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Titel
Krieg. Vergleichende Perspektiven aus Kunst, Musik und Geschichte


Herausgeber
Arendes, Cord; Peltzer, Jörg
Reihe
Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 17
Erschienen
Anzahl Seiten
222 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nina Gorgus, Frankfurt am Main

„Krieg“ war das Thema einer Vortragsreihe 2006/2007 des Zentrums für Europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften (ZEGK)1 an der Universität Heidelberg. Sie hatte zum einen das Ziel, „die Kooperationspotentiale der beteiligten Fächer [...] zu stärken.“ (S. 7) Deswegen lag der Akzent auf Kunst, Musik und Geschichte gleichermaßen, um die sechs zusammengeschlossenen Institute zu repräsentieren. Zum zweiten sollten die öffentlichen Vorträge den Dialog mit der Heidelberger Bevölkerung fortsetzen, um „Wissenschaft fernab des Elfenbeinturms in das Alltagsgeschehen zu integrieren“ (S. 7). Die Vorträge liegen nun in einem Band vor, ergänzt um zwei weitere Beiträge. Krieg ist ein weites Feld, und das spiegelt auch der breite Ansatz des Bandes wider. Die Beiträge reichen von der „kriegerischen Spielkultur im Mittelalter“ (Andrea Briechle/Uli Steiger) über musikalische Schlachtengemälde (Joachim Steinheuer) bis hin zur Analyse des Werks „Feier der Atombombenexplosion“ des chinesischen Künstlers Wu Hufan (Clarissa von Spee). Die vergleichende Perspektive ist Programm, auch wenn manches, was vergleicht wird, auf den ersten Blick sehr weit voneinander entfernt zu liegen scheint. So vergleichen etwa Carla Meyer und Frank Grüner Lyrik des 15. Jahrhunderts aus Nürnberg mit Lyrik aus dem Wilnaer Ghetto zwischen 1941 und 1943. Die beiden Autoren können „überraschende Analogien“ (S. 112) der beiden Textkorpora feststellen, die sich auf die soziale und politische Bedeutung solcher Art von Texten zurückführen lassen. Aus der Fülle der Beiträge werden drei im folgenden näher vorgestellt.

Die beiden Herausgeber, Cord Arendes und Jörg Peltzer, beschäftigen sich mit „Erinnern von Schlachten“. Ihnen geht es darum, an Beispielen von zwei Schlachten, die Schlacht von Seckenheim 1462 und die Schlacht von Sedan 1870, die Konstruktion der Erinnerung und die Wahrnehmung von Gewalt zu beschreiben. Wer erinnert woran und wie? In Seckenheim in der Pfalz, wo im Rahmen der Streitigkeiten um den Erzbischofstuhl in Mainz der Höhepunkt des militärischen Konfliktes ausgetragen wurde, konnte der Sieger langfristig politischen Vorteil aus der Schlacht ziehen. Kurfürst Friedrich war an der Konstruktion der Erinnerung an die Schlacht beteiligt, da er zahlreiche Formen der Memoria wie Denkmal und Dichtung in Auftrag gab. Auf diese Weise konnte er seine Position festigen, der „Sieg war ein unmissverständliches Zeichen für die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft“ (S. 78). Auch wenn in der Schlacht viele Menschen getötet und die Felder verwüstet wurden, hat bei der Konstruktion der Erinnerung die Wertschätzung des Ritters einen großen Anteil, so dass diese Form von Gewalt eine „positive Codierung“ (S. 70) erfährt. Im Kontrast dazu wird Gewalt, die Zivilisten und nicht legitimierte Kämpfer ausüben, als ungerecht erfahren. Zunächst fallen aber entsprechende Berichte kaum ins Gewicht. Erst jüngere Chroniken berichten differenzierter über die negativen Folgen für die Zivilbevölkerung. Über vierhundert Jahre später, wird die deutsch-französische Schlacht von Sedan 1870 von beiden Seiten ideologisch besetzt. Die Schlacht markierte einen Wechsel hin zu einer neuen Kriegsführung und „deutet aber schon die kommenden Veränderungen – auch in Quantität und Qualität von Gewalt und den Formen ihrer Erinnerung – zumindest in Grundzügen an“ (S. 60). Sedan gilt als „letzter europäischer Kabinettskrieg“ (S. 65) an dem zum ersten Mal die Zivilgesellschaft beteiligt war, als Opfer wie als Akteur. Die Schlacht veränderte die Einstellung zum Krieg entscheidend, hin zu einem Krieg der Nationen. Deutschland konnte in diesem „Krieg medial als Nation geschaffen werden“ (S. 79) und der deutsche Staat konnte aus dem Schlachtfeld entstehen. Visuell vermittelt wurde die Gewalt mit Hilfe der Medien Fotografie, Panorama und Kino. Trauer und Sieg sind die Thematiken, die in der Folge auf den Kriegsdenkmälern diesseits und jenseits des Rheins zu finden waren und eine „Demokratisierung der Erinnerung“ (S. 80) zur Folge hatte. In den deutschen Staaten überlagerte die Erinnerung an den Krieg „den Aspekt der Gewalt“ (S. 81).

Um die Heldenverehrung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert geht es im Beitrag „Krieg und Heldentum in den USA“ von Simon Wendt. Dafür wertete der Autor unter anderem die Berichterstattung amerikanischer Zeitungen aus. Mit vielen Beispielen beschreibt Wendt, wie der Held des amerikanischen Bürgerkriegs zwischen 1861 und 1865 idealer Weise beschaffen sein musste: weiß, bescheiden und eher von niederem militärischen Rang. Denn auch hier war wie in Europa eine „Demokratisierung des militärischen Heldentums“ (S. 119) zu beobachten. Vor allem Frauenorganisationen sorgten nach der Beendigung des Kriegs für eine institutionalisierte Erinnerung in Form von Denkmälern und Gedenkveranstaltungen. Der Bürgerkrieg konnte auf diese Weise zu einem Symbol der Einheit zwischen Nord und Süd werden (S. 119), die Niederlage der Südstaaten in eine gemeinsame Geschichte umgedeutet werden. Wendt zeigt auch die Rolle der Medien am Beispiel des amerikanisch-spanischen Konflikts 1898 auf. So wurde Leutnant Hobson von den Medien landesweit zuerst als Held gefeiert, obwohl seine militärische Aktion eigentlich nicht von Erfolg gekrönt gewesen war. Auf Druck der Medien beförderte der amerikanischen Präsident Hobson. Nachdem dieser verkündet hatte, er wolle „jede Frau Amerikas zu küssen“ (S. 128) wendete sich die Gunst der Medien allerdings und sie starteten eine Diffamierungskampagne gegen den vermeintlichen Held. Hobson machte dennoch politische Karriere; sein Fall ist somit auch ein Beispiel für die Entwicklung von „celebrity journalism“ (S. 130).

Die damals noch junge Filmtechnik spielte im Ersten Weltkrieg bereits eine große Rolle. Brigitte Flickinger beschreibt in „Krieg und Kino“, welche Rolle das Medium Film im „ersten mediatisierten Krieg der Geschichte“ (S. 188), also im Ersten Weltkrieg spielte. In Deutschland sollte „das Massenmedium Film das Ansehen des Kaisers und damit seine Rolle als nationale Integrationsgestalt retten“ (S. 188), als die Verluste immer größer wurden. Denn Kino diente sowohl als Ablenkung von den Schrecken des Krieges, als auch als Ort der politischen Propaganda. Dies geschah natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA oder in der Sowjetunion. In dieser Zeit liegt die Liaison von Kino und Krieg, die im Zweiten Weltkrieg nochmals perfektioniert werden sollte, begründet. Flickinger untersucht die Formen der Wahrnehmung, die mit Hilfe von „Montage, Kontrastierung und Hypertrophie“ (S. 193) erzeugt werden sollen und beschreibt diese anhand deutscher und russischer Filmbeispiele. „Die Wahrnehmung“, so Flickinger, „funktioniert umso effizienter, je enger und geschickter das Filmbeispiel mit der Realität verknüpft wird“ (S. 197). Darüber hinaus steht zeitliche Nähe eines Filmberichts für Authentizität: Dieses Prinzip lässt sich auch auf die Gegenwart übertragen, als der Golfkrieg von 1991 als „Krieg in Echtzeit“ (Paul Virilio) im Fernsehen inszeniert wurde und die „kritische Distanz“ (S. 198) des Betrachtenden sich auflöst.

Zusammengefasst bietet der Sammelband interessante und lehrreiche Einblicke in das komplexe Thema Krieg. Innovativ ist die vergleichende Perspektive, die zuweilen überraschende Ergebnisse hervorbringt. Sicherlich findet man nicht immer alle Aspekte gleichermaßen interessant; der Vorteil von Sammelbänden ist aber auch, dass man dazu eingeladen wird, sich einmal mit anderen Problematiken zu beschäftigen.

Anmerkung:
1Vgl. <http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten
/philosophie/zegk/index.html>.

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