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Title
Roman Republics.


Author(s)
Flower, Harriet I.
Published
Extent
XI, 204 S.
Price
$ 29,95
Reviewed for H-Soz-Kult by
Kevin Kuhne, Institut für Geschichte, Technische Universität Dresden

Harriet I. Flower nimmt mit dem Titel ihres Werkes dessen Hauptthese vorweg. Der alteingesessene Ansatz, die Epoche der römischen Republik in frühe, mittlere bzw. späte Republik zu unterteilen, sei zu statisch und müsse durch ein dynamischeres Bild mehrerer aufeinander folgender Republiken ersetzt werden. Sie macht dabei im Vorwort (S. IX–XI) unmissverständlich klar, dass ihr Ansatz weder als Herabwürdigung etablierter Denkmuster gemeint sei, noch den Anspruch erhebe, ein „set of definitive conclusions“ darzustellen. Vielmehr setzt Flower sich mit ihm das ambitionierte Ziel, Fragen der politischen Praxis in Rom und daran anknüpfend der Periodisierung wieder stärker in den Fokus wissenschaftlicher Diskurse zu rücken.

Grob orientiert sich die Gliederung des Werkes an der klassischen Chronologie, sodass der Leser die Gegenstände seines Interesses ausgehend von der traditionellen Epochengliederung der frühen, mittleren und späten Republik in etwa in den Teilen „I Framework“ (S. 3–58), „II Change“ (S. 59–114) und „III Aftermath“ (S. 115–171) wieder findet. Das Buch lässt sich sehr flüssig lesen und tritt wie eine gut zusammengefügte Sammlung verschiedener Essays auf. Dies ist mit Blick auf die oben genannte Intention durchaus folgerichtig, erschwert aber teilweise das Auffinden einzelner Zusammenhänge des Konzeptes. So wird beispielsweise am Ende des zweiten Kapitels zwar zu allen Grenzen und Brüchen in Flowers Entwurf eine kurze, hilfreiche Übersicht gegeben (S. 23–34); es erweist sich aber als sehr problematisch, diese ohne eine vollständige Lektüre des Buches nachzuvollziehen. Chronologische Zäsuren, die eigentlich ein zentrales Anliegen des Werkes sind, werden im Verlauf oft unangekündigt eingeworfen und selten ausführlich begründet. So findet etwa die Binnendifferenzierung der Republiken 3 bis 5 nebenbei in den Abschnitten „The Political Career“ und „The Secret Ballot“ des vierten Kapitels „Political Innovations: A Community in Transition (Second Century)“ statt. Der vorangegangenen Ankündigung zufolge sollten diese aber nur der Verdeutlichung eines aufrechterhaltenen Innovationspotenzials im 2. Jahrhundert v.Chr. dienen; sie werden im Inhaltsverzeichnis auch nicht aufgeführt.

Flowers Konzept zur Unterteilung der Republiken (S. 15–17) liegen die jeweils gängigen Formen politischer Praxis bzw. deren Desintegration zugrunde. Es wird aber leider nie deutlich gemacht, was genau darunter verstanden werden soll. Innovationskraft stellt sich bei näherer Betrachtung als eines der Hauptmerkmale der ersten fünf Republiken Flowers heraus. Eine Ausnahme bildet lediglich die letzte, die sechste Republik des Sulla (81–60 v.Chr.); diese zeichne sich vor allem durch ein profundes Maß an juristischer Fixiertheit aus, habe aber generell auch mit den vorangegangenen Formen republikanischer Praxis nicht mehr viel zu tun (S. 117–134). Die Charakteristika, in denen sich die restlichen Republiken voneinander unterscheiden, bleiben aber äußerst vage. Die ersten drei trennt mit den leges Liciniae Sextiae 367/66 v.Chr. zwischen erster und zweiter Republik und der lex Ogulnia 300 v.Chr. zwischen der zweiten und dritten Republik ein stetig wachsender Partizipationsgrad der Plebejer voneinander. Nach der lex Ogulnia mussten jedoch neue Kriterien zur Differenzierung gefunden werden, da mit den Priesterkollegien auch die letzten patrizischen Rückzugsräume ausgeschaltet worden waren. In Flowers Augen bildet das Aufkommen formalistischerer Tendenzen in der Gesetzgebung mit der lex Villia annalis 180 die Grenze zur vierten Republik und die Etablierung geheimer Wahlen mit der lex Gabinia 139 den Startpunkt der fünften (139–88 v.Chr.). Dadurch entsteht phasenweise der Eindruck, Flower erhebe zumindest partiell eine wachsende Demokratisierung Roms zum Kriterium, doch verwendet sie dieses Schlagwort nicht ein einziges Mal – und dies wahrscheinlich bewusst. Ein Blick in das Literaturverzeichnis von „Roman Republics“ verrät: Hier handelt es sich um ein wohlrecherchiertes „Who-is-who“ der Forschung zur römischen Republik, das um einige aussagekräftige Titel methodologischer Provenienz ergänzt wurde.

An Flowers Konzeption gäbe es vieles anzumerken und zu hinterfragen, es sei hier jedoch nur beispielhaft ein einzelnes Problem benannt, welches den Übergang von Flowers vierter zur fünften Republik betrifft. Dieser sei 139 anhand der lex Gabinia zu greifen, da sie mit ihren Folgegesetzen die geheime Wahl in Rom konstituiert und so den Wählern mehr Unabhängigkeit zugesichert habe (S. 72–75). Flower räumt zwar ein, dass der neue Modus und seine Wirkungen schwer zu beurteilen bleiben, doch dürfte diese Einschätzung nicht weit genug gehen. Hätten die leges den Wählern tatsächlich größere Unabhängigkeit zugesichert, dann wäre die Kritik an ihnen nicht nur eine Randnotiz bei Cicero geblieben. Nach allem, was wir aus den Quellen zweifelsfrei sagen können, wird mit der Änderung des Wahlmodus weder der Grad der Unabhängigkeit der clientes von ihren patroni signifikant gesteigert, noch lässt sich irgendeine merkbare Änderung im allgemeinen Wahlverhalten feststellen.1 Überhaupt erscheint dem Rezensenten hinsichtlich Flowers Kriterium der „politischen Praxis“ der Unterschied zwischen einigen Republiken, besonders zwischen den drei „mittleren“ von 300 bis 88 v.Chr. (Republiken 3–5), konzeptionell nicht sonderlich gravierend zu sein. Zudem werden andere denkbare Periodisierungsmuster wie Außenpolitik oder kulturelle Entwicklung ausgeblendet.2

Das gesamte Vorhaben weist unverkennbare und auch dezidiert benannte (S. 19) Anleihen an der Geschichte Frankreichs auf. Flowers Konzept unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Aspekt von seinem Vorbild: Die französischen Republiken endeten jeweils mit mehr oder minder freiwilligen, trotzdem aber klaren Bekenntnissen zu neuen Systemen, sei es nun die Ausrufung des zweiten Kaiserreiches 1852, die Kapitulation gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland 1940 oder die offizielle Verabschiedung der aktuellen Verfassung Ende 1958. Solche expliziten Gründungsakte fehlen uns für Rom jedoch völlig. Es ergibt sich somit in der Quintessenz eigentlich nur die Frage, ob der Leser ein Mindestmaß an Kongruenz zwischen eigener Perspektive und dem Veto der Quellen voraussetzt oder ob er geneigt ist, Periodisierung lediglich als „the most basic tool“ (S. 3) der eigenen, zeitgenössischen Rekonstruktion und Analyse vergangener Ereignisse zu betrachten.

Doch auch wenn Letzteres nicht zutrifft, werden die vielen Fragen, Hinweise und Denkanstöße, die dieses knappe Buch in sich birgt, in Zukunft von sich reden machen. Für besonders erwähnenswert hält der Rezensent zwei Punkte: zum einen die von Flower völlig zu Recht mehrfach betonte Erkenntnis, dass interne Gewalt per se eine Antithese zu all jenem darstellt, was die römische Republik vorher konstituiert hat (z.B. S. 92–96). Zum anderen bleibt die Frage, ob Flowers „politics of consensus and compromise“, die das Hauptcharakteristikum der Republiken der nobiles zwischen 300 und 88 ausmachen, nicht genau jenes topische „golden age of harmony“ der klassischen Mittleren Republik in konkrete Worte fassen, gegen das sie eigentlich vorgehen wollte (S. 62–65). Flowers „Roman Republics“ kann daher nur wärmstens zur Lektüre empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Christoph Lundgreen, Geheim(nisvoll)e Abstimmung in Rom. Die leges tabellariae und ihre Konsequenzen für die Comitien und die res publica, in: Historia 58 (2009), S. 36–70, der bes. auf S. 47–54 hervorhebt, dass gerade die oft bemühte Geheimhaltung bei genauerer Betrachtung nicht aufrecht zu erhalten bleibt. Es ließe sich außerdem ebenso gut vermuten, dass die Klienten erbost darüber wären, wenn sie nach langer Reise den boni ihre Dankbarkeit nicht offen bekunden könnten.
2 Diesen Hinweis verdankt der Rezensent Rene Pfeilschifter, dessen Erfahrung und kritischer Blick diese Rezension maßgeblich bereichert haben.

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