S. Schröder: Zwischen Christentum und Islam

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Titel
Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den spätmittelalterlichen Pilgerberichten des Felix Fabri


Autor(en)
Schröder, Stefan
Reihe
Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 11
Erschienen
Berlin 2009: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
459 S.
Preis
€ 69,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jacob Klingner, Germanistisches Seminar, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Das Buch von Stefan Schröder, eine Kasseler Dissertation von 2007/2008, geht aus der Arbeit am Paderborner Graduiertenkolleg „Reiseliteratur und Kulturanthropologie“ hervor. Es begibt sich auf ein Untersuchungsfeld, das – wie auch das umfangreiche Literaturverzeichnis zeigt – in den letzten Jahren in der Geschichtswissenschaft und auch in angrenzenden Fächern Konjunktur hatte: nämlich die Frage, wie in einer bestimmten historischen Konfiguration Bilder des Fremden und Anderen, damit aber auch Bilder des Eigenen entworfen werden – wie also kulturelle Grenzziehungen funktionieren und zu welchen Zwecken sie eingesetzt werden. Untersuchungsgegenstand sind die Pilgerberichte des Ulmer Dominikaners Felix Fabri (um 1438–1502), insgesamt vier Berichte, die auf der Basis von zwei Reisen ins Heilige Land (1480 und 1483/84) entstanden sind.1

Nach einer recht kompakten Skizze von Forschungssituation und eigenem Programm (S. 11–48) stellt Schröder zunächst das Quellenmaterial vor (S. 49–98). Er stützt sich nicht – wie zumeist die Forschung vor ihm – nur auf einen der Berichte Fabris, sondern versucht, die für unterschiedliche Publikumskreise und mit verschiedenen Wirkungsabsichten verfassten Texte vergleichend zu betrachten und jeweils in ihrer Spezifik zu würdigen. Lediglich das „Gereimte Pilgerbüchlein“2 kommt neben dem lateinischen Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem und dem umfangreicheren deutschsprachigen Bericht „Eigentliche beschreibung der hin vnd wider farth zuo dem Heyligen Landt“ sowie der „Pilgerfahrt im Geiste“, „Die Sionpilger“ etwas kurz. Daneben zieht Schröder auch zeitgenössische Berichte, die als Vorlagen Fabris dienen bzw. die von Mitreisenden stammen (und damit besonders interessantes Vergleichsmaterial bieten), heran.3

Den eigentlichen Hauptteil der Arbeit bilden drei umfangreiche Kapitel, in denen Schröder die Darstellungen von Fremdem und Eigenem in Fabris Werken nach systematischen Gesichtspunkten sortiert und kontextualisiert. Unter der Überschrift „Fremde Städte“ (S. 99–197) geht es um die Beschreibung der „Mikroräume“ Venedig, Jerusalem und Kairo. Das Kapitel „Fremde Menschen“ (S. 198–311) widmet sich Fabris Beschreibungen von Begegnungen mit Venezianern und anderen Italienern, Muslimen und Juden. „Fremde Räume“ (S. 312–374) schließlich untersucht, wie Fabri die durchquerten „Makroräume“, also Mittelmeer, Heiliges Land und Wüste Sinai schildert. Die Kapitel werden jeweils knapp von methodischen Überlegungen eingeleitet und durch zusammenfassende Abschnitte („Strategien der Fremddarstellung bei Felix Fabri“, „Kulturelle Grenzen bei Felix Fabri“, „Raumkonzepte bei Felix Fabri“) abgeschlossen. Den die Ergebnisse der Arbeit sehr gedrängt aufnehmenden „Schlussbemerkungen“ (S. 375–384) folgt ein Anhang mit dem Literaturverzeichnis und einem hilfreichen Register der Personen- und Ortsnamen.

Schröder geht damit ein Programm an, das weit über die vom Titel avisierte Problematik einer religiösen Frontstellung zwischen Christentum und Islam hinausgeht. Besonders das letzte Kapitel berührt ganz allgemeine Fragen der Weltwahrnehmung und deren literarischer Transformation: Wie entwirft Fabri in seinen Berichten den erzählten Weltenraum? Wie strukturiert er ihn durch Rekurs auf zur Grenzziehung geeignete geografische oder kulturelle Eigenheiten? Schröders Vorgehen zeichnet sich dabei durch philologisch genaue Arbeit an den Quellen aus, vor allem aber durch eine große methodische Reflektiertheit. Ständig wird präsent gehalten, dass die Überlagerung verschiedener Einflussschichten auf die historischen Texte eine besonders vorsichtige Analyse und eine komplexe Interpretation erfordern.

Der Ertrag der drei Hauptkapitel ist denn auch kein plakatives, sondern vielmehr ein sehr differenziertes Bild: Schröder zeigt auf, dass sich für keinen der systematischen Bereiche bei Fabri einheitliche Grenzziehungen zwischen Fremdem und Vertrautem, vor allem auch keine durchgängig gleiche Bewertung der beschriebenen bekannten oder fremdartigen Phänomene feststellen lassen. Die Erwartung nach einer eindeutigen Positionierung und Markierung, nach einem konsistenten „mittelalterlichen“ Weltentwurf, wird also enttäuscht.

Schröder lenkt den Blick vielmehr auf die Funktionskontexte, in denen Fabri die jeweilige Beschreibung und Bewertung einsetzt. Zwar bringt Fabri (besonders in seinen volkssprachlichen Werken) an vielen Stellen stärkere topische Abwertungen des (nichtchristlichen) Fremden ein – daneben wird die Distanz zum Fremden aber auch oftmals aufgehoben, um andere Sinnzuschreibungen zu ermöglichen (das Fremde als Spiegel; das Fremde als Teil der Schöpfung; das Fremde als Teil einer göttlichen Offenbarung). So kann man im Werk Fabris nicht von „kulturellen Grenzen“ sprechen, sondern nur davon, dass er sich in differenzierter Weise Verfahren der Exklusion und Inklusion bedient, um bestimmten Wirkungsintentionen und Legitimationsstrategien zu folgen: „Das wichtigste, für das eigene Weltbild auch essentielle Ergebnis der Kulturbegegnung seiner Jerusalemfahrt war somit die eigens erbrachte Bestätigung der Heilsgeschichte“ (S. 384).

Stefan Schröder macht mit seiner Studie zum einen klar, dass die Pilgerberichte Fabris nur im Kontext von dessen eigenem Werk (und nicht nur dem etwaiger Vorlagen) verstanden werden können.4 Zum anderen weist er einer Fabri-Exegese die Richtung, die in den Pilgerberichten nicht mehr nur eine Quelle für alltags- und mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse über das Spätmittelalter sieht, sondern den Ulmer Dominikaner als geistlichen Schriftsteller ernst nimmt, dessen Texte vor allem dem seelsorgerischen Projekt der adäquaten Strukturierung des geistigen Innenraumes verpflichtet sind.5

Anmerkungen:
1 Vgl. auch den zusammenfassenden Aufsatz von Stefan Schröder, Dess glich ich all min tag nie gesechen hab vnd ob got wil nùt mer sechen wil. Fremd- und Selbstbilder in den Pilgerberichten des Ulmer Dominikaners Felix Fabri, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 68 (2009), S. 41–62.
2 Zu diesem Text ist noch eine aktuelle, online verfügbare Edition nachzutragen: Das strophische Pilgerbüchlein von 1480/82 nach der einzigen Handschrift (Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 359) transkribiert von Max Schiendorfer, Zürich 2008. In: Kompetenzzentrum Zürcher Mediävistik <http://www.mediaevistik.uzh.ch/downloads/Fabri.pdf> (15.06.2010).
3 Schröder stellt die einzelnen Berichte jeweils kurz vor und nennt die relevante Sekundärliteratur. Nicht ganz klar ist, weshalb der Pilgerbericht des Hans Tucher, der ganz offensichtlich als Vorlage zu mancher Passage bei Fabri gedient hat, nicht unter „Quellen Fabris“ eingeordnet ist, sondern unter „Vergleichsberichte zu Fabri“.
4 Ein besonders beklagenswertes Beispiel einer weitgehend dekontextualisierten Fabri-Lektüre bietet das – grafisch ansprechend gestaltete – Büchlein von Ilse Schulz, Frauen und Pilgerinnen im Werk von Felix Fabri 1441–1502. Begegnungen im Abend- und im Morgenland, Ulm 2007.
5 Vgl. den ebenso diesem Ansatz verpflichteten Aufsatz von Kathryne Beebe, Reading Mental Pilgrimage in Context: The Imaginary Pilgrims and Real Travels of Felix Fabri’s ‚Die Sionpilger‘, in: Essays in Medieval Studies 25 (2008), S. 39–70.

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