B. von Langen-Monheim: Die _informatio seriosa_ Benedikts XIII.

Titel
Die informatio seriosa Papst Benedikts XIII. von 1399. Stufen einer kirchenpolitischen Denkschrift von 1399 bis zum Konzil von Perpignan 1408


Autor(en)
von Langen-Monheim, Barbara
Erschienen
Aachen 2004: Selbstverlag
Anzahl Seiten
370 S.
Preis
-
ISBN
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ansgar Frenken, Esplugues de Llobregat

Der Ausbruch des großen abendländischen Schismas (1378) mit der Wahl des Italieners Bartolomeo Prignanos (Urban VI.) und der bald darauf erfolgenden Gegenwahl des Robert de Genève (Clemens VII.), eines Verwandten des französischen Königs, zerriss die Christenheit des Okzidents in zwei Teile, die nach dem jeweiligen Sitz als römische bzw. avignonesische Oboedienz bezeichnet wurden.1 Dieser Riss zeigte sich indes nicht nur in der Spitze, sondern ging quer durch Bistümer, Orden, Abteien und Pfarreien, ja spaltete gar einzelne Familien und stürzte die Kirche in eine schwere, vielleicht in die bis dahin schwerste Krise überhaupt. Da beide Papstprätendenten zutiefst davon überzeugt waren, der einzig rechtmäßige Vertreter auf dem Stuhl Petri zu sein, waren sie auch nicht bereit, nur einen Zentimeter von ihrem Anspruch preis zu geben und suchten den Gegner mit allen Mitteln auszuschalten, ihn gegebenenfalls auch gewaltsam zu bezwingen. Sehr bald scharten sich die weltlichen Mächte hinter den einen oder anderen der beiden Widersacher, so dass eine gewaltsame Bereinigung des Papststreites immer weiter in die Ferne rückte, nicht weniger aber auch eine friedliche Lösung. Mit den Nachfolgewahlen in beiden Oboedienzen – auf Urban VI. († 1388) folgten Bonifaz IX. und Innozenz VII. in der römischen Oboedienz, auf Clemens VII. († 1394) Benedikt XIII. in der avignonesischen - schien sich das Schisma zu perpetuieren.

Der Kichenspaltung überdrüssig suchten schließlich einzelne weltliche Mächte, an ihrer Spitze der französische König, wie auch die Universität von Paris, die immer noch bedeutendste theologische Instanz der westlichen Christenheit, zunehmend Druck auf „ihren“, den avignonsischen Papst auszuüben mit dem Ziel, das Schisma doch noch zu überwinden. Mit dem Tod Clemens’ VII. war die vorsichtige Hoffnung aufgeglimmt, einen ersten Schritt in diese Richtung machen zu können. Hatte sich eine rasche Neuwahl schon nicht verhindern lassen, so hatten sich die Kardinäle vor der Wahl zumindest darauf verpflichtet, im Falle ihrer Wahl alles zu unternehmen, um das Ende des Schismas herbeizuführen - einschließlich des eigenen Rücktritts. Der schließlich Gewählte, der Aragonese Pedro de Luna (Benedikt XIII.) wollte indes von dieser Verpflichtung später nichts mehr wissen. Den Forderungen des französischen Königs, der Herzöge und der Sorbonne trat er kompromisslos entgegen und versuchte auf Zeit zu spielen. Auch der Abfall der Mehrzahl seiner Kardinäle, die Substraktion (Entzug der Anerkennung) seitens der französischen Krone und Kirche (1398), gar die Festsetzung in seinem Palast in Avignon konnten ihn nicht zu irgendwelchen Zugeständnissen in der Papstfrage bewegen. Mit propagandistischen Mitteln suchte er sich für sein Verhalten zu rechtfertigen und seinen Anspruch als legitim herauszustellen. Wichtigstes Dokument dieser „Öffentlichkeitsarbeit“ ist die informatio seriosa, die im Zentrum der hier zu besprechenden Dissertation steht.

Zum Einstieg in das Thema ihrer Arbeit bietet Barbara von Langen-Monheim den LeserInnen eine knappe Einführung in die Epoche des Schismas, zur Person Pedro de Lunas/Benedikts XIII. sowie zur informatio seriosa (S. 1-46). Der nachfolgende Abschnitt (S. 47-65) behandelt die Überlieferung der verschiedenen Textzeugnisse dieser kirchenpolitischen Denkschrift. Das zentrale dritte Kapitel beschäftigt sich sodann mit den einzelnen Entwicklungsstufen des Textes (S. 66-167), das vierte mit der späteren Umarbeitung für das Perpignaner Konzil (S. 168-194). In einem abschließenden Fazit (S. 195-202) resümiert die Autorin nochmals ihre Ergebnisse. Es folgt ein Anhang mit Papst- und Kardinalslisten, Register und Literaturverzeichnis (S. 204-220). Das letzte Drittel dieser Arbeit von insgesamt 307 Seiten bildet der Textanhang, in dem die verschiedenen Versionen und Entwicklungsstufen nebeneinander gestellt werden.

Bei der untersuchten Schrift, der informatio seriosa, handelt es sich - genau genommen - um zwei Fassungen eines Textes, der die Vorgänge von 1394/95 und 1398/99 aus der Sicht Benedikts wiedergibt und der für verschiedene Anlässe und Adressaten verändert bzw. umgeformt wurde. Die erste Fassung entstand 1399, nach dem Obedienzentzug durch Frankreich und während der Belagerung des Papstpalastes in Avignon; die zweite wurde auf dem Konzil von Perpignan (1408) öffentlich verlesen. Von der ersten Fassung liegen insgesamt vier Handschriften vor, außerdem zwei Redaktionen von 1401 und 1406 sowie ein Fragment, das dem Jahr 1407 zugeordnet wird; die zweite - gleichfalls in mehreren Handschriften überliefert - findet sich in den Akten des Perpignaner Konzils, für die sie umgearbeitet wurde. Charakteristisch für beide Fassungen ist die erzählende Form, in die in chronologischer Abfolge jeweils eine große Zahl von relevanten Dokumenten inseriert ist.

Gedruckt wurden die erzählenden Passagen beider Fassungen und - unabhängig davon - die Dokumente. Allein dadurch wurde der Entstehenszusammenhang bereits empfindlich gestört und Fehlinterpretationen Tür und Tor geöffnet. Auch wurde in der Literatur meist nicht wahrgenommen, dass es sich um verschiedene Fassungen gehandelt hat, die ihr Entstehen unterschiedlichen Situationen verdanken und verschiedene Adressaten im Auge hatten, oder aber diesem Befund wurde keine Bedeutung zugemessen (S. 178). Dieser Missstand allein ist schon Grund genug, die informatio seriosa erneut einer gründlichen Analyse zu unterziehen.

Zunächst versucht Barbara von Langen-Monheim daher eine Ordnung in die diffuse und schwer zu überblickende Überlieferung zu bekommen. Indem sie die Unterschiede zwischen den einzelnen Fassungen herausarbeitet, kann sie das Verhältnis der überlieferten Texte untereinander genauer bestimmen und exaktere Datierungen für deren Entstehen vornehmen (bes. Kap. III 2e; dazu das Stemma S. 203). Das vornehmliche Interesse der Autorin gilt indes der Frage, wie Benedikt und seine Umgebung mittels dieser Verteidigungsschrift auf unterschiedliche Anforderungen reagiert haben und wie dieser Text auf verschiedene Adressatenkreise zugeschnitten wurde: Im Vergleich mit anderen, gegnerischen Quellen kann sie herausarbeiten, wie die Darstellung der informatio bestimmte Informationen verwertet (eher neutral oder tendenziös), gegebenenfalls aber auch unterdrückt. Das gilt insbesondere für die Umarbeitungsvorschläge des Benedikt-Vertrauten Ravat (1406/07), der die emotional aufgeladenen Passagen der früheren Fassung, aber auch solche, die der Sache Benedikts vielleicht schaden konnten, umformulieren oder gar streichen wollte. Als Fazit ihrer Analyse konstatiert von Langen-Monheim, dass die Ereignisse in dieser Schrift weitgehend korrekt wiedergegeben wurden (S. 202).

Außerdem geht die Autorin der Frage nach, ob und inwieweit Benedikt XIII. selbst an der unmittelbaren Abfassung der informatio beteiligt gewesen ist bzw. an den einzelnen Stufen der Überarbeitung mitgewirkt hat. Diese Frage wird insofern von ihr verneint, als keine der überlieferten Handschriften von ihm selbst geschrieben wurde, was indes nicht ausschließt, dass er der Auftraggeber gewesen ist und ihre Anfertigung unterstützt hat. In ihren Augen kann kein Zweifel daran bestehen, dass die informatio seriosa zumindest im Sinne des Papstes abgefasst worden ist.

Da die verschiedenen Textvarianten der unterschiedlichen Fassungen am Ende der Arbeit synoptisch nebeneinander gestellt werden, kann der Leser sich ein eigenes Urteil über die vorangegangenen Ausführungen und Schlussfolgerungen der Autorin bilden. Eine deutsche Übersetzung, für die ihr viele des Lateinische nicht mehr so kundige Leser sicher danken werden, lässt sich im Übrigen über eine angegebene e-mail-Adresse (balamo@gmx.de) ohne größeren Aufwand beschaffen.

Dem Leser wird bei der Lektüre dieser doch recht umfangreichen Arbeit eine gehörige Menge Geduld abverlangt. Weniger wäre hier manchmal mehr gewesen! Schon der umständliche Aufbau der Arbeit ist wenig einladend. Einer historischen Einleitung in die jeweiligen Zeitabschnitte folgt in einem zweiten Schritt die ausführliche Darstellung der entsprechenden Passagen in der informatio seriosa, wobei allzu Vieles unnötig wiederholt wird. Auch haben sich mehrfach inhaltliche Ungereimtheiten und Fehler eingeschlichen; wenige Beispiele sollen hier als Beleg genügen: Die vier Kardinäle, die Benedikt am 5. Januar 1418 verließen (S. 33), sagten sich 1418 und 1419 los (S. 31 Anm. 195). Peñiscola gehörte nicht zu Aragón, sondern lag im Königreich Valencia, das zur Krone Aragóns gehörte (S. 5). Aragón war mit der am 6. Januar 1416 verkündeten Substraktion auch nicht das letzte Königreich, das Benedikt die Oboedienz entzog; Navarra, Kastilien und Schottland standen damals noch hinter ihrem ‚Papa Luna’ (S. 6). Die Substraktion Aragóns erfolgte damit auch nicht 1417 (S. 198).

Abgesehen davon wurde die „neuere“ Literatur (seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts!) in den historischen Überblicksabschnitten nur punktuell und unzureichend eingearbeitet. Wichtige Veröffentlichungen zur Entstehung des Schismas 2, zum Verlauf der ersten Schismajahre, aber auch zu den französischen Nationalkonzilien 3 und anderen Einzelaspekten vermisst der neugierig gewordene Leser im Text, oder aber sie werden nur rudimentär ausgewertet. Als Quintessenz wäre mit Blick auf eine künftige Drucklegung, sofern diese geplant sein sollte, insbesondere eine Straffung des Textes unter Vermeidung der vielen Redundanzen anzuraten. Ärgerlich ist außerdem die Vielzahl von Druckfehlern, deren Umfang sich allein durch den konsequenten Einsatz eines gängigen Rechtschreibprogramms drastisch verringern ließe.

Durch diese formalen Mängel gerät das eigentliche Verdienst dieser Arbeit leicht aus dem Blickfeld. Die sich ständig verändernden politischen Konstellationen in Frankreich verlangten von Benedikt mit Beginn seines Pontifikats ein hohes Maß an diplomatischem Geschick und Flexibilität, gleichzeitig aber auch an Beharrungsvermögen, um das vor der Wahl gegebene Versprechen, zur Beendigung des Schismas als Papst zurückzutreten, nicht einlösen zu müssen. Die in seinen Augen fehlende Sicherheit, die Überwindung des Schisma auf einem kanonistisch einwandfreien Weg zu erreichen, ließen ihn zeit seines Lebens auf (unannehmbaren) Maximalforderungen verharren. Insofern ist diese Arbeit ein wichtiger Baustein für das Verständnis der Anfangsphase des Pontifikats Benedikts XIII., zugleich aber auch als Erklärung für seine halsstarrig erscheinenden Reaktionen auf die Absetzungen durch die Konzilien von Pisa und Konstanz. Das Beharren auf dem einseitig kanonistisch ausgelegten, theologisch und kirchenpolitisch indes realitätsfernen Anspruch, der einzig legitime Papst zu sein, führte in eine immer ausweglosere Sackgasse, die auch den Oboedienzentzug seitens der spanischen Königreiche (1416ff.) – trotz allen Respekts für ihren ‚Papa Luna’ – in einem deutlicheren Licht erscheinen lässt.

Von Monheim-Langens Urteil bleibt leider hinter den Ergebnissen ihrer eigenen Recherche zurück. Sie resümiert übervorsichtig, indem sie weitgehend der Argumentationsschiene Benedikts folgt, die jeden Rücktritt mit Blick auf das Verhalten des anderen Papstprätendenten faktisch ausschloss. Die Absicht aber, die der Papst mit der informatio und ihrer Umarbeitung zweifellos verfolgt hat, wird dadurch längst nicht immer nachvollziehbar. Wenn sie schreibt, dass die informatio „als Propagandaschrift des Papstes erstaunlich unpolemisch ist“ (S. 117), unterschätzt sie die Absicht, die mit dieser Verteidigungsschrift bezweckt wurde. Andererseits konstatiert sie eine „gewisse Parteilichkeit und Einseitigkeit“ (S. 202). Überhaupt bleibt unklar, für wen diese Schrift eigentlich verfasst worden ist, wenn man liest, dass deren erste Fassung die Mauern des Papstpalasts nicht überschritten hat. Stand sie vielleicht in einem Zusammenhang zu Benedikts Traktat De novo subscismate, wie Ehrle 4 und Girgensohn 5 angenommen haben, von der Autorin dieser Arbeit aber als eher unwahrscheinlich hingestellt wird (S. 198)? Jedenfalls sollten die französischen Herzöge, deren guter Wille für den Schutz der eigenen Person geradezu unabdingbar war, auf keinen Fall gereizt noch vergrault werden. Herzog Ludwig von Orléans war immerhin die wichtigste Stütze Benedikts in Frankreich - außerhalb seiner unmittelbaren Umgebung.

Die spätere Überarbeitung der informatio durch Ravat macht darüber hinaus fraglich, ob die Einschätzung Barbara von Langen-Monheims in allen Punkten stimmen kann. Ein unpolemischer Text hätte wohl kaum weiter entschärft werden müssen. Dass die zweite auf dem Konzil von Perpignan vorgetragene Fassung, die weniger die Zuhörer informieren als diese von der Rechtmäßigkeit des Anspruchs Benedikts und seinen fortgesetzten Bemühungen um die Union überzeugen sollte, klarer und weniger aggressiv formuliert ist (S. 189), ist durch die andere Form ihrer Publikation bedingt, erklärt aber kaum die Notwendigkeit einer Umarbeitung. Weniger als je zuvor musste Luna damals noch Rücksicht auf Frankreich nehmen, das ihm kurz zuvor zum zweiten Mal die Oboedienz aufgekündigt hatte.

So bleibt insgesamt ein etwas zwiespältiges Gefühl beim Rezensenten dieser Arbeit zurück, gleichzeitig aber auch die Hoffnung, dass vor einem geplanten Druck die Zeit für eine zumindest formale Überarbeitung dieser anspruchsvollen Dissertation noch gut genutzt werden kann.

Anmerkungen:
1 Die rezensierte Arbeit liegt nur in elektronischer Form auf dem Dokumentenserver der Hochschule vor: <http://sylvester.bth.rwth-aachen.de/dissertationen/2005/071/05_071.pdf>.
2 Brandmüller, Walter, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI., in: Archivum Historiae Conciliorum 6 (1974), S. 78-120 [verbesserter ND in: Ders., Papst und Konzil im Großen Schisma (1378-1431), Paderborn 1990, S. 3-41]; Dykmans, Marc, Du conclave d’Urbain VI au Grand Schisme. Sur Pierre Corsini et Bindo Fesulani, écrivains florentins, in: Archivum Historiae Pontificiae 13 (1975), S. 207-230; Ders., La troisième élection du pape Urbain VI, in: Archivum Historiae Pontificiae 15 (1977), S. 217-264; Tacchela, Lorenzo, Il pontificato di Urbain VI a Genova (1385-1386) e l’eccidio dei cardinali, Genova 1976; Voci, Anna Maria, Alle origini del Grande Scisma d’Occidente. Coluccio Salutati difende l’elezione di Urbano VI, in: Bullettino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano 99,2 (1994), S. 279-339; Dies., Giovanna I d’Angiò e l’inizio del Grande Scisma d’Occidente. La doppia elezione del 1378 e la proposta conciliare, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 75 (1995), S. 178-255.
3 Kaminsky, Howard. The Politics of France’s Subtraction of Obedience from Pope Benedict XIII, 27 july 1398, in: Proceedings of the American Philosophical Society 115 (1971), S. 366-397; Millet, Hélène, Du conseil au concile (1395-1408). Recherche sur la nature des assemblées du clergé en France pendant le Grand Schisme d’Occident, in: Jornal des Savants? (1985), S. 137-159; Dies.; Poulle, Emmanuel, Le vote la soustraction d’obédience en 1398, T. 1, Paris 1988.
4 Ehrle, Franz, Die kirchenrechtlichen Schriften Peters von Luna (Benedicts XIII.), in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 7 (1900/ND 1956), S. 515-575.
5 Girgensohn, Dieter, Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro de Lunas), in: Archivum Historiae Pontificiae 27 (1989), S. 197-247.

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