Cover
Titel
Screening Divinity.


Autor(en)
Maurice, Lisa
Erschienen
Anzahl Seiten
XII, 228 S.
Preis
€ 102,28
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Kleu, Historisches Institut, Universität zu Köln

In der Einleitung (S. 1–18) ihrer Studie zur Darstellung des Göttlichen in Film und Fernsehen erläutert Lisa Maurice zunächst, dass Bibelfilme und Filme mit griechisch-römischen Gottheiten bisher in der Regel unabhängig voneinander untersucht wurden, wobei sie diese Trennung zu überwinden versucht, indem sie mit der Präsentation des Göttlichen das Gemeinsame beider Genres hervorhebt und daher folgerichtig von „divinity movies“ (S. 3) spricht. Aufgrund der Fülle des Materials konzentriert sich die Untersuchung hauptsächlich auf englischsprachige Produktionen, die ab der Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind, wobei aufgrund einer Fokussierung auf die Perspektive einer nicht näher spezifizierten westlichen Welt islamische Filme größtenteils ausgeklammert werden (S. 3f.).

Kapitel 2 (S. 20–39) trägt den Titel „Anthropomorphism“ und beginnt mit einem kurzen Überblick über moderne Ansichten zu diesem Thema, bevor die anthropomorphe Darstellung griechischer Götter in Film und Fernsehen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Um anthropomorphe Gottheiten von Menschen unterscheiden zu können, werden sie in der Regel in Anlehnung an antike Statuen inszeniert, wobei eindeutige Symbole wie Blitz oder Dreizack eine direkte Zuordnung ermöglichen. Hinzukommen Lichteffekte und eine übermenschliche Körpergröße. Eine weitere Herangehensweise ist, die Gottheiten in einer Umgebung auftreten zu lassen, die z.B. durch Marmorsäulen und Wolken Assoziationen mit dem Olymp oder dem Himmel weckt. Als schwieriger erweisen sich die jeweiligen Darstellungen von Jesus und dem jüdisch-christlichen Gott in Film und Fernsehen, da hier wesentlich leichter religiöse Gefühle verletzt werden können als beim griechisch-römischen Pantheon. In Bezug auf den jüdisch-christlichen Gott erscheint bemerkenswert, dass dieser öfters über ihn repräsentierende Stellvertreter dargestellt wird und dass nur in Ausnahmefällen das populäre Bild vom älteren Mann mit weißem Bart zu finden ist.

Während das zweite Kapitel die griechisch-römischen Göttinnen und Götter eher im Allgemeinen und den jüdisch-christlichen Gott äußerst kurz betrachtet, folgen im dritten Kapitel (Physiology and the Physical Appearence of the Divine (I): The Patriarchal King Figure and the Devil, S. 40–68) ausführlichere Betrachtungen von Zeus und dem jüdisch-christlichen Gott auf der einen und Hades und Satan auf der anderen Seite. Bei beiden Paarungen zeigen sich größere Überschneidungen, wobei in der Darstellung der griechischen Götterbrüder deutliche Einwirkungen des Christentums zu verzeichnen sind, da Zeus öfters dem jüdisch-christliche Götterbild ähnelt und Hades erstaunlich häufig mit Satan vermischt wird. Die beiden Vatergottheiten wurden traditionell positiv dargestellt, doch zeigt sich in den letzten Jahren eine deutlich kritischere, durchaus auch mit negativen Bildern verbundene Herangehensweise. Umgekehrt verhält es sich bei Hades, dessen popkulturelle Wahrnehmung stark durch Disneys „Hercules“ (1997) geprägt zu sein scheint und der zunehmend weniger böse charakterisiert wird. Diese sich wandelnden Darstellungen führt Lisa Maurice auf einen gesellschaftlichen Wandel zurück, der mit einem Bedeutungsverlust des Christentums zusammenhänge.

Kapitel 4 setzt den Themenkomplex „Physiology and the Physical Appearence of the Divine“ fort, wobei nun die männlichen Götter des Olymps und Jesus im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen (S. 69–92). Dieses Kapitel beginnt mit Überlegungen zum „gottähnlichen“ Status von männlichen Filmstars, worauf eine allgemeine Beschreibung der Darstellung griechischer Götter sowie Einzeluntersuchungen zu Hermes, Apollon, Poseidon und Dionysos folgen. Im Anschluss an ein Unterkapitel zu Jesus stellt die Autorin in einem Zwischenfazit fest, dass dieser und die griechischen Götter äußerst unterschiedlich auf der Leinwand inszeniert werden, obwohl es losgelöst von Film und Fernsehen deutliche Überschneidungen in der Darstellung gebe. Hinzu kommt, dass Jesus produktionsübergreifend optisch wesentlich einheitlicher in Erscheinung tritt als die einzelnen Olympier.

Weiter geht es mit „Gendering the Divine (I): Greek Goddesses on Screen“ (S. 93–126). Hier präsentiert Maurice zunächst die klassische Diva oder „screen goddess“. Daran anschließend stellt die Autorin die filmischen Auftritte von Hera, Athene, Artemis und Aphrodite vor, wobei sie zu der überraschenden Erkenntnis kommt, dass sich in deren Darstellung von der Mitte des 20. Jh. bis heute keine nennenswerte Veränderung feststellen lässt, obwohl sich das Frauenbild in der Gesellschaft im selben Zeitrahmen deutlich gewandelt hat. So ist Hera auch in aktuelleren Produktionen die ihrem Mann untergeordnete Frau des Zeus, während Artemis in ihrer Funktion als Jägerin eher männlich inszeniert wird. Aphrodite ist in der Regel positiv belegt, aber auf die Repräsentation weiblicher Sexualität und romantischer Liebe beschränkt. Als wesentlich interessanter erweist sich Athene, was damit zusammenhängen mag, dass diese als jungfräuliche Göttin der Weisheit, des Krieges und des Handwerks eine Vielfalt aufweist, die eine tiefergehende Charakterisierung erleichtert.

Den griechischen Göttinnen werden in Kapitel 6 (Gendering the Devine (2): Holy Female Figures in the Judaeo-Christian Film, S. 127–146) entsprechende Frauen aus dem jüdisch-christlichen Kontext gegenübergestellt. Bei Jesu Mutter Maria argumentiert Maurice überzeugend, dass Maria als „heilige Jungfrau“ und „Mutter Gottes“ sowie wegen des besonders im Katholizismus ausgeprägten Marienkults durchaus als göttlich eingestuft werden kann. Wenig nachvollziehbar erscheint hingegen, dass die Autorin auch Maria Magdalena in einem eigenen Unterkapitel thematisiert. Jedenfalls arbeitet das sechste Kapitel heraus, dass die jeweiligen Darstellungen der Maria und der Maria Magdalena sehr facettenreich sind, was damit zusammenhängen mag, dass sich auf diese beiden zentralen Frauen im Leben Jesu alles konzentriert, was bei den griechischen Göttinnen auf mehrere Charaktere verteilt werden kann.

Mit dem siebten Kapitel kommen wir zu den „Human-Divine Interactions on Screen“ (S. 147–184). Hier beginnt die Autorin mit Wundern, die indirekte Auftritte von Gottheiten darstellen. Von den Wundern geht es weiter zu Theophanien und Epiphanien. Da es bei den griechisch-römischen Göttinnen und Göttern schon in der antiken Überlieferung üblich ist, den Menschen in anthropomorpher Gestalt zu erscheinen, kann dies auch in Film und Fernsehen entsprechend gehandhabt werden. Beim jüdisch-christlichen Gott werden eher stellvertretende Darstellung wie der brennende Dornenbusch gewählt, während Jesus im christlichen Kontext als Repräsentant für seinen Vater genutzt werden kann. Religionsübergreifend treten Propheten auf, die verkünden, was ihre jeweiligen Göttinnen oder Götter ihnen mitgeteilt haben. Die Kunst der Wahrsagerei (Mantik, Divination) ist ein primär paganes Phänomen und findet sich regelmäßig in Produktionen, deren Handlungen in der Antike spielen. Gebete eignen sich, um die Fremdheit der griechisch-römischen Kulte zu unterstreichen. Dennoch ist die Darstellung häufig durch moderne christliche Gebetspraktiken geprägt, was auch für den Bibelfilm gilt.

Kapitel 8 trägt den Titel „Blurring the Boundaries: Apotheoses and Deicides” (S. 185–199). In der griechischen Mythologie wird einzig Herakles von einem (Halb-)Menschen zu einem Gott, während Odysseus dies ablehnt. In dieser Tradition scheinen dann auch heutige Film- und Fernsehhelden und -heldinnen zu stehen, wenn sie sich entscheiden, Menschen zu bleiben. Denn die Menschheit wird den Göttinnen und Göttern gegenüber als letztlich überlegen präsentiert, wobei das Geschlecht der Letzteren gelegentlich sogar ausstirbt. Die Vergöttlichung römischer Kaiser wird gerne eher spöttisch betrachtet. Im Gegensatz zu den angesprochenen Helden und Heldinnen vollzieht Jesus durch seinen Tod eine Apotheose, die anders als bei den römischen Kaisern ernstgenommen wird. Insgesamt entsteht daher der Eindruck, als wären Judentum und Christentum die wahren Religionen, während dies nicht auf die griechisch-römischen Kulte zuträfe.

In einem Schlusskapitel fast Lisa Maurice die Ergebnisse zusammen (S. 200–203), bevor das Buch schließlich mit einer Filmographie (S. 204–212), einer – abgesehen von einem kurzen Aufsatz von O. Wenskus zur Antikenrezeption in Star Trek – ausschließlich englischsprachigen Bibliographie (S. 213–224) und einem Index (S. 225–228) endet.

Mit „Screening Divinity“ legt Maurice eine flüssig geschriebene und kenntnisreiche Studie zur Darstellung des Göttlichen in Film und Fernsehen vor. Zu begrüßen ist, dass sie nicht nur auf Forschungsliteratur zurückgreift, sondern auch Filmkritiken, Leserbriefe und Fanfiction in ihre Betrachtung einbezieht. So gelingt es der Untersuchung sehr überzeugend, die vielfältigen Darstellungen von Göttinnen und Göttern zu kategorisieren und auszuwerten, wobei es sich als äußerst gewinnbringend erweist, die paganen Gottheiten gleichberechtigt und objektiv neben den jüdisch-christlichen Monotheismus zu stellen. Neben wenigen Tippfehlern sind teilweise auch kleinere inhaltliche Fehler, die Nichtberücksichtigung einzelner Produktionen sowie Inkonsequenzen im Sprachgebrauch zu konstatieren. Im Gegensatz zu diesen verzeihbaren Mängeln erscheint die fast ausschließliche Nutzung englischsprachiger Literatur durchaus bedenklich.

Insgesamt betrachtet ist es aber Maurice gelungen, eine überzeugende Studie zur Darstellung des Göttlichen in Film und Fernsehen vorzulegen, die sicherlich eine hilfreiche Grundlage für zukünftige Untersuchungen darstellen wird.

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