Die Frage nach den Friedenskonzeptionen in juristischen Schriften aus dem Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges verdient umso größere Beachtung, als nicht nur die historische Friedensforschung, sondern auch verwandte Disziplinen und sogar Politik und Politikberatung sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Konfliktstrukturen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie den Konzepten, Strategien, Praktiken und Instrumenten befassten, die zu ihrer Lösung entwickelt wurden. Wenngleich hinsichtlich des Problems der Pertinenz und Tragweite frühneuzeitlicher Friedenskonzeptionen und Konfliktbewältigungsstrategien für das Verständnis gegenwärtiger Konfliktlagen kein Konsens erzielt wurde, kommt den juristischen Ordnungsmodellen, die mit dem Ziel der Konfliktbeilegung bzw. Friedenssicherung entwickelt wurden, zweifellos eine zentrale Funktion bei der Herstellung von Friedensfähigkeit zu.
Die 2017 an der Universität Osnabrück verteidigte und im Folgejahr publizierte Dissertation Volker Arnkes erschließt der Forschung einen bemerkenswerten juristischen Beitrag zur Friedensdiskussion im Dreißigjährigen Krieg. Der 1619 bis 1634 an der Wittenberger Leucorea, später als Anwalt in Hamburg und sachsen-lauenburgischer geheimer Rat wirkende Nicolaus Schaffshausen entwickelte, wie Arnkes Studie überzeugend darlegt, in seinem Werk „De Pace“ ein positives Friedensverständnis, das sich insofern von dem zeitgenössisch in juristischen Traktaten dominierenden negativen Friedensverständnis als der Abwesenheit von Krieg deutlich abhob. In ihren drei Auflagen erfuhr die 1629, 1632 und 1640 publizierte Friedensschrift erhebliche Veränderungen, durch die sich die nach Entstehungskontext, Form und Inhalt ursprünglich akademisch-juristische Abhandlung zu einem Beitrag zur Politiktheorie und -beratung wandelte. Schon durch diesen Wandlungsprozess wird deutlich, dass mit Schaffshausens Friedenstraktat ein ebenso für die historische Forschung wie für die Rechtsgeschichte und Politikwissenschaft, aber auch für die Theologie und Religionsgeschichte wertvoller Schatz geborgen werden konnte, der (ebenso wie sein kaum bekannter Autor) in der früheren Forschung weitestgehend vernachlässigt worden war.
Im Anschluss an die den Regeln der Kunst gemäß verfasste Einleitung (1.), die Gegenstand, Fragestellung, Forschungsstand und Quellengrundlage ebenso wie die an der Historischen Friedensforschung sowie der Historischen Semantik orientierte Methode und die sich an Thomas Katers vier Dimensionen des Friedensbegriffs (Prozesshaftigkeit, Attribute, Bezugsräume, Relation zum Krieg) anlehnende Herangehensweise prägnant umreißt, gliedert sich der Hauptteil des Buches in drei Kapitel. Das 77 Seiten umfassende erste Hauptkapitel (2.) verortet Schaffshausens Friedensschrift auf drei Ebenen in ihrem ideengeschichtlichen, politischen sowie biographischen Kontext. Es resümiert zunächst den aktuellen Kenntnisstand zur Entstehung und Entwicklung des Reichsstaatsrechts im ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert, die darin behandelten Themen sowie insbesondere die Thematisierung des Friedens. Die sich anschließende Skizzierung des politischen, universitären sowie biographischen Kontextes betritt zum Teil Neuland, insofern über das Leben Schaffshausens, sein Wirken in Wittenberg und Hamburg sowie über die akademischen Zusammenhänge der Entstehung seiner Friedensschrift bislang wenig bekannt war.
Den Kern des Hauptteils bildet nicht nur umfangmäßig (mit 125 Seiten), sondern auch vom wissenschaftlichen Ertrag her das zweite Hauptkapitel (3.), das eine detaillierte, vergleichende Analyse der drei Werkausgaben in quantitativer wie qualitativer Hinsicht bietet. Von den Frontispizen über die Widmungen und die einzelnen Sektionen der Friedensschrift bis hin zu den Marginalien und Indizes spürt der Verfasser den unscheinbarsten Einzelheiten nach, zählt die quantitative Zu- bzw. Abnahme der einzelnen Abschnitte von Auflage zu Auflage absolut wie relational akribisch nach und versucht eine qualitative Deutung all dieser größeren und kleineren Veränderungen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen politischen und persönlichen Entwicklung, die Schaffshausens Leben und Wirken prägten. Über diesen vielen Einzelheiten verliert Arnke seinen Leser jedoch nicht, denn es gelingt ihm, deren Relevanz für die größeren Zusammenhänge aufzuzeigen und die Transformation der (auf einer Wittenberger Disputation von 1629 beruhenden) akademischen Schrift zu einem Medium der politischen Praxis und Politikberatung offenzulegen. Manche Erklärung inhaltlicher Verschiebungen muss angesichts der Quellenlage auf der Ebene des Hypothetischen verbleiben. Bisweilen hätte sich der Leser einen tiefergehenden Einstieg in inhaltlich höchst spannende Aspekte gewünscht, die in Schaffshausens Traktat behandelt werden, während ihre Referierung in Arnkes Untersuchung sich passagenweise eher auf Themenangaben aus den einzelnen Sektionsüberschriften und Marginalien beschränkt.
Mit neun Seiten (darunter eine ganzseitige Abbildung) viel zu knapp fällt im dritten Hauptkapitel (4.) der Vergleich mit zwei anderen zeitgenössischen juristischen Traktaten aus, die sich als Beiträge zur Reichspublizistik mit der Friedensthematik befassten: Christoph Besolds „De pace pacisque iure“ von 1624 und Franz David Bonbras „Ars belli ac pacis“ von 1643. Da ersteres Werk keine Paratexte enthält, werden nur in der vergleichenden Betrachtung der Hauptteile, die knapp drei Seiten umfasst, alle drei Schriften herangezogen. Entsprechend dünn fallen für diesen komparatistischen Ansatz die im Übrigen in der Zusammenfassung (5.) pointiert resümierten Resultate der Untersuchung aus.
Arnkes Studie argumentiert auf dem Stand der jüngsten Forschung, die der Verfasser ebenso wie die einschlägigen Beiträge aus der älteren Literatur kennt, im 27 Seiten umfassenden Literaturverzeichnis dokumentiert und für seine Untersuchung fruchtbar macht. Den Kern des Quellenkorpus bilden die drei Auflagen von Schaffshausens Friedensschrift. Darüber hinaus werden dessen übrige Publikationen, weitere Druckschriften (deren Verzeichnis 79 Einträge umfasst) sowie in begrenztem Umfang archivalische Quellen aus Universitäts-, Stadt- und Staatsarchiven benutzt, die nähere Auskunft zu Schaffshausens Familie, Leben, Wirken und Werk geben.
Die Darstellung ist sprachlich gefällig, dabei begrifflich und sachlich präzise formuliert. Das für eine Qualifikationsschrift außergewöhnliche stilistische Niveau verdient ebenso Beachtung wie die akkuraten deutschen Übersetzungen der zitierten lateinischen Quellen. Druck- und Flüchtigkeitsfehler sind zwar eher selten, finden sich sowohl in der Darstellung als auch im Anhang aber gelegentlich doch: So sind etwa zwei von Heinz Duchhardt herausgegebene Sammelbände im Literaturverzeichnis (S. 269 f.) doppelt aufgenommen (mit unterschiedlichen Angaben zu den jeweiligen Mitherausgebern). Mehrfach finden sich am Ende der bibliographischen Aufnahme von Monographien Seitenangaben, die eventuell darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden Titel aus den Fußnoten kopiert wurden; auch die Aufnahme der Aufsatzsammlung J.G.A. Pococks unter dem Eintrag zu Martin Mulsow (S. 280) dürfte auf diese Fehlerquelle zurückzuführen sein. Die Entlassung Wallensteins gehört zum Kurfürstentag in Regensburg 1630, nicht Mühlhausen 1627 (S. 66). Die Goldene Bulle stammt von 1356, nicht 1495 (S. 185).
Desungeachtet liefert die Arbeit einen wichtigen Beitrag zur juristischen und politiktheoretischen Friedensdiskussion des 17. Jahrhunderts und identifiziert dabei einen der wenigen Autoren, die ein positives (in diesem Fall im Kern augustinisches, auf die europäische Christianitas beschränktes, aber auch auf der Freiheit der Reichsstände und der Religionsausübung basierendes und damit Innen und Außen nicht scharf trennendes, sicherheitsorientiertes) Friedensverständnis entwickelten. Dessen Beitrag zur Friedensdiskussion wird detailliert und nahezu erschöpfend analysiert. Originell erscheinen der positive Neutralitätsbegriff Schaffshausens, der mit Axel Gotthards Befunden zur zeitgenössisch dominierenden negativen Konnotation kontrastiert, sowie die Deutung von Neutralität, Religion und Bündnispolitik als Friedensgründe („causae pacis“). Allerdings bleiben die fundierte komparatistische Untersuchung und damit die exakte zeitgenössische Einordnung der behandelten Friedensschrift, die mit ihren aggressiven, stereotypengeprägten antiwelschen und antijesuitischen Spitzen auch eine prononciert konfessionelle Parteischrift darstellt, im juristischen und politiktheoretischen Diskurs ein Desiderat der Forschung.