M. Knoll: Landesherrliche Jagd Kurbayerns

Titel
Umwelt - Herrschaft - Gesellschaft. Die landesherrliche Jagd Kurbayerns im 18. Jahrhundert


Autor(en)
Knoll, Martin
Reihe
Studien zur neueren Geschichte 4
Erschienen
St. Katharinen 2004: Scripta Mercaturae Verlag
Anzahl Seiten
449 S.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katja Hürlimann, Wald- und Forstgeschichte, ETH Zürich

Die an der Universität Regensburg verfasste Dissertation analysiert sozial-, kultur- und umweltgeschichtliche Aspekte der landesherrlichen Jagd Kurbayerns und begibt sich in ein Themenfeld, das bis vor wenigen Jahren sowohl in der deutschen Forstgeschichte wie auch in der allgemeinen Geschichte wenig Beachtung fand. So wurden, wenn überhaupt, in jagdgeschichtlichen Untersuchungen aus dem Umfeld der Forstgeschichte meist nur rechts- und institutionengeschichtliche Entwicklungen diskutiert. Die Geschichtsforschung dagegen vernachlässigte die Geschichte der neuzeitlichen Jagd. Dies ist eigentlich erstaunlich, weist doch die historische Entwicklung der Jagd zahlreiche Bezüge zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen der frühneuzeitlichen Gesellschaft auf. Hier setzt Martin Knoll an und untersucht am Beispiel der landesherrlichen Jagd des kurfürstlichen Herrscherhauses im 18. Jahrhundert das «Faktorengefüge» «Umwelt-Herrschaft-Gesellschaft» (S. 3). Er zeigt, wie sich die Verfestigung gesellschaftlicher Hierarchien im Jagdwesen manifestierte: So wurde das Jagdrecht seit dem Spätmittelalter immer mehr sozialen Gruppen verwehrt. In Bayern, das in der vorliegenden Arbeit im Zentrum des Interesses steht, war das Recht auf Hochjagd seit dem 17. Jahrhundert auf das Fürstenhaus beschränkt.

Ein einführendes Kapitel (Kap. 2) steckt den rechts- und technikgeschichtlichen Rahmen ab. Im Herzogtum Bayern wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts Bauern und Bürgern die Jagdausübung untersagt und 1667 behielt sich der Landesherr auch das niedere Jagdrecht innerhalb von Bannforsten, Vorhölzern, Auen und anderen vorbehaltenen Revieren vor. Überhaupt wurde die niedere Jagd nur noch «Edelmannsfreien» zugestanden. Nur den Patrizier der vier Hauptstädte München, Ingolstadt, Landshut und Straubing gelang es, ihre jahrhundertealte Berechtigung, Rehe, Säue und Bären zu jagen, erfolgreich zu verteidigen; bis ins 17. Jh. wurde sogar das (verbotene) Waidwerk der Studenten toleriert.

In einem weiteren Kapitel beschreibt der Autor die Jagdtechnik und -praxis. Anhand der drei bedeutendsten Fangmethoden (Falknerei, eingestellte Jagd, Parforcejagd) diskutiert Knoll nicht nur Technik und Durchführung der Jagd, sondern auch das Verhältnis des Fürstenhofs zur Natur (Kap. 3). Zum «plaisir» der höfischen Gesellschaft gehörten nämlich stundenlange Todeskämpfe der Tiere. Es gab zwar bereits im 18. Jahrhundert aufgeklärte Jagdkritiker, die sich gegen die Tierquälerei wendeten, sie taten dies jedoch weniger aufgrund der Anerkennung eines Eigenrechts des Tieres als aus Angst der Übertragung der brutalen Behandlung auf Menschen. Bei allen Formen der kurfürstlichen Jagd war im Übrigen nicht die Treffsicherheit der Jäger von Bedeutung, sondern die Inszenierung der Jagd und ihre Integration in die höfische Repräsentation.

Der bayerische Fürstenhof leistete sich im 18. Jahrhundert für die perfekte Organisation und Inszenierung der Jagd ein eigenes Hofamt mit rund 60 Personen, das so genannte Oberjägeramt. Knoll analysiert die Effizienz des Amtes, das neben der Jagd auch für den Unterhalt des Waldes zuständig war und leistet damit auch einen Beitrag zur bayerischen Verwaltungs- und Forstgeschichte (Kap. 4). Die Effizienz und vor allem der Einsatz des Personals im Jagd- und Forstwesen unterschieden sich stark. Das Personal habe die Aufsicht des Waldes immer wieder zugunsten des Einsatzes für die Jagd vernachlässigt, was sich u.a. in der zeitgenössischen Kritik an der Ausübung der Kontrolle über das Forstwesen durch das Jagdamt zeige. Die meist schlecht bezahlten Beamten besserten im Übrigen ihr Gehalt durch Gebühren bei Holzentnahme und durch Korruption auf. Es ist zu bedauern, dass Knoll die sozialen Beziehungen der Aufsichtspersonen zur Landbevölkerung nicht detaillierter untersucht. Diese standen, da sie ja vermutlich auf dem Land lebten, in einem ständigen Konflikt zwischen Ansprüchen der Dorfbevölkerung und jenen der Landesherrschaft.

Aus quellenkritischen Gründen verzichtet Knoll zwar auf die Zusammenstellung eines Gesamtetats für die Jagd, trotzdem kann er belegen, dass der landesherrliche Jagdbetrieb ein «stark defizitäres Feld» (S. 392) gewesen ist. Bereits die Ausgaben für das Hofküchen- und Kelleramt auf Reisen, den Rechnungen des Oberjägeramts sowie weiteren Rechnungen des fürstlichen Hofes ließen auf immense Jagdausgaben schließen. Leider verknüpft er die spannenden Berechnungen nicht mit dem Kapitel zur Machtdarstellung, in dem er die Repräsentationsfunktion der Jagd darlegt. So hätten der symbolische Wert der Jagd im bourdieuschen Sinne als Kapitalform diskutiert und der defizitäre Charakter der Jagd im monetären Bereich in ein gesellschaftliches Umfeld gestellt werden können. Knoll übernimmt in diesem Kapitel beinahe die Argumentation der kameralistisch gebildeten Publizisten des 18. Jahrhunderts, die die Unrentabilität der Jagd wie auch die verlorene ökonomische Wertschöpfung durch die unterlassene Holzproduktion kritisierten. Allerdings bekamen die Kritiker an der Jagd, verfolgen wir die gesellschaftlich-politische Entwicklung weiter, schließlich Recht: Die Verbürgerlichung des herrschaftlichen Lebensstils beschleunigte auch den Wandel in der Jagdkultur. So verloren beispielsweise die großen höfischen Inszenierungen zugunsten der Pirsch an Bedeutung.

Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit den Wirkungen der landesherrlichen Jagd auf nicht herrschaftliche Bereiche, auf die ländliche Gesellschaft und die Umwelt. Der Autor erläuterte, wie stark Dienst- und Abgabepflicht, Wild- und Jagdschäden sowie Beschränkungen der Gerechtigkeiten der Waldnutzung die Ökonomie der Bevölkerung der Jagdbezirke beeinträchtigten (Kap. 5). So sei beispielsweise die Geldabgabe zur Ablösung des Jagdscharwerks (Frondienst für die herrschaftliche Jagd) zu einer zusätzlichen Belastung geworden, da diese monetäre Abgabe (im Gegensatz zu den Diensten während der Jagd) nun regelmäßig von allen Untertanen eingezogen worden sei. Konfliktverschärfend in der latenten Auseinandersetzung zwischen Jagdadministration und ländlicher Bevölkerung erwies sich die willkürliche und durch Übergriffe geprägte Amtsführung des Forst- und Jagdpersonals. Bäuerlicher Widerstand wurde nur in den seltensten Fällen publizistisch dokumentiert. Zu Recht hat der Autor deshalb die Protokolle und Rechnungen des Pfleggerichts Starnberg beigezogen. Die Bauern verweigerten die Abgaben, setzten Hunde ohne die hindernden Prügel zur Vertreibung des Wildes von ihren Feldern ein oder wilderten in den obrigkeitlichen Waldungen. Es wäre allerdings noch zu untersuchen, inwieweit die Konzentration gewisser Vergehen auf eine bestimmte Zeit mit ihrem gehäuften Auftreten oder mit einer härten Verfolgungspraxis zu tun haben. In Bayern wurde Wilderei nicht nur als Eigentumsdelikt gesehen, sondern auch als Ungehorsamkeit gegenüber der Obrigkeit. Im Zusammenhang mit Forstfrevel, zu dem die Wilderei auch gezählt werden muss, erstaunt dies, denn bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Holzdiebstahl milder als Diebstahl, auf dem die Todesstrafe stand, bestraft.

Im letzten Hauptkapitel wird die landesherrliche Jagd ökologisch diskutiert (Kap. 6). Am Beispiel des Wildtiermanagements untersucht Knoll die Beeinflussung der natürlichen Umwelt durch den Menschen. Da die höfische Jagd die eingeladenen Gäste beeindrucken sollte, musste eine ausreichende Dichte an Wild vorhanden sein, die einen Erfolg garantierte und die äußerte sich natürlich in stärkeren Schäden. Die Rekonstruktion der Populationsdichte erwies sich zwar für das 18. Jahrhundert aus quellenkritischen Gründen als unsicher, so dass die ökologische Verträglichkeit der landesherrlichen Jagd deshalb nur bedingt überprüft werden konnte. Die Schäden an den Feldern scheinen jedoch gewaltig gewesen zu sein.

Die kurfürstliche Jagd wirkte sich auch die Landschaft Bayerns aus, da sich der absolutistische Machtwille nicht auf die Menschen beschränkte, sondern die Fürsten auch nach der Unterwerfung des Landes trachten ließ. Landschaftlich-morphologische und physikalische Gegebenheiten wurden durch künstlich gestaltete Umgebungen (Schlossbauten, Wasserspiele, Kanalbauten, Gärten, Alleen oder Prunkschiffe) ersetzt. Eine «jagdliche Erlebnislandschaft» ermöglichte nicht nur die Fortbewegung des höfischen Trosses, sondern symbolisierte die Herrschaft des Kurfürsten.

Knoll zeigt, wie vielfältig das Thema Jagd historisch diskutiert werden kann. Er tut dies gekonnt mit unterschiedlichen methodischen und inhaltlichen Zugängen: von der Technikgeschichte über kulturgeschichtliche Fragestellungen bis hin zur Umweltgeschichte. Er leistet damit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur deutschen Jagdgeschichte, sondern auch zur Adels- und Umweltgeschichte des 18. Jahrhunderts. Die klare Strukturierung der Arbeit in juristische, technische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte hilft der Orientierung in der thematisch vielfältigen Arbeit, wenn auch ab und zu etwas mehr Durchlässigkeit zu den andern Themenbereichen wünschenswert wäre. Seine eingangs formulierte Frage nach dem Funktionszusammenhang von Umwelt-Herrschaft-Gesellschaft würde eigentlich eine engere Verknüpfung der einzelnen Kapitel nahe legen. Abschließend muss jedoch festgehalten werden, dass Martin Knoll mit seiner umfangreichen, gut recherchierten und innovativen Arbeit, v.a. durch die Verbindung von Kultur- und Umweltgeschichte, die historische Forschung zur Jagd im 18. Jahrhundert zweifellos bereichert hat.