S. Eminger u.a. (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert

Eminger, Stefan; Langthaler, Ernst (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 1: Politik. Wien 2008 : Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-78197-4 XI, 820 S. € 39,00

Eminger, Stefan; Langthaler, Ernst; Melichar, Peter (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 2: Wirtschaft. Wien 2008 : Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-78246-9 XII, 855 S. € 39,00

Eminger, Stefan; Kühschelm, Oliver; Langthaler, Ernst (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band 3: Kultur. Wien 2008 : Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-78247-6 X, 659 S. € 39,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Helmut Alexander, Institut für Geschichte, Universität Innsbruck

Niederösterreich im 20. Jahrhundert ist ein gewaltiges, gewichtiges, voluminöses und inhaltsschweres Geschichtswerk, verfasst von 66 AutorInnen, die sich in ebenso vielen Beiträgen auf insgesamt 2334 Seiten mit der Politik, der Wirtschaft und der Kultur dieses österreichischen Bundeslandes auseinandersetzen. In einem Bücherregal beansprucht der Schuber mit seinen rund 3,8 Kg auf einer Stehfläche von 17 x 18,3 cm ein Raumvolumen von knapp 8,2 dm3. Für die Lektüre der darin enthaltenen drei Bände sind individuelle Maßstäbe anzulegen, doch ist dafür zweifellos viel Zeit einzuplanen, zum Teil äußerste Konzentration aufzubringen und ein nicht geringes Aufnahmevermögen vonnöten.

Der Aufbau der einzelnen Bände folgt einem gleich bleibenden Muster, das darin besteht, in einem Einleitungskapitel mit grundlegenden Gedanken in die Thematik und Problematik der jeweiligen Schwerpunktorientierungen – Politik, Wirtschaft, Kultur – einzuführen, sodann in einzelnen Aufsätzen auf verschiedene Themen, Fragestellungen oder Einzelaspekte landesweiter oder auch regional- bzw. lokalspezifischer Natur einzugehen und schließlich in einem Schlussbeitrag spezifische Entwicklungen und Phänomene der vorangegangenen Darlegungen kritisch zu reflektieren. Daran anschließend finden sich Abkürzungs- und Literaturverzeichnisse, Personen- und Ortsregister sowie Kurzbiographien der AutorInnen und Herausgeber, die ihre Ausbildung in den unterschiedlichsten Disziplinen erworben haben (Geschichtswissenschaften, Archäologie, Soziologie, Politikwissenschaften, Publizistik, Philosophie, Germanistik, Architektur, Kunstgeschichte, Volkswirtschaftslehre, Ökologie, Physik, Klassische Philologie, Medienpädagogik, Publizistik, Kommunikationswissenschaften, Biologie, Anthropologie, Rechtswissenschaften) und in verschiedenen Berufsfeldern (Universitäten, öffentliche und Unternehmensarchive, öffentliche Einrichtungen, freiberufliche Tätigkeitsbereiche) oder als ForschungsstipendiatInnen- bzw. -projektantInnen tätig sind.

So breit gefächert wie die fachspezifischen Qualifikationen der AutorInnen, so vielfältig sind auch die jeweiligen methodischen Zugänge zu den von ihnen bearbeiteten Themen und so spannend und erkenntnisreich auch ihre Ausführungen, die durchwegs großes Engagement und hohe Kompetenz zum Ausdruck bringen. Dennoch bleiben manche Fragenkomplexe in den weiten Fluren der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Landschaften unbeachtet, worauf die Hauptverantwortlichen des Herausgeberteams, Stefan Eminger und Ernst Langthaler, in ihrem Einleitungsteil zum Politikband hinweisen und auch eine Erklärung dafür anführen. Es musste nämlich die „Idealvorstellung einer mit der Gesellschaft und ihren Feldern weniger oder mehr verwobenen Politik, die die anfänglichen Planungen dieses Bandes anleitete, [...] in weiterer Folge der Realität des gegenwärtigen Forschungsstandes angepasst werden: an die vorhandenen Fachpublikationen älteren und jüngeren Datums wie an die Verfügbarkeit von Forscherinnen und Forschern, die zu politikhistorischen Themen arbeiten“ (I/S. IX). Im Grunde gelten diese Feststellungen mutatis mutandis auch für die beiden anderen Bände „Wirtschaft“ oder „Kultur“, denn auch in diesen konnten wichtige Aspekte nicht berücksichtigt werden (I/S. 746; II/S. X; III/S. IX). Vollständigkeit (was in historischen Untersuchungen auch immer darunter zu verstehen sein mag) wollte und konnte nicht angestrebt werden; aber es gelang den Herausgebern und AutorInnen, „ein vielstimmiges Werk“ zu schaffen, „das nicht das letzte Wort haben, sondern zu weiteren Forschungen anregen möchte“ (I/S. XI). Dazu bieten die einzelnen Beiträge zweifellos eine solide Grund- und Ausgangslage, seien es die historischen Längsschnittstudien oder die Fallbeispiele, die zu vergleichenden Forschungen inspirieren.

Im ersten Band werden zunächst das Land Niederösterreich und seine Grenzen vorgestellt, das Werden des Bundeslandes, dessen Gebietsveränderungen und somit dessen territoriale(n) Ausdehnung(en) sowie die damit verbundenen Zugehörigkeiten und Identifikationsräume seiner BewohnerInnen aufgezeigt. Außen- und Binnengrenzen und ihre Funktionen im historischen Kontext werden beleuchtet, als Begrenzungen wie als Übergänge, als Trenn- aber auch Verbindungslinien, und ebenso das Verhältnis, die Beziehungen seiner Bevölkerung zu den Nachbarn jenseits der Grenzen im Zeitlauf des 20. Jahrhunderts. Grundsätzlich wie auch besonders wegen der Nennung einer Vielzahl von Flüssen, Ortschaften oder Bezeichnungen geographischer Räume und Grenzgebiete wäre hierbei zweifellos die Abbildung einer Landkarte äußerst hilfreich, damit auch landes- und ortsunkundige LeserInnen sich leichter orientieren können.

Die folgenden, insgesamt 25 Beiträge vermitteln fundiertes Wissen über die politische Entwicklung in Niederösterreich innerhalb einzelner Zeitabschnitte bis zur Gegenwart, beschreiben den Weg zur Hauptstadtgründung (St. Pölten wurde nach einer Volksabstimmung 1986 zur Landeshauptstadt Niederösterreichs erklärt, zuvor war dies Wien gewesen), behandeln Verfassung und Verwaltung des Landes, bieten Fallstudien zur Zwangsverwaltung im Bezirk Mödling, zur Identitätspolitik in einer Landgemeinde sowie zur Konkurrenz von „Clans“ in einem Bauerndorf, präsentieren die politischen Eliten Niederösterreichs, analysieren Wahlen und Wahlverhalten und stellen politische Parteien und ihre Vorfeldorganisationen vor. Diese Beiträge liefern interessante Einblicke in die Parteienlandschaft und verknüpfen auch die landespolitische Entwicklung mit der Bundespolitik. Allerdings sollte eine Feststellung, wie die, dass in den Jahren 1945/46, besonders nach der Nationalratswahl vom 25.11.1945 die Schwierigkeiten beim Aufbau des Landes „durch die Behinderungen seitens der Sowjets weiter verschärft“ wurden, nicht mit einem Beispiel vom 5.10.1945 belegt werden (I/S. 447). Und auch Stilblüten – „An der Spitze der Parteiführung, also an der Person von Julius Raab, änderte sich vorerst nichts.“ (I/S. 449) – könnte ein kritisches Lektorat vermeiden! Aufschlussreich ist der Beitrag über das nationale Lager in Niederösterreich, in dem u.a. darauf hingewiesen wird, dass das Waldviertel bereits Ende der 1920er-Jahre zum „nationalen Gedächtnisort hochstilisiert wurde“ (I/S. 579) und die Nationalsozialisten zu Beginn der 1930er-Jahre, also noch vor der sogenannten Machtergreifung Hitlers in Deutschland, beachtenswerte Wahlerfolge erzielen konnten (I/S. 580, I/S. 582). Eine Erklärung dafür bleibt der Autor jedoch schuldig. Weitere Themen sind die Gewerkschaftsbewegung, Interessensorganisationen, Agrargenossenschaften und die Frauenbewegung im Lande nach 1945.

Ähnlich breit ist auch das Spektrum der 21 Beiträge im zweiten Band, den Peter Melichar mit informativen Erläuterungen zur „Wirtschaft“ und ihrer Erforschung einleitet. Die darauf folgenden Darlegungen von Andreas Weigl zur demographischen Entwicklung sind sehr detail- und materialreich sowie äußerst informativ, wie etwa die Feststellung, dass die Zuwanderung nach Niederösterreich in der Spätzeit der Monarchie „mindestens fünfmal, wahrscheinlich aber mehr als zehnmal höher als zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ war (II/S. 14); manches, wie etwa der demographische Übergang oder diverse Tabellen könnten aber durchaus mit Grafiken und Karten ansprechend visualisiert werden, wohingegen auf die fragwürdige und ohne in einem Zusammenhang mit dem Text stehende Illustration auf Seite 21, die ein „Kreuz am Friedhof von Königsbrunn/Wagram vor 1936“ zeigt, hätte verzichtet werden können.

Die Verkehrsgeschichte zu Land, Wasser und in der Luft wird in zwei Beiträgen thematisiert, in denen profundes ExpertInnenwissen zum Ausdruck kommen, wenn auch manche Einzelheit in dem Text von Günter Dinhobl und Bernd Kreuzer präzisiert bzw. richtig gestellt werden sollte. Ein sorgfältiges Lektorat oder auch das kritische Auge der Herausgeber hätten zweifellos manchen Schreib- und Grammatikfehler korrigieren können und sicher auch festgestellt, dass nicht „die übrigen noch rechts“ (II/S. 64), sondern die noch links fahrenden Bundesländer bereits am 1. Juli 1938 auf Rechtsverkehr umgestellt hatten. Die folgenden Ausführungen zur niederösterreichischen Wirtschaft behandeln Themen aus den Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe sowie dem Dienstleistungsbereich mit einem Beitrag zur Fremdenverkehrsentwicklung von 1918 bis 1995, zwei Überblicksdarstellungen zur Energiegeschichte und einer aufschlussreichen Studie über den niederösterreichischen Erdölabbau, in der auch ökologische Probleme aufgezeigt werden. Solche sind auch Thema in einem Beitrag über die Abfallwirtschaft und den gesellschaftlichen Umgang mit Müll und seiner Entsorgung. Eine stärkere Orientierung auf klassische Felder der Sozialgeschichte erfolgt sodann mit einigen Untersuchungen zu den Lebensbedingungen zwischen Lohnarbeit, Arbeitslosigkeit und Armut, zu Überlebensstrategien in den 1920er- und 1930er-Jahren, zur Kriegsbeschädigtenversorgung und Großgrundbesitz in der ersten Jahrhunderthälfte. Bevor Andrea Komlosy mit Röntgenblick und analytischem Scharfsinn ihre Überlegungen zur niederösterreichischen Wirtschaft anstellt und diese in einen überregionalen und größeren zeitlichen Zusammenhang einordnet, werden in dem mit knapp 100 Seiten längsten und wohl auch am schwersten zu verdauenden Beitrag von Alexander Mejstrik berufsstatistische Materialien aus den Volkszählungen von 1934, 1971 und 2001 ausgewertet und interpretiert.

Die Vielfalt der Zugänge zu den jeweiligen Themen und die Unterschiedlichkeit ihrer Vermittlung erschwert eine genauere und tiefer gehende Auseinandersetzung mit den einzelnen Beiträgen. Grundsätzlich sind die Beiträge allesamt sehr informativ und Erkenntnis fördernd. Gleichwohl sind Unterschiede qualitativer Natur festzustellen, die von profunder Kenntnis der Materie, dichtem Faktenwissen, interpretatorischem Tiefgang und hoher Professionalität bis hin zu oberflächlicher Betrachtung, lückenhafter Darstellung und nichts sagenden Binsenweisheiten reichen. So bleibt etwa die Autorin des Beitrags über den Industriekonzern der Creditanstalt (CA) in Niederösterreich eine Erklärung für die chronologische Lücke schuldig, die von 1932 bis 1938 besteht (II/S. 350 f.). Die Ausführungen über die Industriebeteiligungen der CA in der NS-Zeit (II/S. 358 ff.) bleiben deskriptiv und ohne Analyse oder Interpretation. Georg Rigele zeigt hingegen, wie ein Thema kritisch bearbeitet und durchleuchtet werden kann, wobei das Aufzeigen der Verbindung bzw. Verflechtung von Wirtschaft und Politik als besonders gelungen und somit positiv hervorzuheben ist. Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen von Gerhard Melinz über die Existenzbedingungen von Menschen in der Arbeitswelt. Sein Beitrag besteht aus einem überzeugenden Mix aus allgemeinen Erläuterungen und Schilderungen aufschlussreicher Einzelheiten, aus Vergleichen Niederösterreichs mit anderen Bundesländern, aus Betrachtungen auf quantitativer und qualitativer Ebene unter Zuhilfenahme statistischen Materials und lebensgeschichtlicher Interviews. Sehr differenziert ist auch der Beitrag von Johann Brazda und Robert Schediwy über die Genossenschaften in Niederösterreich argumentiert: Deutlich wird zwischen spezifisch nationalsozialistischer Wirtschaft und ökonomischen Entscheidungen in der Zeit des Nationalsozialismus unterschieden, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass die bräunliche Etikettierung von wirtschaftlichen Maßnahmen nicht immer und nicht selbstverständlich auch ein Urteil über deren Sinnhaftigkeit abgibt. So stellen die beiden Autoren überzeugend fest, dass die „wirtschaftliche Vorgangsweise des nationalsozialistischen Regimes [...] nicht in jedem Fall irrational war“ (II/S. 287).

Der dritte Band über die Kultur in Niederösterreich beinhaltet insgesamt 19 Beiträge, die einerseits gängigen Themen geschuldet sind, wie etwa der Kulturpolitik, Schule, Volksbildung, Konfessionalität und Religiosität, den Printmedien, der Jugendkultur, dem Sport, der Wohn- und der Denkmalkultur, aber auch Aspekte des Kulturellen aufgreifen, die deutlich in volkskundliche und sozialgeschichtliche Gebiete ausgreifen bzw. solche einbeziehen. Dazu gehören etwa Landschaften und ihre Wahrnehmungen, Feste und Feierlichkeiten als Bühnen für Identitätsstiftung und Spektakel oder die Veränderung der Esskultur. Migrantenfamilien und Integration, ihre spezifischen Lebensformen und Entfaltungsmöglichkeiten sind ebenfalls kulturspezifische Phänomene wie das Beziehungsleben oder Heiratsangelegenheiten der NiederösterreicherInnen im 20. Jahrhundert. All dem liegt ein Verständnis von Kultur zugrunde, mit dem eine Perspektive auf menschliches Handeln eröffnet wird: „Kultur als Notwendigkeit und Fähigkeit, die Differenz zwischen Sprache und Dingen zu gestalten; mithin ein Fokus auf Deutungen und deren Dynamik, der quer zu funktionalen Differenzierungen moderner Gesellschaften liegt“ (III/S. VIII), wie Herausgeber Oliver Kühschelm in seinem Einleitungstext formuliert.

Die Lektüre der folgenden Beiträge ist äußerst anregend und lohnenswert, liefert sie doch tiefe Einblicke in die Genese gesellschaftlicher Befindlichkeiten sowie kollektiver Identitätsmuster, die zweifellos auch zur individuellen Standortbestimmung in der Gegenwart herausfordern – nicht nur in Niederösterreich! Besonders prägnant sind in dieser Hinsicht die Schlusssätze von Thomas Dostal in seinem Beitrag über die Volks- und Erwachsenenbildung, in denen er nachdrücklich darauf hinweist, „dass Bildung stets auch eine gesamtgesellschaftliche Frage war und ist. Darüber hinaus“, so Dostal weiter, „hatte Bildung zumindest früher auch noch mit dem Anspruch zu tun, vorgebliche Gewissheiten der Zeit ihres illusionären Charakters zu überführen. In einer vermeintlichen `Wissensgesellschaft´, die im Namen der Effizienzsteigerung das gesamte (Erwachsenen-)Bildungssystem einer ökonomisch determinierten Logik unterordnen möchte, hat man es mit dem altüberlieferten Anspruch einer durch Bildung ermöglichten Befreiung von Unwissenheit und Unvernunft freilich schwerer denn je.“ (III/S. 110)

Solche Feststellungen können nicht übergangen werden und sehr viel deutlicher als bei der Lektüre der ersten beiden Bände regen die Ausführungen des dritten Bandes immer wieder auch zu einer eigenen Positionsbestimmung an, etwa wenn Herbert Nikitsch in seinem Beitrag über Konfession und Religiosität interessante Überlegungen zur individuellen Religiosität anstellt, die vielfach einer „Selbst-Promulgation“ gleiche (III/S. 144), oder auch wenn Paloma Fernández de la Hoz über Migrantenfamilien und Integration schreibt und dabei feststellt, dass sich (nicht nur) in Niederösterreich „eine Diaspora-Gesellschaft neuen Typs“ (III/S. 405) bildet, dann können ja wohl die „Natives“ nicht so tun, als würde sie das nichts angehen!

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die drei Bände über Niederösterreich im 20. Jahrhundert einen sehr großen Fundus an Wissen und Erkenntnissen zu diesem Bundesland beinhalten, zu seiner Politik, Wirtschaft, Kultur und besonders zu den Menschen, die darin leb(t)en. Viele Fragen und Themen werden aufgegriffen und mehr oder weniger erschöpfend behandelt, andere bleiben aus vielerlei und zum Teil überzeugenden Gründen unbeachtet. „Es muss ja auch nach diesem [bzw. diesen] grundlegenden und überaus materialreichen Band [Bänden] noch etwas zu forschen geben.“ (Ernst Bruckmüller, I/S. 746) Es handelt sich bei dem vorliegenden Werk jedoch nicht um drei Monographien, die jeweils mit spezifischen Legierungen aus einem Guss entstanden wären, sondern um patchwork-Geschichte(n), die in den einzelnen Bänden in bzw. mit den jeweiligen Schlussbeiträgen miteinander verknüpft und somit in gewisser Weise zusammengefügt bzw. -gehalten werden. So weit – so gut!

Allerdings seien dem Rezensenten, der zweifellos und ohne Schwierigkeiten noch viel Lob und Anerkennung für die AutorInnen und ihre Beiträge zum Ausdruck bringen könnte, auch noch ein paar Worte der Kritik als Anregung zur Optimierung solcher Leistungen erlaubt, die grundsätzlich für alle drei Bände gelten.

Besonderes Augenmerk ist etwa auf die Illustrationen zu lenken, auf die verwendeten und die fehlenden. Recht unterschiedlich wurden Bilder in die einzelnen Beiträge eingefügt, erfreulicherweise meist gut platziert und mit informellen Texten dazu. Allzu häufig wurden sie jedoch recht stiefmütterlich behandelt, fehlen doch immer wieder zeitliche Zuordnungen oder – wie oben bereits erwähnt – der Bezug zum Text (etwa auch: II/S. 105; III/S. 23, 29). Oft finden sich auch nichts sagende Bildunterschriften (etwa S. II/154). Warum eine Gruppe von sieben Personen vor einer Lokomotive als „Erfolgloser Eisenbahnerstreik vom 1. März 1933“ bezeichnet wird (I/S. 646), während eine größere Menschenmenge, zum Teil mit Fahrrädern, auf einem Platz oder einer breiten Straße einer nicht näher bekannten Stadt mit „Der Oktoberstreik 1950“ (war er nicht ebenfalls erfolglos?) tituliert wird (I/S. 653), bleibt rätselhaft.

Illustrationen, Grafiken, Karten (nicht jedoch eine solche wie II/S. 381) können Textinhalte veranschaulichen und somit zweifellos hilfreich sein. Ob sie es tatsächlich auch sind, hängt aber von der Art und Weise ihrer Präsentation ab. Problematisch, weil zum Teil auch nicht sehr übersichtlich, sind die Karten und Grafiken in dem Beitrag von Dirk Hänisch „Wahlen und Wahlverhalten in der Ersten Republik“ (I/S. 277-307) oder in dem bereits erwähnten von Alexander Mejstrik (II/S. 633-731). Ihre Ausführungen werden über weite Strecken wohl einer akademischen Fingerübung, das heißt etwa den Anforderungen an eine Diplomarbeit gerecht, ob die Autoren damit jedoch eine breite LeserInnenschaft, speziell auch innerhalb Niederösterreichs erreichen, in deren Haushalten das Werk laut Landesrat Wolfgang Sobotka, der das Publikationsprojekt angeregt hat, stehen sollte, bleibt wohl zu bezweifeln.

Fazit: ein ambitioniertes Vorhaben, das mit viel Engagement, Sach- und Fachkenntnis verwirklicht wurde. Ein Werk, das in seiner Gesamtheit nicht leicht verdaulich ist, in kleinen Portionen genossen jedoch zu vielen Themenbereichen den Wissensdurst stillen und den Appetit auf weitere Fragen und Forschungen anregen kann.

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