Höher und höher wuchsen seit den späten 1960er-Jahren die Wolkenkratzer in Frankfurt am Main. Kaum hatte eine Bank mit dem Neubau ihrer Zentralverwaltung ein weithin sichtbares Zeichen gesetzt, sahen sich die Wettbewerber herausgefordert, in Höhenmetern und Geschossflächen nachzuziehen und ein noch besseres, noch eindrucksvolleres Hauptquartier zu errichten – für sich, für die Belegschaft, aber insbesondere auch, um das Image des Unternehmens aufzupolieren. War etwa das Hochhaus der Deutschen Bank am Roßmarkt bei seiner Fertigstellung 1971 mit 93 Metern das immerhin zweithöchste Bauwerk der Stadt (nach dem ehrwürdigen Kaiserdom), schien es schon sieben Jahre später den Anspruch der größten westdeutschen Privatbank nicht mehr angemessen repräsentieren zu können, weil inzwischen unmittelbare Konkurrenten, die Commerzbank und die Dresdner Bank, deutlich höher gebaut hatten – letztere sogar mit dem damaligen Rekord von 166 Metern. Unter Zugzwang übernahm die Deutsche Bank daher bereits im Bau befindliche Zwillingstürme an der Taunusanlage (beide 155 Meter hoch, Ende 1984 eröffnet), deren Fassaden aus Spiegelglas an die allerneuesten „Skyscrapers“ in den USA erinnerten. So wurde das neue Stammhaus in der Folge von zahllosen Fotografien und Fernsehbildern verbreitet – als ein Symbol der Finanzwirtschaft, wenn nicht des Kapitalismus in Deutschland an sich.
Nach derartigen Verbindungen im „Beziehungsgeflecht Architektur – visuelle Kommunikation – Wirtschaft“ fragt nun „im kulturhistorischen Kontext“ (S. 13) der Architekt und Kunsthistoriker Hauke Horn in seiner Habilitationsschrift, die von der Universität Mainz angenommen wurde. Unter dem Titel „Advertising Architecture“ versammelt die Studie technisch und symbolisch durchaus spektakuläre Gebäude, die von privaten Großunternehmen als neue Hauptquartiere geplant und umgesetzt wurden, dabei aber immer auch als visuelle Medien der Selbstdarstellung und der Unternehmenskommunikation dienten. Insbesondere große, finanzstarke Konzerne, so Horns These, verfolgten mit strategischem Interesse drei Ziele beim Bau ihrer Zentralen: Erstens versuchten sie, die „Corporate Identity“ der jeweiligen Firma darzustellen, zweitens sollte diese Identität durch Architektur überhaupt erst mit entworfen werden, und drittens galt es, im Austausch mit Öffentlichkeit und Konkurrenten die Außenwahrnehmung des Unternehmens zu gestalten. Im Sinne der „Advertising Architecture“ bot ein Hochhaus dann nicht nur Arbeitsplätze und Räume für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern wurde zugleich als „Zeichen wirtschaftlicher Potenz“ (Resümee, S. 219) gelesen.
In sechs Einzelstudien rekonstruiert Horn auf Grundlage der Konzernarchive sowie des Werbe- und Informationsmaterials der Unternehmen sowohl die Entscheidungsprozesse vor Baubeginn als auch die kommunikative Begleitung rund um Neubau und Eröffnung, darüber hinaus die Rezeption in Medien und (Stadt-)Öffentlichkeit. Indem das Handeln der Vorstands- und weiteren Firmengremien untersucht wird, kommen neben den beteiligten, teilweise berühmten Architekten zusätzliche Akteure in den Blick. So kann Horn mehrfach zeigen, wie aktiv sich namentlich Vorstände als Auftraggeber in die konkrete Gestaltung eingebracht haben und dabei vor allem am Gesamtbild ihrer Unternehmen interessiert waren. Immer wieder gelingt es dem Verfasser auch, deutliche Unterschiede zwischen der auf Wirkung bedachten Außendarstellung und der Binnenkommunikation herauszuarbeiten. Bei den Banken etwa wurden Höhenmeter intern genau verglichen, während dieser Wettstreit in den öffentlichen Verlautbarungen mit rein praktischen Argumenten relativiert wurde. In der Konzentration auf „die kommunikative Dimension von Architektur“ (S. 31), und zwar auf verschiedenen Stufen und in unterschiedlichen Zusammenhängen, liegt eine analytische Stärke des Buches.
Gegliedert ist Horns Studie in zwei Teile. In einem ersten, umfangreicheren Abschnitt werden die Hauptzentralen von sechs großen Unternehmen eingehend dargestellt. Das erste Fallbeispiel ist das sogenannte Dreischeibenhaus in Düsseldorf, die ehemalige Zentralverwaltung des Stahlkonzerns Phoenix-Rheinrohr AG, später der August-Thyssen-Hütte AG, aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg (1960 fertiggestellt). Im Anschluss geht es um die zwischen 1968 und 1973 in München – parallel zu den Olympischen Sommerspielen – geplante und gebaute Hauptverwaltung von BMW, deren vier Kreissegmente die Assoziation an einen Vierzylinder-Motor hervorrufen. Am Schauplatz Frankfurt folgen mit der Dresdner Bank, der Deutschen Bank und der Commerzbank drei wesentliche Repräsentanten aus dem Finanzsektor sowie dem Hochhausbau der 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahre. Die 1997 eröffnete Commerzbank-Zentrale erreichte sogar eine Höhe von 259 Metern. Den Abschluss bildet die ebenfalls 1997 fertiggestellte Hauptzentrale des Energieerzeugers RWE in Essen, der sich – als Produzent von Atomenergie und Kohleverstromung – mit einem runden, „nur“ 127 Meter hohen Turm aus Klarglas ein neues Antlitz zu geben versuchte und dabei Transparenz versprach. Der zweite Teil des Buches bündelt schließlich die Ergebnisse der Einzelstudien und ordnet sie, ergänzt um weitere Beispiele, in die Architektur- und Unternehmensgeschichte des 20. Jahrhunderts ein. Dabei werden sowohl der Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie als auch ikonographische Aspekte beleuchtet. Seit den 1990er-Jahren trat zur Corporate Identity das „Bild vom ökologisch korrekten Unternehmen“ hinzu (S. 209).
In zeitlicher und räumlicher Hinsicht ist der Untersuchungsgegenstand auf Westdeutschland seit 1950 eingegrenzt, genauer: auf die Metropolen bzw. Metropolregionen Frankfurt, München und Rhein-Ruhr. Transnationale Austauschprozesse kommen insofern zur Geltung, als Architekten und Vorstände besonders in die USA schauten und dort Inspiration fanden. Keine Rolle spielen bei Horn hingegen staatliche oder öffentliche (Repräsentations-)Bauten der Bundesrepublik; sogar Sparkassen oder die 1998 gegründete, in Frankfurt ansässige Europäische Zentralbank werden nur am Rande erwähnt. Weil sich die Untersuchung ganz auf die Hauptquartiere privatwirtschaftlicher Unternehmen konzentriert, kommen auch die „Volkseigenen Betriebe“ in der DDR nicht in Betracht. Insgesamt korrespondiert die Konstruktion des Forschungsdesigns mit den Thesen der Studie: Bei allen ausgewählten Beispielen handelt es sich um sehr große Unternehmen, die über genügend Kapital, Know-how und Anspruch verfügten, um renommierte Architekturbüros zu beauftragen und die Bauarbeiten von Public-Relations-Abteilungen begleiten zu lassen; zudem sind die Gebäude signifikante Bauwerke (das Dreischeibenhaus und das BMW-Hochhaus stehen heute unter Denkmalschutz). Da zu jedem Kanon notwendig die Kanonkritik gehört, wäre es interessant zu wissen, wie es bei weniger erfolgreichen oder gar gescheiterten Projekten ablief.
Durch die Auswahl der Beispiele und deren chronologische Anordnung zeigt „Advertising Architecture“ die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik wie im Zeitraffer: Am Anfang standen Kohle, Stahl und das Verwaltungsgebäude von Phoenix-Rheinrohr in Düsseldorf. Das Dreischeibenhaus war bei seiner Einweihung 1960 nicht nur eine Ikone des „Wirtschaftswunders“, sondern mit seiner Orientierung an der architektonischen Moderne des amerikanisch geprägten „International Style“ ein Ausdruck für Weltoffenheit und Westorientierung, zumal der Bauentscheidung eine mehrwöchige USA-Reise der Auftraggeber und Architekten vorausgegangen war. Auch der Architektenwettbewerb war mit einer Ausstellung im Künstlerverein Malkasten öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt worden – nicht zuletzt, weil die städtebauliche und unternehmerische Konkurrenz zum 1958 fertiggestellten Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf zusätzlich motivierte. Mit dem expliziten Bekenntnis zur Formensprache der Moderne ging eine implizite Abgrenzung vom Nationalsozialismus einher – was nicht ohne Paradoxie ist bei einem Unternehmen, das aus der Kriegswirtschaft und der alliierten Dekartellisierung der Ruhrindustrie hervorgegangen war. Aus Gründen der Imagebildung für Stahlprodukte – und auf Betreiben des Vorstands – entstand das Hochhaus zudem in Stahlskelettbauweise, auch wenn diese wesentlich teurer war als ein Stahlbetonbau. Die Unternehmensführung nahm bewusst Mehrkosten von rund 30 Prozent in Kauf, um das Kernprodukt von außen sichtbar zum Tragen zu bringen. Konsequenterweise kam Stahl auch bei der Innengestaltung zum Einsatz, um Phoenix-Rheinrohr besser in Szene zu setzen, etwa bei offen verlegten Rohren oder dem Mobiliar. Alles in allem war der „Bau eines modernen Hochhauses nach US-amerikanischem Vorbild“, der neue Maßstäbe setzte, eine „Visitenkarte des Unternehmens“ (S. 55).
Auch bei der Hochhausarchitektur der Großbanken in Frankfurt zeigt Horn einen tiefgreifenden Wandel der Formensprache in der Nachkriegszeit. Stein-reiche Fassaden sowie das Antlitz von Marmor und Granit standen nicht mehr für Stabilität und Solidität des Bankgewerbes, sondern galten nun als rückständig und rufschädigend. Stattdessen setzten sogar Kreditinstitute auf Glas und visuelle Transparenz, um dadurch Fortschrittlichkeit, Nahbarkeit und ein freundliches Bild zu vermitteln – bis schließlich auch Glas eine Art unreflektierter Selbstzweck beim Bauen geworden war. Ein positiver Imagefaktor war seit den 1960er-Jahren zudem der Eindruck sozialer Fortschrittlichkeit, was beim Neubau der Dresdner Bank ein Schwimmbad im 31. Stockwerk versinnbildlichte – ehe dieser Luxus durch das postmoderne Leitbild einer ökologisch bewussten und zugleich innovativen Hightech-Architektur abgelöst wurde. Es sind aufschlussreiche Erkenntnisse wie diese, die Hauke Horns Buch – vom für Kunst und Architektur ausgewiesenen Gebr. Mann Verlag mit 44 Farb- und 128 Schwarz-Weiß-Abbildungen wieder hervorragend gestaltet – zu einer anregenden Lektüre machen. Es wäre wünschenswert, wenn Horns Blick auf die Unternehmensarchitektur durch weitere Studien ergänzt würde, beispielsweise über Schul-, Hochschul- oder kommunale Verwaltungsbauten seit 1945.1 Dies wären wichtige Bausteine für eine architektonische Gesamtikonographie der Bonner Republik.
Anmerkung:
1 Zu Theaterbauten vgl. aus demselben Verlag bereits Frank Schmitz, Spiel-Räume der Demokratie. Theaterbau in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1975, Berlin 2022. Siehe dazu meine Rezension, in: H-Soz-Kult, 08.11.2022, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-118334 (11.07.2023).