Bei diesem Buch handelt es sich um die Druckfassung einer 2017/2018 abgeschlossenen Dissertation, die an der Universität des Saarlandes und teilweise im Rahmen des DFG-Projekts „Die Bedeutung von Tausch als sozio-ökonomisches Phänomen in ländlichen Gesellschaften zur Zeit der Franken“ entstanden ist. Wie der Verfasser Daniel Ludwig in der Einführung (S. 11–48) zu Recht feststellt, fehlt bislang eine systematische monographische Studie über den Tausch im Frühmittelalter. Ebenso richtig ist, dass mit dem von Irmgard Fees und Philippe Depreux 2013 herausgegebenen Sammelband über „Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert“1 eine aktuelle Bestandsaufnahme vorliegt. Darin wurden auch den von Ludwig in den Fokus genommenen Regionen Lotharingien, Bayern und Alemannien eigene Beiträge gewidmet. Diese bildeten eine wichtige und sichere Ausgangsbasis für Ludwigs Studien.
In seiner Einführung (S. 14–48) setzt sich Ludwig in einem Forschungsüberblick mit wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Aspekten des Tausches auseinander. Er beleuchtet dabei die Bedeutung dieses Rechtsgeschäfts im Kontext von einschlägigen Forschungen zu Grundherrschaft, Handel und Lehnswesen im frühen Mittelalter. Danach stellt er auch noch kurz sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Theorien des Tauschens vor.
Mit dem zweiten Abschnitt beginnt Ludwigs Auseinandersetzung mit den Quellen. Dabei widmet er sich zuerst dem Tausch in (normativen) Rechtsquellen aus Spätantike und Frühmittelalter (S. 49–82), d.h. im Codex Theodosianus, im Codex Iustinianus, in der kirchlichen Gesetzgebung, in den frühmittelalterlichen Leges und in den für seine Fragestellung relevanten Formularsammlungen. In diesen Quellen lässt sich seit der Spätantike immer wieder das grundsätzliche Verbot der Veräußerung (Verkauf, Schenkung, aber auch Tausch) von Kirchengut nachweisen, wobei dem Kaiser gleichzeitig die Sondergenehmigung zugesprochen wurde, Tauschgeschäfte mit Kirchengütern zu vollziehen (S. 50). Dieses kaiserliche Vorrecht spiegelt sich in der Karolingerzeit vermutlich in der seit Kaiser Ludwig dem Frommen zunehmenden Anzahl an herrscherlichen Tauschgenehmigungen bzw. -bestätigungen wider (S. 52, 81).
Im Hauptteil seiner Arbeit behandelt Ludwig dann den Tausch in Lotharingien (S. 83–147), in Bayern (S. 149–229) und Alemannien (S. 231–331). Dabei stellt er stets zuerst die Quellenlage kurz vor, um danach die einzelnen, hinsichtlich ihres Umfangs zum Teil sehr unterschiedlichen Quellen- bzw. Urkundenbestände aus diesen Regionen systematisch abzuarbeiten. Wie schon in der Einführung (S. 13) angekündigt, werden dabei neben den Tauschgeschäften (und ihren kaiserlich-königlichen Bestätigungen) auch die anderen geläufigen Transaktionsarten wie Schenkung, Leihe und Kauf erfasst, was insofern Sinn macht, als in den Beständen nicht wenige vermischte Rechtsgeschäfte dokumentiert sind.
Diese vermischten Rechtsgeschäfte klassifiziert Ludwig in Hinblick auf seine Fragestellung als „tauschähnliche Transaktionen“ (S. 40). Zu diesen zählt er neben Kaufgeschäften gegen Grundbesitz bzw. Naturalien (d. h. nicht gegen Geld) vor allem Güterübertragungen gegen die zeitlich befristete Verleihung von anderen oder zusätzlichen, üblicherweise auch wesentlich größeren Besitzstücken als den übertragenen Gütern sowie remuneratorische Prekarien.
In der Berücksichtigung von eigentlichen Tauschgeschäften und tauschähnlichen bzw. vermischten Rechtshandlungen sowie in ihrer eingehenden und ausführlichen (den Fußnotenapparat freilich mit langen Quellenzitaten zum Teil auch unnötig aufblähenden) Behandlung liegt ein wesentliches Verdienst von Ludwigs Arbeit. Überraschend kurz fällt hingegen die knapp fünfzehnseitige Synthese am Ende des Buches aus (S. 333–347), zumal die im Untertitel angekündigte „vergleichende Untersuchung“ der drei Regionen Lotharingien, Bayern und Alemannien in der Einleitung geradezu als Voraussetzung für Erkenntnisgewinne hervorgestrichen wurde.
In weiterer Folge scheinen viele Ergebnisse der Studie bereits Bekanntes zu bestätigen: Die Problematik einer Veräußerung von Kirchengut sowie die Erschöpfung der limitierten Ressource Land waren wesentliche Voraussetzungen für die allgemeine Zunahme der Tauschgeschäfte seit der Mitte des 9. Jahrhunderts (S. 340–343). Darüber hinaus bildeten ökonomische und administrative Interessen häufig den konkreten Anlass für Tauschgeschäfte (S. 343f.). Gerade über diese (sich seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts verändernden?) grundherrschaftlichen Interessen geistlicher und weltlicher Grundbesitzer und über die neue (?) Bedeutung von Tausch in ländlichen Gesellschaften der späteren Karolingerzeit würde man freilich gerne etwas mehr erfahren.
Dabei stellt sich auch die Frage, ob sich wirklich gar keine politisch bedingten Hintergründe für den Anstieg an Tauschgeschäften ab der Mitte des 9. Jahrhunderts ausmachen lassen (S. 341f.), zumal von Ludwig zu Recht betont wird, dass in den damals auftauchenden Tauschurkunden in allen untersuchten Regionen formale Gemeinsamkeiten überwiegen (S. 336–339). Überhaupt wäre eine eingehendere diplomatische Beschäftigung mit den Dokumenten wünschenswert gewesen. Dadurch wären vielleicht auch gewisse formale Einschätzungen anders ausgefallen. So kann in den häufig in objektiver Form abgefassten Tauschurkunden der dispositive Teil nur bedingt als Narratio interpretiert werden (S. 67, 71, 73, 210); umgekehrt sind die Traditions-, Übereignungs- und Verfügungsformeln am Ende der Dispositio eher mit Bührer-Thierry2 als „clause finale“ und nicht „als eigentlich dispositiver Teil der Urkunden“ (S. 211 Anm. 1047) zu verstehen.
Ein sorgfältigeres Lektorat hätte ein paar Flüchtigkeitsfehler und Inkonsequenzen vermeiden lassen (etwa die zweimalige Verschreibung „Rheinau“ statt „Reichenau“ und „Marbach“ statt „Murbach“ auf S. 72f.; die veralteten Schreibweisen von „Adorf“ statt „Aadorf“ und von „Gebertswil“ statt „Gebertschwil“ auf den S. 266, 324, 394 und 396; schließlich auch die wechselnde Schreibung von „Markulf“ und „Marculf“ auf den S. 64–66 und 70 sowie die irrtümliche Schreibung „aus dem späten 7. oder frühen 8. Jahrhundert“ statt „aus dem späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert“ auf S. 287). Vielleicht wären auf diese Weise auch noch einzelne Rechtschreibfehler vor dem Druck getilgt worden („subsummieren“ auf S. 211 Anm. 1047, S. 267 und öfter, „korrellieren“ auf S. 227). Den Lesefluss stören aber auch zahlreich verbliebene Abteilungsfehler am Zeilenende („Reg-inos“, S. 55, „Lantf-rids“, S. 59, „Liutp-rands“, S. 60, „Lec-hufer“, S. 233).
Diese vielleicht etwas kleinkrämerisch anmutende Aufzählung von Unzulänglichkeiten und unerfüllten Wünschen will den Wert von Ludwigs Arbeit nicht schmälern. In der Tat stellt sein Buch anregende Impulse für künftige Forschungen bereit. Wer sich in Zukunft mit frühmittelalterlichen Tauschgeschäften beschäftigt, wird nach dem grundlegenden Sammelband von Fees und Depreux auch Ludwigs Arbeit zur Hand nehmen.
Anmerkungen:
1 Irmgard Fees/Philippe Depreux (Hrsg.), Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert. L’acte d’échange du VIIIe au XIIe siècle, Köln/Weimar/Wien 2013.
2 Geneviève Bührer-Thierry, De la traditio à la commutatio: sens et pratiques de l’échange à Freising du VIIIe au XIe siècle, in: Fees/Depreux (Hrsg.), Tauschgeschäft (wie Anm. 1), S. 217–237, hier S. 233f.