B. Weißgerber: Die Iranpolitik der Bundesregierung 1974–1982

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Titel
Die Iranpolitik der Bundesregierung 1974–1982.


Autor(en)
Weißgerber, Bettina
Reihe
Geschichtswissenschaften
Erschienen
München 2019: utzverlag
Anzahl Seiten
241 S.
Preis
€ 54,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Bösch, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam / Historisches Institut, Universität Potsdam

Die Proteste gegen den Schahbesuch in West-Berlin 1967 gelten als Katalysator der linksalternativen Bewegung, die für Menschenrechte in der „Dritten Welt“ eintrat.1 Doch trotz des sozialliberalen Regierungswechsels von 1969 und des neuen Menschenrechtsdiskurses nahmen in den 1970er-Jahren die Beziehungen zum autoritär regierten Iran zu. 1974 entwickelte er sich zum zweitgrößten außereuropäischen Handelspartner der Bundesrepublik, gleich hinter den USA. Für kein anderes Land wurden nun derartig hohe Hermes-Bürgschaften ausgestellt. Die Bundesregierung genehmigte nicht nur Waffenverkäufe, sondern auch den dortigen Bau eines deutschen Atomkraftwerks, das bis heute für internationale Spannungen sorgt. Umgekehrt war die Bundesrepublik für Iran ökonomisch und kulturell ein zentraler Bezugspunkt, wie nicht zuletzt die vielen iranischen Studierenden in Westdeutschland unterstrichen. Mit der iranischen Revolution 1979 verkomplizierte sich dieses Verhältnis, aber die Bundesrepublik bewahrte in Abgrenzung zu den USA deutlich engere Kontakte.

Dieses Spannungsfeld zwischen Menschenrechten, Energieversorgung und ökonomischen Interessen ist bislang für die bundesdeutschen Beziehungen zu Iran und zum Nahen Osten insgesamt kaum erforscht.2 Bettina Weißgerbers Münchener Dissertation spannt in ihrer sehr knappen Einführung diesen Rahmen für Iran auf, folgt ihm dann aber nur eingeschränkt. Im Vordergrund steht bei ihr vielmehr die Arbeit des Auswärtigen Amtes. Hier kann sie durchaus interessante Befunde ausmachen. Am dichtesten und eigenständigsten sind Weißgerbers Ergebnisse zur Genehmigung bundesdeutscher Rüstungsexporte nach Iran. Deutlich wird, wie die Bundesregierung seit der ersten Ölkrise 1973 Waffenexporte mit dem Argument förderte, dies werde die Energieversorgung absichern. Weißgerber zeigt zugleich, wie komplex die Grenzziehung bei Rüstungsexporten war. Beim geplanten Verkauf von 2.000 modernen Panzern schleppte sich die Debatte in den Ministerien 1974 so lange hin, dass Iran stattdessen britische Panzer wählte. Vor allem Außenminister Genscher trat bei den Panzerlieferungen eher restriktiv auf, weil er um das deutsche Ansehen im Fall von deren Einsatz besorgt war.

Auch innerhalb des Auswärtigen Amtes differierten die Bewertungen häufig, ebenso zwischen den Ministerien bei der Abstimmung. Allerdings gab es im Unterschied zu Chile unter Pinochet gegenüber Iran keine generellen Bedenken, Waffen zu liefern, obgleich Oppositionelle auch dort verfolgt wurden. U-Boote und Fregatten für Iran wurden noch 1978 genehmigt, weil sie der darbenden Werft-Industrie zugutekommen würden. Entsprechend mobilisierte auch der Bremer SPD-Bürgermeister Hans Koschnick dafür, um den norddeutschen Schiffbau zu stützen. Und selbst Ende 1978, als bereits Millionen in Iran gegen den Schah protestierten und dieser in die Menge schießen ließ, lieferte die Bundesrepublik noch Munition für Polizeieinsätze. Die sehr detaillierte Darstellung der Bürokratiekommunikation ist in dem Buch etwas unübersichtlich, spiegelt aber die vielfältigen Positionen wider. Die britische und französische Rüstungsgenehmigung scheint zumindest bei schweren Waffen pragmatischer gewesen zu sein.

Ein weiterer wichtiger Befund ist, dass Weißgerber die aktive Rolle von Botschaftern aufzeigen kann. Während Botschafter in der jüngeren Zeitgeschichte eher als Anhängsel der Außenpolitik von Kanzler und Außenminister gelten, erscheinen sie hier als Taktgeber. Botschafter Hans-Georg Wieck (1974–1977 in Teheran) schlug etwa den Bau von deutschen Panzerfertigungsanlagen in Iran vor und berichtete von sich aus auch an den Kanzler und mehrere Minister, um seine Ideen zu forcieren. Sein Nachfolger Gerhard Ritzel (Botschafter 1977–1981) suchte sehr eigenständige Kontakte zu Khomeinis neuer Elite und vermittelte gegenüber den USA. Eher knapp bleiben Weißgerbers Erkenntnisse zur Energiepolitik (Öl, Gas, Atomkraft), obgleich diese den eigentlichen Kitt bildete. Originell ist ein Kapitel zur Beziehung zwischen Baden-Württemberg und Iran, die durch Hans Filbingers Vermittlung und Daimler besonders eng war, mit dem Ziel der Exportförderung. Das Kapitel zur Iranischen Revolution und zur Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft knüpft hingegen stärker an Bekanntes an. So macht die Autorin deutlich, dass die Bundesrepublik versuchte, die von den USA geforderten Wirtschaftssanktionen zu vermeiden. Mit Hinweis auf Altverträge genehmigte die Bundesregierung auch nach Beginn des Iran-Irak-Krieges (seit 1980) noch Maschinen zur Waffenproduktion. Die Bundesrepublik positionierte sich dabei als neutraler „ehrlicher Makler“, um eigene Interessen auch gegen die USA abzusichern.

Insgesamt hat die Studie aber deutliche Grenzen. Im Stil einer klassischen Diplomatiegeschichte werden andere Akteure (wie Amnesty International oder die Medien) eher ausgeblendet oder nur durch die Brille des Auswärtigen Amtes eingeschoben. Angesichts der ausführlichen Beschreibung, welche AA-Abteilung was vorschlug, kommt die eigentliche Umsetzung der beschriebenen Projekte zu kurz. Gut wäre sicher gewesen, angesichts der ökonomischen Orientierung auch Akten der Unternehmen zu konsultieren, etwa von Krupp oder Siemens, um deren Sicht auf die Bundesregierung und auf Iran einzubauen. Gewonnen hätte die Studie zudem, wenn sie sich stärker gegenüber den vorliegenden Arbeiten zur Menschenrechtspolitik und zu Iran positioniert hätte. Sehr lobenswert ist freilich, dass ein derartig brisantes und relevantes Themenfeld nun überhaupt erschlossen wird.

Anmerkungen:
1 Eckard Michels, Schahbesuch 1967. Fanal für die Studentenbewegung, Berlin 2017; rezensiert von Hanno Balz, in: H-Soz-Kult, 02.06.2017, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-25442 (21.10.2019).
2 Quellenfundiert bisher vor allem: Philipp Rock, Macht, Märkte und Moral. Zur Rolle der Menschenrechte in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in den sechziger und siebziger Jahren, Frankfurt am Main 2010; Frank Bösch, Zwischen Schah und Khomeini. Die Bundesrepublik Deutschland und die islamische Revolution im Iran, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 63 (2015), S. 319–349.

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