B. Yun-Casalilla: Iberian World Empires and the Globalization of Europe

Titel
Iberian World Empires and the Globalization of Europe, 1415–1668.


Autor(en)
B. Yun-Casalilla
Reihe
Palgrave Studies in Comparative Global History
Erschienen
Preis
€ 51,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Renate Pieper, Institut für Geschichte, Universität Graz

Die Ökonomien der iberischen Imperien werden in der Forschung vorwiegend einer negativen Beurteilung unterzogen, weil ihr Wachstum unzureichend und sozial unausgewogen gewesen sei. Dies wird vor allem auf die der iberischen Welt zugeschriebenen Charakteristika zurückgeführt: Hierzu zählen nach Ansicht vieler Autoren eine im Vergleich zu anderen europäischen Regionen übermäßige Abwertung manueller Tätigkeiten und des Handels, die Überbewertung eines auf Renteneinnahmen beruhenden adeligen Lebensstils, zu starke Eigentumskonzentration von agrarischen Nutzflächen durch kirchliche Institutionen, mangelnde Investitionen, technische Rückständigkeit sowie verbreitete Korruption und Nepotismus. Von diesem Zerrbild gehen sowohl die aktuelle Institutionen-Ökonomie als auch ältere, neoklassischen Theorien verpflichtete Untersuchungen aus, ebenso viele Studien zu frühneuzeitlichen Imperien, und Arbeiten, die der Unterscheidung zwischen ökonomisch-politischen Zentren und Peripherien historischer "Weltökonomien" folgen.

Die vorliegende Untersuchung von Bartolomé Yun-Casalilla hinterfragt eine derartig schematische und einseitige Beurteilung und plädiert für eine deutlich ausgewogenere Betrachtung. Dazu stellt Yun-Casalilla, anhand einschlägiger Forschungen der vergangenen Jahrzehnte, die wirtschaftlichen Entwicklungen auf der Iberischen Halbinsel und in Hispano- sowie Lusoamerika in einen 250 Jahre umfassenden Zusammenhang und untersucht sie im europäischen und globalen Kontext der Frühen Neuzeit. Er folgt dabei explizit den Vorgaben der Institutionen-Ökonomie, um deren Annahmen zu relativieren, und im Sinne einer Untersuchung der politischen Ökonomie der iberischen Imperien die wechselseitigen Beziehungen zwischen Wirtschaft, sozialen Gegebenheiten und politischer Entwicklung zu beleuchten.

Die Studie ist in drei chronologisch aufeinanderfolgende Teile gegliedert, von denen der erste vor allem den Zeitraum zwischen der Eroberung Ceutas durch die Portugiesen (1415) bis zum Ende des Aufstands der Comuneros und der Germanías gegen Karl V. in den Königreichen Kastilien und Aragonien (1521) abdeckt. Der zweite Teil befasst sich mit der darauf folgenden Zeit bis zum Tod Philipps II. (1598), und der dritte Teil behandelt die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Frieden von Lissabon (1668), in dem Spanien die portugiesische Eigenständigkeit endgültig anerkannte. Diese Periodisierung lässt erkennen, dass es Yun-Casalilla vor allem darum geht, die politischen und sozialen Entwicklungen hinsichtlich ihrer ökonomischen Wirkungen zu untersuchen. Dabei werden die vielschichtigen politisch-sozialen Gegebenheiten dargestellt, aus denen eben keine klaren ökonomischen Effekte resultierten, wie sie zuletzt die Institutionen-Ökonomie für die iberischen Imperien postuliert hat. In den einzelnen Unterkapiteln werden die Entwicklungen in Kastilien, Aragonien und Portugal jeweils gesondert dargestellt. Die amerikanischen und asiatischen Territorien der iberischen Imperien werden hingegen in ihrer Gesamtheit in jeweils einem Unterkapitel untersucht. Anschließend werden alle Gebiete hinsichtlich ihrer ökonomischen und politischen Verfasstheit zueinander in Beziehung gesetzt und dabei mit den Entwicklungen im atlantischen Europa, d. h. in Frankreich, den Niederlanden und England, sowie fallweise mit dem Osmanischen Reich verglichen. Dabei unterscheidet Yun-Casalilla unter ausdrücklichem Bezug auf die Institutionen-Ökonomie zwischen formalen und informellen Institutionen. Zwar betont er die Durchlässigkeit zwischen beiden, für seine Analyse unterscheidet er aber klar zwischen den Institutionen, die über eine gesetzliche Grundlage oder hoheitliche Verordnung verfügten, und denjenigen, bei denen es keine derartige Form der Festschreibung gab. Zu den letzteren, den sogenannten informellen Institutionen, zählt Yun-Casalilla Personennetzwerke, die von Familienmitgliedern sowie Personen mit gemeinsamer geographischer Herkunft oder Religion gebildet wurden und ebenso persönliche Verbindungen, die auf gegenseitigen Verpflichtungen, Gratifikationen und politischer Patronage beruhten. Er weist darauf hin, dass im Gegensatz zur Auffassung der Kritiker der iberischen Imperien diese Netzwerke für dauerhafte, Kontinente übergreifende, globale Aktivitäten und Beziehungen von zentraler Bedeutung waren und bei weitem nicht nur negative ökonomische Auswirkungen hatten, sondern die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den Territorien verstärkten. Zu einem ähnlichen Urteil kommt er hinsichtlich des Investitionsverhaltens von Adel und kirchlichen Institutionen. Beiden attestiert der Autor, dass sie, im Unterschied zu der in der wirtschaftshistorischen Forschung vielfach geäußerten Auffassung, ein überaus rationales und wohl überlegtes Vorgehen an den Tag legten. Es wurden ökonomische Vorteile gegenüber den Nutzen und Pflichten abgewogen, die sich aus der Pflege persönlicher Netzwerke und politischer Patronage ergaben. Diese Argumentation zieht sich durch alle Teile des Buches.

Allerdings führte das Vorgehen der ländlichen und städtischen Eliten im zeitlichen Verlauf zu unterschiedlichen Ergebnissen, die insbesondere das Verhältnis zwischen Krone und den verschiedenen Königreichen, d. h. ihres jeweiligen Adels, des Klerus und der Städte, betrafen. Hierzu geht Yun-Casalilla ausführlich auf die Formen der Besteuerung und Steuererhebung sowie der Staatsverschuldung ein und stellt fest, dass es innerhalb der iberischen polyzentrischen Imperien im 17. Jahrhundert nur in Ansätzen zu durch Steuern und Abgaben finanzierte "Staatswesen" (fiscal military state) gekommen sei. Unterstützten die Personennetzwerke und Patronageverhältnisse zunächst die Ausdehnung des Einflusses der iberischen Monarchien auf afrikanische, asiatische und amerikanische Territorien, so zeigten sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts erste ernstere Spannungen, die 1640 zum Versuch Kataloniens führten, die politische Selbständigkeit zu erlangen, wie es Portugal nach 1640 schließlich erreichen konnte. Die Verbindungen zwischen den iberischen Territorien und Amerika sowie teilweise auch diejenigen mit Asien und Afrika blieben für weitere 150 Jahre erhalten, wozu sowohl das System der öffentlichen Finanzen als auch die persönlichen Netzwerke beitrugen.

Die auf einer sehr breiten, internationalen Forschung basierende Studie überzeugt durch die nahezu gleichwertige Berücksichtigung der politisch-ökonomischen Verhältnisse in den europäischen Monarchien und in den amerikanischen Reichen. Allerdings ließen sich dabei aufgrund des großen zeitlichen und vor allem geographischen Rahmens der Untersuchung einige Fehlinterpretationen regionaler Gegebenheiten nicht immer ganz vermeiden. Hierzu zählt die Darstellung der anderthalb Jahrhunderte währenden demographischen Katastrophe auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Yun-Casalilla bezieht sich dabei auf die in der älteren Literatur genannten viel zu hohen Bevölkerungszahlen zu Beginn der Kontaktzeit. Ungeachtet dessen ist das Buch mit großem Gewinn zu lesen, da es die Räume der iberischen Imperien in ihrer Gesamtheit in einen globalen Kontext stellt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Land
Sprache der Rezension