Der vorliegende Sammelband geht zurück auf ein Symposium gleichen Titels, das die Deutsche Kinemathek gemeinsam mit dem Bundesarchiv und der Stiftung Topographie des Terrors im September 2009 organisiert hatte.1 Der Hauptschwerpunkt liegt auf der Arbeit der deutschen Propaganda-Kompanien (PK) und deren filmischem wie fotografischem Ausstoß. Nach einer konzisen thematischen Einführung von Daniel Uziel2 stehen in sieben Beiträgen zunächst „Ästhetik und Technik“ der Bildproduktion im Blickpunkt, ehe sich im Weiteren jeweils zwei Beiträge den Aspekten „Fremd- und Feindbilder“, „Selbstbild und Idolisierung“ sowie „Propaganda für das Ausland“ widmen. Den deutschen Fall kontrastieren die folgenden vier Beiträge, die sich mit dem Phänomen der Kriegspropaganda in den USA, der UdSSR und Großbritannien auseinandersetzen. Den Abschluss des Bandes bilden drei Aufsätze über das mediale beziehungsweise rezeptive Nachleben der Propagandabilder und -filme bis in die Gegenwart hinein.
Im ersten Abschnitt skizziert zunächst Rainer Rother die ästhetisch-bildsprachliche Genese des Mediums „Kriegswochenschau“. Sie sollte durch die Suggestion unmittelbarer Teilhabe am Geschehen die Verbundenheit zwischen Soldaten und Zivilisten zum Ausdruck bringen. Die schon zeitgenössisch vielbeschworene Idee von der Wochenschau als „Brücke zwischen Front und Heimat“ sei, so Rother, ein Reflex auf die vom nationalsozialistischen (NS-) Regime für wahr genommene „Dolchstoßlegende“3 gewesen (S. 44). In der Bildsprache habe die Wochenschau insbesondere in der frühen Kriegsphase deutliche Anleihen bei Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ genommen (S. 43). Dass die Wochenschau damit gleichsam künstlerischer Ausdruck nationalsozialistischen Schauens auf die Welt gewesen sei, ist indessen keine wirklich neue Erkenntnis (S. 40f.). Filmhistorisch eher aufmerken lässt hingegen der Hinweis, dass die Untermalung eines Luftangriffes mit Richard Wagners „Ritt der Walküren“ erstmalig 1940 in einer deutschen Kriegswochenschau erfolgte (S. 45).
Ralf Forster schildert in seinem Beitrag den „Weg der PK-Berichte […] von der Front in die Kinos“: Nur sechs Prozent aller PK-Aufnahmen fanden letztlich überhaupt Eingang in eine Wochenschau (S. 59). Dabei weist er unter anderem darauf hin, dass durch das nachträgliche Einsprechen des Kommentars gewissermaßen eine Entfremdung von Kameramann und Filmmaterial stattfinde. – Letzterem werde mit der sprachlichen Rahmung eine ganz eigene Lesart zugewiesen (S. 54f.). Diesen konstruktivistischen Konnex stellt auch Hans-Peter Fuhrmann heraus, wenn er der Frage nach dem Spannungsverhältnis von Realitätsreproduktion und medialer Inszenierung vermittels nachträglicher Bild-Ton-Komposition nachgeht. Demgegenüber untersucht Matthias Struch, inwieweit sich anhand des filmischen Rohmaterials der persönliche Stil von Kameraleuten erkennen lässt.
Der von Dirk Alt, Karl Stamm und Alexander Zöller verfasste Beitrag über den Kameramann Hans Bastanier versucht sich an der Auswertung dessen nachgelassenen Werkes. Leider krankt der Text daran, dass die Autoren hinsichtlich der Lesart der von Bastanier nachgelassenen Filme zwar eine vorderhand plausible Interpretation entwickeln, jedoch letztlich nicht über Mutmaßungen hinauskommen. Etwa wenn sie im Duktus der Tatsachenbehauptung Aussageabsichten von Filmsequenzen Bastaniers ausführen, ohne dass Einzelheiten über die konkreten Entstehungszusammenhänge und Verwendungszwecke des Materials vorlägen. Dies trifft besonders dort zu, wo Fotomaterial genutzt wird, das einen Kameramann in Wehrmachtsuniform zeigt, bei dem es sich „wohl [um] Bastanier“ (S. 91) handele. Hier gleitet die Argumentation vollends ins Spekulative ab.
Auffällig ist, dass sich einige Beiträge inhaltlich zum Teil diametral widersprechen, ohne dass dies seitens der Herausgeber etwa in der Einleitung erläuternd kommentiert würde. So argumentiert Dirk Alt in seinem Text über den propagandistischen Wert von Farbfilmen, die deutsche Farbfilmarbeit habe etwa der der USA um Jahre hinterhergehinkt (S. 101f.). Demgegenüber stellt David Culbert in seinem komparatistischen Blick auf die US-Wochenschauen gleich an den Anfang den Befund: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutschen den amerikanischen Wochenschauen im Zweiten Weltkrieg visuell überlegen waren.“ (S. 229) Zugleich verweist Culbert auf die oft vorgebrachte Behauptung, Joseph Goebbels habe letztlich alle Wochenschauen persönlich begutachtet (S. 230). Dagegen hatte Roel Vande Winkel in seinem Text über die Auslandswochenschauen der Universum Film AG (Ufa) gerade mit dieser Legende aufgeräumt: Er verwies darauf, dass diese Auffassung in keiner Weise belegbar sei (S. 209). In solchen Fällen wünschte sich der Leser eine klärende Einordnung.
Eine grundsätzliche Schwierigkeit mehrerer Beiträge des Bandes besteht indessen in der unreflektierten Handhabung des „Propaganda“-Begriffes. Der analytische Gewinn seiner nach wie vor anhaltenden Verwendung in der Forschung ist faktisch mehr als bescheiden.4 Vielmehr ist sein unüberlegter Gebrauch eher geeignet, Erkenntnispotenziale zu schmälern. So etwa, wenn Karl Prümm nach den Kriterien fragt, anhand derer ein Film wie zum Beispiel „Feldzug in Polen“ zu bewerten sei. Als mögliche Aspekte nennt er unter anderem die „Effektivität der Propaganda“ sowie den „Einsatz der Suggestion“ und der „Mittel der Überwältigung“ (S. 117) – um dann anhand von fünf Gesichtspunkten eine Einordnung des Films vorzunehmen. Dabei verwischt die Trennung von Intention und tatsächlicher Wirkung zusehends beziehungsweise wird kurzerhand in eins gesetzt: „Eine nicht zu unterschätzende Propagandafunktion des Filmes besteht in der Einschüchterung und Abschreckung potenzieller Kriegsgegner. Zu diesem Zweck wurde der Film beispielsweise im Frühjahr in den skandinavischen Ländern gezeigt und verfehlte sicherlich seine Wirkung nicht.“ (S. 122) Indem Prümm hier Intention und Wirkung des Films gleichsetzt, redet er letztlich dem vom NS konstruierten Selbstbild von der allmächtigen Propaganda das Wort.
Dass der „Propaganda“-Begriff nicht nur im Zusammenhang mit der Erforschung des Nationalsozialismus wenig hilfreich ist, belegt indessen der vergleichende Blick, den Brian Winston auf die britische Kriegspropaganda wirft. Denn, so der Autor, Propaganda in einer Gesellschaft zu betreiben, die aus ihren libertären Traditionen heraus Propaganda eigentlich ablehne, habe nur deshalb im Ansatz funktioniert, weil die Briten ein vergleichsweise subtiles Vorgehen an den Tag gelegt hätten (S. 256). Zu einem solchen Befund kann nur gelangen, wer Propaganda im alltagssprachlichen Sinne gebraucht. Vollzieht man jedoch eine funktionale Abstraktion und spricht bewusst nicht von Propaganda, sondern von staatlicher Kommunikationspolitik, dann kommt man kaum umhin, den Gebrauch von Propaganda als konstitutiv für letztlich alle neuzeitlich-modernen Staatswesen anzusehen.5
Ähnlich problematisch ist eine Argumentation im Beitrag Edgar Lerschs, der eine Analyse der bundesrepublikanischen Fernsehdokumentation „Das Dritte Reich“ aus den Jahren 1960/61 vornimmt. Lersch konstatiert: „Aus heutiger Sicht lassen die Gesamtkonzeption und die Aussagen des Kommentars beträchtliche historiographische und interpretatorische Schieflagen erkennen.“ (S. 288) Dies ist allerdings eine banale Tatsache, die nur dann einer Erwähnung bedarf, wenn man die untersuchte Fernsehdokumentation nicht als das betrachtet, was sie einzig und allein ist: eine mediale Selbstauskunft hinsichtlich des Verhältnisses der frühen bundesrepublikanischen Gesellschaft zur eigenen NS-Vergangenheit. Ob vom heutigen Stand der Zeitgeschichtsforschung aus betrachtet das Phänomen NS darin hinsichtlich Deutung und Gewichtung korrekt gewürdigt wurde, ist nicht die Frage. Vielmehr geht es um das aus den so benannten „Schieflagen“ rekonstruierbare Geschichtsbild der späteren Adenauer-Jahre.
Anregend zu lesen sind indessen die letzten beiden Beiträge von Judith Keilbach und Klaus Kreimeier. Keilbach setzt sich in ihrem Beitrag mit dem Aspekt auseinander, wie die Ausschlachtung von NS-Fotografien und -Filmen zur Illustration gegenwärtiger Fernsehdokumentationen zu einer unterschwelligen ästhetischen Reproduktion der NS-Ideologie geraten kann – übrigens ohne dass der zuletzt sattsam diskutierte Name des Leiters des Ressorts Zeitgeschichte beim ZDF einmal fiele.6 Kreimeier spürt der Frage nach, ob das Ziel, Krieg medial möglichst unmittelbar erlebbar zu machen, um die Verbundenheit von „Front und Heimat“ zu festigen, angesichts immer ausgefeilter Medientechnik tatsächlich zu erreichen ist. Faktisch bleibt aber auch angesichts realistischster Grafiken in modernen Computerspielen ein intransponibler Erfahrungsrest. Dies gelte nicht zuletzt auch deswegen, weil schließlich auch die medialen Inszenierungen von Krieg einem kollektiven kulturellen Gedächtnis davon entsprängen, wie ein Krieg auszusehen habe, um als Krieg gelten zu können. So gesehen bleibt jedoch jede mediale Darstellung von Krieg schon aufgrund des allen Medienmachern unhintergehbar immanenten „heimlichen Drehbuches“ (Kreimeier) nicht mehr als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Allen einzelnen Beiträgen eigenen Unzulänglichkeiten zum Trotz vermag der vorliegende Band eine ganze Reihe Anregungen für weitere Forschungen zu geben – und sei es nur, die beständige Reflektionsbedürftigkeit der Mediengeschichte insbesondere des NS nochmals eindrücklich vor Augen zu führen.
Anmerkungen:
1 Vgl. Judith Prokasky: Tagungsbericht 'Die Kamera als Waffe'– Propagandabilder des Zweiten Weltkrieges. 24.09.2009-26.09.2009, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 30.10.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2825> (08.09.2011); Caroline Rothauge und Martin Lüthe: Tagungsbericht Theorien des Populären. 08.01.2010-09.01.2010, Paderborn, in: H-Soz-u-Kult, 18.02.2010, <hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3001> (10.03.2011).
2 Daniel Uziel, The Propaganda Warriors. The Wehrmacht and the Consolidation of the German Home Front, Frankfurt am Main 2008.
3 Boris Barth, Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg 1914-1933 (Schriften des Bundesarchivs, Bd. 61), Düsseldorf 2003; vgl. die Rezension von Patrick Krassnitzer. In: H-Soz-u-Kult, 14.05.2004, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-105> (08.09.2011).
4 Vgl. meinen Forschungsbericht: Daniel Mühlenfeld, Was heißt und zu welchem Ende studiert man NS-Propaganda? Neuere Forschungen zur Geschichte von Medien, Kommunikation und Kultur während des ›Dritten Reiches‹, in: Archiv für Sozialgeschichte 49 (2009), S. 527-559.
5 Wolfgang Reinhard, Die Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 308; vgl. die Rezension von Martin Kirsch. In: H-Soz-u-Kult, 06.09.2000, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=491> (08.09.2011).
6 Wulf Kansteiner, Die Radikalisierung des deutschen Gedächtnisses im Zeitalter seiner kommerziellen Reproduktion: Hitler und das „Dritte Reich“ in den Fernsehdokumentationen von Guido Knopp, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 626-648.