Der umfangreiche Sammelband „Aushandeln von Ehe“ behandelt äußerst fundiert und vor allem quellennah die bisher in der Forschung – neben dem recht umfassend betrachteten Erbrecht bzw. der Erbpraxis – erst in jüngster Zeit in den Fokus gerückte Thematik des Ehegüterrechts. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen Heiratsverträge, welche die Güter, die die beiden Eheleute in die Verbindung einbrachten, erfassten und die Verfügungsgewalt vor und während des Ehebundes regelten, sowie auch oft erbrechtliche Paragrafen beinhalteten. Bei diesen Kontrakten handelt es sich um Quellen, die Rückschlüsse auf die Regelung des Zuganges zu materiellen Gütern, aber auch das Aushandeln von Versorgungsansprüchen und damit oft auch von Lebensperspektiven ermöglichen.
In der Einleitung fasst Margareth Lanzinger den Forschungsstand zu Heiratsverträgen in europäischen Rechtsräumen zusammen und erläutert sowohl die Thematik als auch die Struktur des vorliegenden Bandes, in dem es „primär um das Aushandeln von Ehe unter ökonomischen, sozialen und rechtlichen Gesichtspunkten“ (S. 13) geht. Gütertrennung und Gütergemeinschaft bildeten die beiden europaweit vorwiegend praktizierten Formen der Regelung von Ressourcentransfers bzw. -zuordnungen im Zusammenhang mit Eheschließungen. Unterschiede zwischen den beiden Systemen lassen sich an der inner- und nachehelichen Verfügungsgewalt über eingebrachte bzw. während der Ehe erwirtschaftete Vermögen und die Regelung der Rechte der Verwitweten sowie der Nachkommen oder anderer Angehöriger festmachen. Grundlegend lässt sich konstatieren, dass bei Gütergemeinschaft das Ehepaar als „Arbeitspaar“, das gemeinsam wirtschaftet, im Zentrum steht, während bei der Gütertrennung die Stellung der Kinder und Angehörigen (bzw. der Herkunftsfamilien im Hintergrund) einer höheren Priorität unterliegt.
Die erste der vier nun folgenden Fallstudien – verfasst von Getrude Langer-Ostrawsky – thematisiert bäuerliche Herrschaften in Niederösterreich vom 17. bis zum 19. Jahrhundert und verweist auf die Diskrepanz zwischen dem dort traditionell praktizierten System der Gütergemeinschaft und der in den Josephinischen Gesetzen sowie im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Gütertrennung. In den herkömmlichen Übereinkünften war die Stellung der Frauen im Besitz-, Ehe- und Erbrecht verhältnismäßig stark, da sie Verfügungsgewalt über gemeinsame eheliche Güter hatten. Dementsprechend waren etwa Witwen „ökonomisch und sozial durchaus attraktive Heiratspartnerinnen“ (S. 72). Langer-Ostrawsky konstatiert daher abschließend für den Untersuchungsraum eine „starke Tendenz zur Gleichberechtigung der Geschlechter“ (S. 76).
Im darauf folgenden Artikel von Gunda Barth-Scalmani über Eheverträge in der Stadt Salzburg im 18. Jahrhundert steht wiederum das System der Gütergemeinschaft im Vordergrund, das die Ehe als Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Mann und Frau betrachtet. Im Gegensatz zum bäuerlichen Milieu des vorhergehenden Beitrags geht es jedoch um das altständische Bürgertum in der Residenzstadt Salzburg. Die Ehekontrakte verweisen in Bezug auf das Verhältnis der Geschlechter zueinander vor allem auf die Position der Frauen in den Familienverbänden, sowie auf die Vermögensumstände und die soziale (berufliche) Herkunft der Eheleute. Eheverträge können hier in erster Linie hinsichtlich der Analyse des wirtschaftlichen Alltags von Angehörigen der ständischen Gesellschaft herangezogen werden. Der ökonomische Aspekt der Eheschließung betraf in den meisten Fällen insgesamt drei Generationen: „die Herkunftsfamilien der Brautleute ebenso wie die Kinder, die sich das Brautpaar ‚mit Gottes Segen‘ erhoffte“ (S. 168).
Margareth Lanzinger thematisiert im folgenden Beitrag über Heiratskontrakte in den Südtiroler Gerichten Welsberg und Innichen zwischen 1750 und 1850 das dort vorherrschende System der Gütertrennung, das einen „Einblick in die gesellschaftsstrukturierende Werthaltungen“ wie etwa im Fall der Tiroler Gerichte das „ausgeprägte Liniendenken“ (S. 323) ermöglicht. Für die Frauen barg dieses Modell zwar einerseits gewisse Risiken, andererseits zeigt es aber auch die Handlungsräume der Frauen und vor allem ihre Absicherung bei Schulden des Ehemannes auf. In erster Linie entschied aber der Besitz – zusammen mit der Zugehörigkeit zu einer Herkunftsfamilie – und nicht das Geschlecht über die jeweilige soziale Stellung. Insgesamt zeigt sich im Fall der Gütertrennung ein erhöhter Regulierungsbedarf, der sich in ausführlicheren Vereinbarungen niederschlug.
Ellinor Forster geht in ihrem Beitrag den Auswirkungen rechtlich-politischer Veränderungen auf das Aushandeln von Heiratsverträgen am Beispiel des Stadt- und Landrechts Innsbruck zwischen 1767 und 1842 nach. Auch im diesem Bereich wurde auf der Grundlage der Tiroler Landesordnung von 1573 vorwiegend das Modell der Gütertrennung praktiziert. Dieser lag wiederum ein starkes Denken in Linien zugrunde, denn „jedes Gut sollte nach Möglichkeit wieder an die Herkunftsfamilie zurückfallen“ (S. 395). Die Eheverträge wurden ab 1786, als von Seiten der staatlichen Normierungen mehr und mehr das einzelne Ehepaar gegenüber der Herkunftsfamilie in den Vordergrund rückte, weiterhin als Möglichkeit genutzt, um bis in den Vormärz an den althergebrachten Gewohnheiten und der Priorität der Linien festzuhalten.
In ihrem Resümee fasst Margareth Lanzinger die wichtigsten Ergebnisse der vier Einzeluntersuchungen zusammen und verweist auf die „Balanceakte“, die den verschiedenen Ehegütermodellen zugrunde lagen. Dabei sind die Gewichtungen der verschiedenen sozialen Beziehungen in Hinsicht auf den Zugriff auf bzw. die Verfügungsgewalt über materielle Güter sehr differenziert zu sehen. Die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten wurden durch Interessenlagen, traditionelle Rechtssetzungen, neue Gesetze und ökonomische Tendenzen stark beeinflusst.
Schließlich geht Margareth Lanzinger im letzten Beitrag des Bandes „Variationen des Themas: Mitgiftsysteme“ auf die Unterschiede zwischen dem Heiratsgabensystem im deutschsprachigen Raum und dem italienischen Dotalsystem ein und erweitert damit den Blick auf die europäische Ebene.
Die Institution der Ehe kann durch die Frühe Neuzeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als wichtiges Ordnungsmodell und zugleich als ökonomische Einrichtung angesehen werden. Finanzmittel und Güter wurden dabei zwischen den Generationen sowie zwischen Braut und Bräutigam transferiert. Eben zu diesem Zweck wurden in den meisten Fällen die Eheverträge errichtet. In manchen wurden aber ebenso Fragen der Lebensführung oder der Kindererziehung thematisiert. Unterschiedlichste Gesetze, Normen und Rechtstraditionen differierten nach Region, Zeitraum und sozialer Gruppe. Dieser Umstand spiegelt sich in den akribisch recherchierten Detailstudien dieses Bandes wider, erschwert aber zugleich den Vergleich zwischen den vier exemplarischen mikrohistorischen Analysen. Damit ist auch schon ein kleines Manko dieses Bandes angesprochen, denn der Untertitel desselben verweist auf eine europäische Dimension bzw. einen europaweiten Vergleich, die meisten Beiträge stellen jedoch Untersuchungen aus einigen im Bereich des Heiligen Römischen Reiches gelegenen Gebieten der Habsburger Monarchie dar. Zeitlich erstrecken sich die Detailstudien zwar vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, der Fokus liegt aber eindeutig auf dem späten 18. bzw. dem Übergang zum 19. Jahrhundert.
Schlussendlich überwiegen jedoch die Vorzüge der detaillierten Analysen bei Weitem, stellen sie doch höchst komplexe Zusammenhänge nachvollziehbar und mit zahlreichen Quellenbeispielen veranschaulicht dar. Die individuellen Handlungsstrategien der meisten Beteiligten – Ehepartner, Eltern, Kinder, Verwandte – werden einer umfassenden Betrachtung unterzogen, und immer wieder werden auch allgemeine Entwicklungen sowie theoretische Überlegungen zur Normierung und zur Praxis von Ehe in die Untersuchungen miteinbezogen.