Titel
1819. Historia narrativa de la campaña de la Nueva Granada


Autor(en)
Gutiérrez Ardila, Daniel
Anzahl Seiten
172 S.
Preis
$ 30.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Fernando Suárez-Sánchez, Departamento de Historia, Universidad Nacional de Colombia

Der kolumbianische Historiker Daniel Gutiérrez Ardila, Autor einer voluminösen Trilogie über die Unabhängigkeit Kolumbiens1, hat nun einen schmalen Band über einen Schlüsselmoment der kolumbianischen Geschichte vorgelegt. Sein Buch „1819. Campaña de la Nueva Granada“, eine Politik- und Militärgeschichte, richtet sich an ein breiteres Publikum; es ist mit Zeichnungen des Illustrators Santiago Guevara und einer Vielzahl an geographischen Karten bebildert, die die Argumentation veranschaulichen.

Seine Absichten formuliert der Verfasser in einer abschließenden Bemerkung explizit: er will Erklärungen für eine wichtige Phase der kolumbianischen Geschichte liefern, deren Komplexität bis heute sogar das kolumbianische Volk selbst verwirre. Der Autor möchte hierzu den Feldzug von Neu-Granada im Jahre 1819 aus „Dokumenten-Trümmern“ bergen. Er schickt sich zudem an, diesen Feldzug vor Interpretationen zu retten, die aus „weiter Entfernung“ (zum Geschehen) geschrieben wurden, sowie vor einer „ehrfürchtigen Haltung, die der Vergangenheit ihre Bedeutung und ihre Gegenwart“ raubt (S. 146).

1819 ist das Jahr, in dem den kolumbianischen Staat gegründet und damit seine Unabhängigkeit durch zahlreiche Schlachten konsolidiert wurde. Im Unterschied zu den Geschehnissen in Serbien, so führte bereits Leopold von Ranke2 aus, berief sich Kolumbien nicht auf eine in der Poesie verwurzelte Geschichte, um seine Existenz zu rechtfertigen. Kolumbiens Identität ging nicht seiner Gründung voraus; seine Existenz war zunächst als eine mentale Landkarte und nicht als ein realer physischer Raum mit definierten Grenzen gegeben. Daher war das Jahr 1819 aus zwei Gründen wichtig: Erstens wurde im sogenannten Kongress von Angostura (heute Ciudad Bolívar, Venezuela) die Nation als mentale Landkarte entworfen. Zweitens bedeutete der militärische Erfolg in zwei landesweit bedeutenden Schlachten (die Schlacht von Pantano de Vargas und von Puente de Boyacá) einen großen Vorteil diejenigen, die für die Unabhängigkeit kämpften.

In Bezug auf Methodik und Stil verzichtet Gutiérrez auf viele der analytischen Kategorien, die die Arbeiten seiner Vorgänger/innen prägten (etwa den aus der marxistischen Theorie abgeleiteten „Klassenkampf“ oder die „longue durée“ der Annales-Schule) und bevorzugt die lineare und narrative Erzählung, wie auch John Elliot in seinen Berichten über Europa im 16. Jahrhundert oder Simon Schamas Texte über die Französische Revolution.3 Daraus ergibt sich ein chronologischer Aufbau des Buches ohne explizit benannte analytische Kategorien und eine Aufteilung in drei Abschnitte.

Der erste Teil behandelt die Organisation des Heeres von Costa Firma (dem Verteidiger der Monarchie), die politische und administrative Einteilung von Venezuela und des Neuen Königreichs, die Finanzierungssysteme der Streitkräfte und des Kongresses von Angostura (1819). Das zentrale Thema in diesem Abschnitt ist indes der Aufbau des königlichen Heeres unter dem Befehl von Leutnant José María Barreiro, der ab 1818 bedeutende Siege gegen die Guerillas und die Unabhängigkeitskämpfer/innen erzielt hatte. Bei der Analyse von Struktur und Zusammensetzung der beiden gegnerischen Lager stellt der Histoker fest, dass es nicht um einen Krieg „Spanier gegen Kreolen“ handelte. Vielmehr gab es Kreolen bzw. (Hispano-)Amerikaner, die Köning Fernando VII und das spanische Imperium verteidigten, und Kreolen bzw. (Hispano-)Amerikaner, die für die Einführung einer unabhängigen Republik kämpften.

Im zweiten Teil wird eine Analyse der einheimischen Streitkraft vorgenommen. Hier wird die Marschroute betrachtet, die sie von den Llanos del Apure (Nähe Venezuela) bis zum Hochland von Boyacá (Kolumbien), Schauplatz der finalen Schlachten, zurücklegte. Durch die Beschreibung der klimatischen Gegebenheiten und der Ausstattung der Truppen entsteht ein lebendiges Bild des Feldzuges und der daran Teilnehmenden. Im Gegensatz zu dem, was manche Gemälde suggerieren, wie etwa jenes des bekannten Malers José María Espinosa, konstatiert Gutiérrez, dass die wenigsten Soldaten Uniform trugen. Vielmehr trugen sie die wenigen Kleidungsstücke, die ihnen noch geblieben waren, weshalb sie eher einem „totgeweihten Körper“ ähnelten, wie es ein prominenter Zeitgenosse, General Francisco de Paula Santander, festhielt. Auch für das Kampfgeschehen selbst liefert Gutiérrez detaillierte Beschreibungen; eine wichtige Rolle spielte etwa die geringe Effizienz der damaligen Feuerwaffen. Auf den letzten Seiten dieses Abschnittes gibt der Autor einige anschauliche Beispiele für die Schicksale europäischen Spanier/innen, die in dem Gebiet lebten, das heutzutage zu Kolumbien gehört: Viele von ihnen wurden Opfer der Gewalt und schafften es nicht, die Flucht zu ergreifen.

Im dritten und kürzesten Abschnitt des Buches behandelt Gutiérrez den Widerstand des Heeres von Costa Firme, den Triumph des patriotischen Heeres und die Bildung der kolumbianischen Nation. In zwei kurzen Kapiteln greift er das Thema des Zustands der Heere wieder auf, um zu betonen, mit welcher Eile die Befehlshabenden der königlichen Streitkräfte die Territorien von Neu-Granada zurückließen. Weiterhin erwähnt er die Feier des siegreichen Heeres, die Lieder, Tänze und sogar den Genuss an der gegen die Feinde ausgeübten Gewalt.

Die Gründung Kolumbiens wird in zwei Kapiteln behandelt und aus der Perspektive von General Santander, Simón Bolívar und Francisco Antonio Zea, dem Präsidenten des Kongresses, geschildert. Am Ende beruft sich Gutiérrez auf einige illustrative Phrasen, die den Wunsch ausdrücken, eine Nation zu begründen, die nicht auf der Macht des Schwertes basiert. Vielmehr sollte die Nation auf Wissen und der Entwicklung der Wissenschaften fußen, und zwar gestützt von einem mächtigen und zentralistischen Staat, der einen Zusammenbruch der Institutionen verhindern sollte, wie man ihn in der ersten Unabhängigkeitsphase (1810–1816) bereits erlebt hatte.

Obwohl 1819 ein kurzes und populärwissenschaftlich aufgemachtes Buch für ein breiteres Publikum ist, können sogar Spezialist/innen noch profitieren. Dadurch, dass Gutiérrez ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet ist, vermag er sowohl diejenigen zu erreichen, die hohe Erwartungen an ein historisches Werk haben, als auch diejenigen, die sowohl eine schnelle Informationsquelle als auch eine unterhaltsame Lektüre suchen.

Anmerkungen:
1 Daniel Gutiérrez Ardila, Un nuevo reino. Geografía política, pactismo y diplomacia durante el interregno en la Nueva Granada (1808–1816), Bogotá 2010; ders., El reconocimiento de Colombia: Diplomacia y propaganda en la coyuntura de las restauraciones (1819–1831), Bogotá 2012; ders., La restauración en la Nueva Granada (1815–1819), Bogotá 2016.
2 Leopold von Ranke, Die serbische Revolution. Aus serbischen Papieren und Mittheilungen, Berlin 1844, S. 71.
3 Vgl. John H. Elliot, La Europa dividida, 1559–1598, Barcelona 2010 [1968] und Simon Schama, Citizens. A Chronicle of the French Revolution, New York 1989.

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