Cover
Titel
Funken für die Freiheit. Die U.S.-amerikanische Informationspolitik gegenüber der DDR von 1953 bis 1963


Autor(en)
Riller, Schanett
Reihe
Mosaic - Studien und Texte zur amerikanischen Kultur und Geschichte 20
Anzahl Seiten
316 S.
Preis
€ 28,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Stöver, Historisches Institut, Universität Potsdam

Begreift man den Kalten Krieg als einen "totalen Krieg", in dem mit Ausnahme der nuklearen Waffen, die sich aufgrund des langfristigen Zerstörungspotentials als nicht einsetzbar erwiesen, alles Verfügbare zur Anwendung kam, dann erschließt sich die besondere Bedeutung der Psychologischen Kriegsführung. Sie war das einzige wirksame Instrument in dieser Auseinandersetzung, das sich auf gegnerischem Territorium einsetzen ließ, ohne direkt Menschenleben zu gefährden. Ein weiterer Pluspunkt war, dass sie von der Gegenseite nur schwer abzuwehren war. Zur Psychologischen Kriegsführung rechneten beide Seiten im Kalten Krieg insbesondere auch Rundfunkprogramme.

Unmittelbar nach der Gründung der beiden deutschen Staaten war eine Mehrheit der US-Amerikaner davon überzeugt, dass der weltweite Ausbau der Radiostationen zum Sieg der eigenen Sache im Kalten Krieg entscheidend beitragen werde. Diese Hochschätzung der elektronischen Medien blieb erhalten, erst recht als der Ostblock 1961 seinen Machtbereich endgültig abriegelte. Unter den Spezialisten für die Psychologische Kriegsführung war es Konsens, dass solche Maßnahmen angesichts der "Transistor-Revolution" schlicht Anachronismen seien.

Die amerikanische Radiopropaganda war im Zweiten Weltkrieg vor allem mit der Voice of America (VOA) zum zentralen Instrument der Psychologischen Kriegsführung herangewachsen, der einige Erfolge zugeschrieben wurden. In den späten 1940er und dann den 1950er-Jahren fügte sich die "Voice" ebenso nahtlos wie die neu gegründeten Stationen und die weiteren Instrumente der Psychologischen Kriegsführung in die sich bereits ab 1944/45 abzeichnende und 1947 offiziell in der von Truman verkündeten Offensive gegen den Kommunismus ein. Das für die 1950er-Jahre dominierende Strategiepapier des für die globalen Planungen zentral wichtigen National Security Council (NSC) mit der Nummer 68 und dem Titel "The Strategy of Freedom" unterstrich 1950 ausdrücklich die Bedeutung der Radioprogramme als "prinzipielles Medium" für die "Befreiung vom Kreml". In dieser Richtung war bereits unmittelbar nach Kriegsende die Auslandspropaganda neu strukturiert worden. Einstweiliger Schlusspunkt der noch einmal durch die Erste Berlinkrise und den Koreakrieg forcierten Umorganisation der Informationspolitik war im August 1953 die Gründung einer zentralen Koordinationsbehörde, der "United States Information Agency" (USIA).

Im Verantwortungsbereich der USIA stand neben der Voice of America auch der in Berlin seit 1946 aufgebaute Sender RIAS. Bei beiden handelte es sich um US-Stationen, die Programme für die DDR produzierten. Allerdings war nur der deutschsprachige RIAS ausdrücklich für das Sendegebiet SBZ/DDR konzipiert worden. Zu dieser außergewöhnlichen Station, deren offensive Tätigkeit im Kalten Krieg bis heute Debatten auslöst, ist in diesem Jahr eine Untersuchung erschienen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte des RIAS in den Jahren 1953 bis 1963 neu zu erzählen. Schanett Rillers 2003 an der Universität Hamburg vorgelegte Dissertation will sich als Fallstudie verstanden wissen, die beantworten soll, "ob sich [...] politische Entscheidungen nach ihrer psychologischen Wirkung im Ausland richten sollten, ob mit den Mitteln der Informationspolitik im Ausland lediglich für die USA geworben werden und die USIA als PR-Abteilung der amerikanischen Außenpolitik fungieren sollte oder ob Informationspolitik ein eigenständiges Mittel zur Durchsetzung ganz konkreter politischer Ziele im Ausland sein sollte und konnte" (S. 3).

Für die Beantwortung ihrer Fragen setzt die Autorin sehr prinzipiell an: Nach einem ausführlichen Kapitel zum Stellenwert der Informationspolitik innerhalb der US-Außenpolitik (2. Kap.) und einer grundsätzlichen Bewertung der Rolle des Rundfunks in der Psychologischen Kriegsführung (3. Kap.), kommt sie erst im 4. Kapitel zu ihrem Fallbeispiel. Auf knapp 170 Seiten geht sie hier zentralen Fragen der RIAS-Geschichte nach: Gründung und Entwicklung, Rolle der amerikanischen Sendeleitung, Finanzierung, Hörerschaft, Gegner und Programme. Ausführlich referiert und analysiert sie die "redaktionelle Linie der Wortsendungen" (S. 181ff.) unter anderem mit den Stichworten: Das USA- und das DDR-Bild im RIAS, die Darstellung der sowjetischen Politik, die Berichterstattung über Koexistenz, die Bundesrepublik, die Wiedervereinigung und die Satellitenstaaten. Ausgewertet wurden aus den deutschen Beständen unter anderem die Materialien des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen, der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sowie die Quellen aus dem RIAS-Archiv. In den US-Archiven hat sie unter anderem die Überlieferungen der Präsidenten Eisenhower und Kennedy ausgewertet.

Im Ergebnis kommt die Studie zu dem Schluss, dass der Auslandsrundfunk "eines der zentralen Instrumente der Außenpolitik" der USA gewesen sei und der RIAS hier mit anderen Sendern "ein schlagkräftiges Instrumentarium" gebildet habe (S. 260). Die Frage, ob der RIAS als Träger der auswärtigen Informationspolitik der USA gegenüber Ostdeutschland fungierte, müsse "nach den Ergebnissen dieser Arbeit vollauf bejaht werden" (S. 260), so die Autorin. Mit dem RIAS sei "der Versuch der Beeinflussung der ostdeutschen Bevölkerung [...] unternommen" worden. Welche Wirkung dies hatte, lässt die Autorin leider offen. Zitat: "Welchen Anteil die Kommentare des RIAS an der Meinungsbildung seiner Hörer tatsächlich hatten und inwiefern sie daraus das Verhalten der Ostdeutschen in der gewünschten Weise beeinflußten, läßt sich nach den Ergebnissen dieser Arbeit [...] nicht sagen." (S. 265)

Nicht nur durch solche vagen Ergebnisformulierungen hinterlässt die Untersuchung einen eher zwiespältigen Eindruck. Positiv festzuhalten bleibt auf der einen Seite vor allem, dass mit dieser Untersuchung ein wichtiger Schritt getan wurde, die Einbindung der Arbeit des RIAS in die US-Offensive im Kalten Krieg noch einmal anhand der bisher freigegebenen Quellen und der Aussagen von Beteiligten zu belegen. Viele ansonsten verstreute Einzelheiten aus der Organisation des Senders, auch viele Namen von Beteiligten usw. sind in der Dissertation nachgewiesen und für weitere Forschungen damit leicht zugänglich. Auf der anderen Seite hätte man sich nicht nur - insbesondere vor dem Hintergrund des umfangreichen Quellenstudiums - einige klarere Bewertungen der Autorin gewünscht. Darüber hinaus wäre es vorteilhaft gewesen, wenn die Autorin bereits erschienene aktuelle Untersuchungen zum gleichen Thema berücksichtigt hätte, anstatt nur flüchtig in der Fußnote über sie hinwegzugehen oder sie auch ganz auszusparen. Vieles, was die Dissertation als Neuigkeit präsentiert, wurde in schon publizierten Arbeiten ausführlich dargestellt.

Dennoch: Positiv bleibt festzuhalten, dass mit dieser Untersuchung noch einmal ausführlich die wichtige Rolle des RIAS in der Frühzeit des Kalten Krieges beschrieben wird. Sie trägt damit dazu bei, den Kalten Krieg, der als umfassende Auseinandersetzung über 45 Jahre erhebliche Ressourcen verschlang, in seiner Frühzeit besser zu verstehen.

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