinderpark.

Loidl-Reisch macht uns in knappen biographischen Skizzen mit den maßgeblichen Landschaftsgärtnern der Zeit bekannt. Auch die wichtigsten Gartengesellschaften und Comités werden aufgelistet; auf deren Mitgliedschaftsstruktur, wirtschaftliche Potenz, reale Einflussmöglichkeiten, kulturellen Anspruch wird aber nicht näher eingegangen. Hingegen genießt der repräsentative Aspekt das absolute Deutungsprimat, wie der Abschnitt über den Aufbau der Ringstraße zeigt. Auf dem ehemaligen Glacis suchte das Bürgertum durch neue Gartenanlagen, aber vor allem durch repräsentative Bauten an die ästhetischen Ansprüche der Aristokratie heranzukommen. Dies mobilisierte zwar große Mittel und Energie; dass dabei aber der Aufbau der Wiener Infrastruktur um die Jahrhundertwende ausgeblendet wird, verzerrt das Bild über die Wiener Entwicklungen. Denn dieser erneute Aufbruch unter dem umstrittenen Bürgermeister Karl Lueger deutet auf die zeittypische Praxis des Munizipalsozialismus hin.

Zur gleichen Zeit wurden die städtischen Grünanlagen zunehmend zu Orten, an denen das Bürgertum sein wachsendes Nationalbewusstsein demonstrierte. Nicht dass etwa ein österreichischer Gartenstil entstanden wäre – vielmehr wurden die Gärten zu mit Denkmälern geschmückten Hainen. József Sisa zeigt in seinem Beitrag über städtische Parkanlagen in Ungarn seit dem „Ausgleich“, wie in Budapester Parks auf diese Weise nationale Identität potenziert wurde. Analog dazu hätte man gerne von Loidl-Reisch erfahren, warum in der österreichischen Provinz Grünanlagen nach Friedrich Schiller benannt wurden. Zudem macht die Mode, Kaiserin Elisabeth Denkmäler zu errichten, auf die Spannung zwischen dem nationalen Partikularismus und dem dynastischen Staatspatriotismus des Bürgertums aufmerksam. Dass das emanzipatorische ungarische Nationalbewusstsein, wenn es um andere Nationalitäten ging, leicht in eine aktive Magyarisierungspolitik umschlug, ließe sich an den Parks und Gärten von Temesvar und Klausenburg ablesen. Sisa weist aber noch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin: Die Gärten wurden auch als Mittel zur sozialen Abgrenzung genutzt. Durch die gezielte funktionale Konzipierung der Gartenanlagen oder ihre Ausstattung mit bestimmten Zweckbauten versuchte man in Budapest ihre Nutzung schichtenspezifisch zu steuern – vom bürgerlichen Városliget (Stadtwäldchen) zum Népliget (Volkspark) für die breiten Schichten –, was allerdings ohne Erfolg blieb, wie Sisa hinzufügt.
Zwei weitere Beiträge beziehen sich auf Kroatien und Slowenien als Teile der Monarchie (wobei sie genau genommen weder in den hier behandelten Grenzen noch unter diesen Namen existierten). Hier erleben wir eine tour de force durch Stadtparks, Kurorte und Promenaden des westlichen Balkans nach dem Muster der Inventur eines ausgeschütteten Zettel- und auch Postkartenkastens, die jeglichen interpretatorischen Ansatz vermissen lässt.
Dass Länder wie Böhmen und Mähren fehlen und von allen Städten der Monarchie nur Krakau ein eigenes, hier letztes, Kapitel gewidmet ist, bringt die Architektur des gesamten Bandes in eine Schieflage. Vor allem aber erweist sich das an politische Ereignisse angelehnte Zeitraster als wenig hilfreich. Die Beiträge lassen sich unter dem Titel des Bandes nur um den Preis einer ausgeprägten Redundanz subsumieren: Da die Entwicklungen in der Gartengeschichte an politischen Wendepunkten kaum Halt oder kehrt machten, müssen die Autoren über die Grenze der behandelten Perioden hinausgreifen, so dass der Leser die Bekanntschaft etlicher Gärten mehrfach machen darf.

Den Versuch einer genuinen Gartengeschichte hat der Herausgeber letztendlich nicht gewagt: Den Ausgangspunkt markiert die Krönung von Joseph II. im Jahr 1765, nicht die Einrichtung des Praters ein Jahr später. Die zeitliche Abfolge der Entstehung einzelner Grünanlagen ersetzt nicht die Dynamik der Verwurzelung von Grün im städtischen Raum. Zugleich ist die Geschichte eines Gartens nicht mit seiner Planung und Errichtung abgeschlossen; dazu gehört auch die Instandhaltung: So wurden die einst urwüchsigen Donauauen des Wiener Praters, wie sie Stifter noch erlebt hatte, im Jahr der Weltausstellung 1873 als „die Lüneburger Heide in baumwollenen Handschuhen und mit einer Petersilie im Knopfloch“ bemitleidet. Zur Geschichte eines Gartens gehört auch seine Akzeptanz durch das Publikum. Der Trubel im Prater war nach der Märzrevolution abgeflaut, um gegen Ende des Jahrhunderts wieder in diesen „symbolischsten Garten von Wien“ zurückzukehren. Gerade der Blick auf Menschen hätte die Chance sein können, das reiche und wertvolle Postkartenmaterial – auch hier hat man mit dem oft beschriebenen Sujet „Sonntags im Park“ zu tun – einer kulturhistorischen Analyse der Rezeption des urbanen Grüns zu unterziehen. Stattdessen ist dem Band den Hang zur Monumentalisierung der Gärten zu verspüren, die das Potenzial einer Gartengeschichte nur erahnen lässt.

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