Cover
Titel
The Golden Leaf. How Tobacco Shaped Cuba and the Atlantic World


Autor(en)
Cosner, Charlotte A.
Erschienen
Anzahl Seiten
214 S.
Preis
€ 32,43
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Jacob, Queensborough Community College, City University of New York

Das wissenschaftliche Interesse am Thema Tabak ist derzeit groß.1 Die Tabakpflanze hat seit ihrer Verbreitung auf unterschiedliche Weltteile durch Christoph Kolumbus und andere Konquistadoren eine erstaunliche Wirkung entfaltet, und das nicht nur in ökonomischer, sondern auch in politischer, sozialer und kultureller Hinsicht.2 Charlotte Cosners Buch beleuchtet die globale Tragweite des kubanischen Tabakanbaus. Mit diesem Ansatz reiht sie sich in die bisherige Forschung zum Thema ein (S. 3f.) Auch sie möchte aus einer nationalen Perspektive die globalen Auswirkungen der Kulturpflanze herausarbeiten, von der Kolumbus zunächst so unbeeindruckt schien (S. 1). Dass die Nutzpflanze schnell zu einer der wichtigsten Einnahmequellen der „Neuen Welt“ wurde und nicht nur die Geschichte Spaniens und seines Kolonialreiches, sondern in erster Linie die Geschichte Kubas beeinflusste, wird von Cosner unterstrichen (S. 2f.) und soll hier im Folgenden eingehender betrachtet werden.

Im ersten Kapitel wird ein Überblick über die Verbreitungs- und Rezeptionsgeschichte gegeben, der als Einstieg für ein allgemeines (auch nicht-akademisches) Publikum verstanden werden muss. Einem sachkundigen Leser werden keine Neuigkeiten offeriert. Der Fokus des kurz geratenen Kapitels liegt auf dem transatlantischen Handel der nordamerikanischen Kolonien mit England und dem spanisch-kubanischen Handelsverhältnis. Hierfür werden jeweils entsprechende Verbrauchszahlen bereitgestellt, die jedoch – ob der zeitlichen Differenzen – nur schwer miteinander vergleichbar sind (S. 15ff.). Nicht zuletzt deshalb wirkt die Einleitung wie ein Potpourri aus unterschiedlichen Informationen, die die Autorin kaum in eine sinnstiftende Ordnung zu bringen in der Lage ist.

Das folgende Kapitel vergleicht Tabak-Anbautechniken in Virginia und auf Kuba. Bei der Lektüre drängt sich, wie bereits im ersten Kapitel, die Frage auf, welcher Mehrwert durch diesen Vergleich erzielt werden soll. Es kann letztlich lediglich konstatiert werden, dass ähnliche Bedingungen mit Blick auf Wetter und Boden zu einem erfolgreichen Tabakanbau führten, der in politisch-wirtschaftlicher Hinsicht gleichwohl ganz anders strukturiert war (S. 30f.). Dem komparativ arbeitenden Historiker kommen hier Zweifel am Sinn des Kapitels, zumal der Vergleich im weiteren Verlauf der Argumentation nicht wieder aufgegriffen wird.

Im dritten Kapitel steigt die Qualität der Untersuchung erheblich. Auf Archivalien aus kubanischen und spanischen Archiven fußend, untersucht Cosner die Rolle des seit 1717 auf der Insel existierenden Tabakmonopols für die kubanische Bevölkerung sowie das spanische Kolonialreich. Analysiert wird also nicht nur der Einfluss des Monopols auf den Rest der Kolonialwirtschaft; vielmehr beleuchtet die Autorin auch eingehend die Konsequenzen des Tabakanbaus für die Genese und Entwicklung der kolonialen Gesellschaft auf der karibischen Insel. Cosner konstatiert, dass es sich bei den Tabakbauern (vegueros) nicht um eine homogene, sondern alle Gesellschaftsschichten umfassende Gruppe handelt. Diese These kann sie anhand einiger Fallbeispiele überzeugend belegen (S. 45–67).

Kapitel 4 lotet die Relevanz des kubanischen Monopols für die spanische Kolonialordnung aus. Die Tatsache, dass spanische Tabakkonsumenten den Tabak der Karibikinsel bevorzugten (S. 18), ließ diesen Wirtschaftszweig an Stellenwert gewinnen und sorgte dafür, dass die spanische Krone alles daran setzte, die Herstellung und den Vertrieb dieser begehrten Handelsware zu kontrollieren. Hierbei waren die nach Kuba entsandten spanischen Verwaltungsbeamten von zentraler Bedeutung, denen die Kontrolle über die Tabakindustrie oblag (S. 83).

Im fünften Kapitel untersucht Cosner die Auswirkungen dieser strikten Kontrolle auf die kubanischen Anbauer sowie die Gesellschaft der Insel insgesamt. Diese veränderte sich nicht zuletzt, weil auch Sklaven – 1765 waren es etwa 120 – in der Tabakfabrik des Monopols zur Arbeit herangezogen wurden (S. 95). Während eingangs bereits darauf hingewiesen worden war, dass Tabak dazu beitrug, die kubanische Gesellschaft zu formen (S. 6), analysiert Cosner diesen Einfluss nun en detail. Erneut wird die Rolle der spanischen Beamten betont, die auch den Export der Handelsware zu überwachen hatten (S. 97). Diese strikte Observation des Handels mit dem „braunen Gold“ führte zu mannigfaltigen Versuchen, das Monopol zu umgehen (S. 95–97ff.).

Eben diesen Versuchen widmet sich das sechste Kapitel (S. 100–117). Das Verstecken von Tabak, der Verkauf an inoffizielle – also nicht dem Monopol angehörige – Käufer sowie der Schmuggel durch Piraten waren Wege, den offiziellen Handel zu umgehen, was ein dauerhaftes Problem der Kolonialverwaltung darstellten. Der illegale Handel beeinträchtigte die Qualität des nach Spanien exportierten Tabaks (S. 117), da es sich bei diesem ja nicht um die „erste Ware“ handelte.

Das letzte Kapitel behandelt schließlich die Rolle internationaler Konflikte und deren Einfluss auf den kubanischen Tabakhandel. In aller Kürze werden Ereignisse wie der Siebenjährige Krieg (1756–1763) oder der Unabhängigkeitskrieg der USA (1861–1865) und deren Folgen für das spanische Kolonialreich im Allgemeinen und Kuba im Speziellen angesprochen. Ein Brückenschlag zu einer gesamtatlantischen Perspektive gelingt indes auch hier nicht.

Die Gesamtwertung der Studie muss differenziert ausfallen. Der Teil, der sich dezidiert mit Kuba beschäftigt, ist hervorragend ausgearbeitet. Mit der angekündigten transatlantischen Perspektive hat sich Cosner aber ganz offensichtlich übernommen. Man könnte die Abhandlung deshalb kritisch als einen Beleg für ein gravierendes Problem der US-amerikanischen Geisteswissenschaften per se betrachten. Vielversprechende Themen werden in oft sehr kurzen Dissertationen nicht ausreichend durchdrungen und anschließend nach den Wünschen des Verlags zu einem Buch für ein allgemeines Lesepublikum umgestaltet. „Gewollt, doch nicht gekonnt“ trifft es daher wohl am ehesten. Mit einem dezidierten Fokus auf ihr eigentliches Untersuchungsthema und ohne zu große Rücksichtnahme auf einen potentiell größeren Absatzmarkt, der heute nicht selten nach transatlantischen und globalen Perspektiven verlangt, hätte Cosner einen hervorragenden Beitrag zu Forschung liefern können. So gehen jedoch die sehr guten Kapitel an zahlreichen Stellen in den marktorientierten Schablonen einer halbherzigen Globalgeschichtsschreibung unter. Es bleibt zu hoffen, dass Cosner noch einmal Zeit, Muße und den richtigen Verlag finden wird, das Potential ihres Untersuchungsgegenstandes voll auszuschöpfen, denn auf solch einen Beitrag würden sich auch die Experten freuen.

Anmerkungen:
1 Vgl. zum Beispiel Dirk Schindelbeck u.a., Zigaretten-Fronten. Die politischen Kulturen des Rauchens in der Zeit des Ersten Weltkriegs, Marburg 2014.
2 Vgl. dazu unter anderem: Thomas Hengartner, Tabak, in: Thomas Hengartner / Christoph Maria Merki (Hrsg.), Genussmittel. Ein kulturgeschichtliches Handbuch, Frankfurt am Main 1999, S. 169–193.

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