R. Winkle: Symbolgeschichte des Eisernen Kreuzes

Titel
Der Dank des Vaterlandes. Eine Symbolgeschichte des Eisernen Kreuzes 1914 bis 1936


Autor(en)
Winkle, Ralph
Erschienen
Anzahl Seiten
416 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Barbara Stambolis, Universität Paderborn/Technische Universität Darmstadt

In derzeitigen medialen Aufbereitungen zur NS-Zeit und zum Zweiten Weltkrieg ist das Eiserne Kreuz mehr oder weniger ein Requisit, ein Zeichen, das nicht zuletzt mit Opfer und Tod zu assoziieren ist. In historische Zusammenhänge einbettet, steht die Geschichte militärischer Auszeichnungen zweifellos für ein katastrophisches 20. Jahrhundert, dessen kriegerisch-männliche Züge weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Der Titel der von Ralph Winkle vorgelegten Arbeit, die im Wintersemester 2002/03 von der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen wurde, verspricht bereits auf den ersten Blick eine facettenreiche und für Historiker wie Kulturwissenschaftler spannende Lektüre.

Das Forschungsinteresse ist klar formuliert. Der Autor stellt die offensichtliche Nähe zwischen „soldatischer Ehre“ und „Tod fürs Vaterland“ in vielschichtige Untersuchungszusammenhänge. Er berücksichtigt sozialgeschichtliche Aspekte ebenso wie erfahrungsgeschichtliche und verbindet diese mit einem ethnologisch geschulten Blick auf Objekte mit hohem Symbolwert, die „Interpretation normativer Symbole, in denen Ehre zum Ausdruck kommt“ (S. 10) und auf ihre Deutungen im geschichtlichen Wandel.

Winkle schlägt einen weiten Bogen zurück in die Anfänge des 19. Jahrhunderts. Er umreißt unter Bezugnahme auf maßgebliche sozialwissenschaftliche, historische und theoretische Arbeiten zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Rolle des Militärs in der deutschen Geschichte, zu Ausdifferenzierungen von Ehrvorstellungen in einer männlich geprägten Gesellschaft Wahrnehmungen und Bedeutungsveränderungen von Orden und Ehrenzeichen.

Winkle stellt erkenntnisleitende Fragen in den Mittelpunkt seiner Untersuchung, die die Arbeit sinnvoll strukturieren. Sowohl die sich verändernden Kriege als auch gesellschaftliche Wandlungen stehen im Focus seines Interesses. Er geht methodenkritisch vor und begründet nicht zuletzt die Quellenauswahl nachvollziehbar. In die Untersuchung sind neben Abbildungen der Objekte in ihren Kontexten, die mehr sind als Illustrationen, sowohl amtliche Quellen als auch Pressezeugnisse und Ego-Dokumente mit eingeflossen.

Im Mittelpunkt stehen Fragen nach Prinzipien des Symbolwandels, nach symbolischen Kommunikationsprozessen und damit auch nach symbolischer Politik. Symbole sind, wie Gottfried Korff bereits vor zehn Jahren schrieb, bedeutungsoffen und multivokal, vielfältig konnotierbar und wandlungsfähig.1 Dass Symbole nach ihren Traditionen befragt werden müssen, ist in dieser Arbeit ebenso selbstverständlich wie die Frage nach ihren Verwendungsweisen, ihrer politischen, sozialen und moralischen Bedeutung. Immer wieder spricht Winkle von „Deutungseliten“ (beispielsweise S. 39, 41), die einleitend unter methodischen Überlegungen etwas deutlicher hätten erklärt werden sollen. Zweifellos gab es diese und unbestritten mag auch sein, dass sie Leitbilder und Diskurse prägten.

Es gelingt dem Autor, insbesondere den Bedeutungszuwachs militärischer Auszeichnungen bis zum Ersten Weltkrieg herauszuarbeiten. Aufbau und Gliederung der Untersuchung sind so angelegt, dass sie dem Leser zunächst eine Geschichte der Ausdifferenzierung und wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz militärischer Ehrenzeichen deutlich machen. Es folgen Abschnitte, die die Jahre des Ersten Weltkriegs und die Zeit nach 1918 untersuchen. Winkle beschreibt „Erosionsprozesse“, das Infragestellen militärischer Leitbilder und anderes mehr. Absagen an Heldisches weist er beispielsweise in Feldpostbriefen einfacher Soldaten während des Ersten Weltkriegs nach, Kritik wird in Leserbriefen deutlich, in Spottgedichten oder nach 1918 in offener Ablehnung gegenüber militärischen Ehrungen und Ehrenzeichen.

Dass sich manche Aussagen in der Arbeit finden lassen, die gängige Forschungsmeinungen ergänzen, soll nicht unerwähnt bleiben. Für Historiker mögen nicht zuletzt die Ausführungen zu erfahrungsgeschichtlichen Aspekten von Interesse sein, die Winkle in einem abschließenden Kapitel unter der Überschrift „Gratifikation und Moral – ein erfahrungsgeschichtliches Resümee“ zusammenfasst. Er weist einerseits einen Wert- und Bedeutungsverlust militärischer Ehrenzeichen für die Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach, andererseits eine „sich fortsetzende Symbolgeschichte der soldatischen Orden und Ehrenzeichen“ (S. 349).

Die Rolle von Frauen als weibliche Kriegsteilnehmer ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Angesprochen wird zudem, wenn auch nur knapp, die Bedeutung des Eisernen Kreuzes für Kriegerwitwen und Mütter gefallener Soldaten. „Weibliche Kriegsteilnehmer wurden zwar zu Anfang des Krieges mit genuin soldatischen Symbolen ausgezeichnet, später aber wegen des vielfachen Protests männlicher Kriegsteilnehmer von den Ehrzuweisungen ausgeschlossen; zahllosen Frauen blieben lediglich die Auszeichnung der gefallenen Söhne oder Ehemänner als Erinnerungsstücke.“(S. 347) Dazu hätte sich der Leser zweifellos mehr gewünscht. Was etwa bedeutete für diese Witwen möglicherweise lebenslang dieses im Zusammenhang mit anderen Erinnerungen?

Interessant sind auch die Ausführungen Winkles zur Bedeutung des Eisernen Kreuzes für jüdische Bürger während des Ersten Weltkriegs, in der Weimarer Republik und in den Jahren des zunehmend virulent werdenden Antisemitismus und der Unterscheidung im Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Die Hilflosigkeit der Weimarer Politik gegenüber dem Bedürfnis zahlreicher Soldaten nach Anerkennung ihrer Leistung beschreibt der Autor eindrücklich und gibt zudem einen Ausblick auf die nationalsozialistische Indienstnahme von Traditionen der militärischen Ehrung. Er deutet an, dass die Geschichte bis in die Gründungsjahre der Bundesrepublik weiter zu schreiben wäre und verweist auf Zusammenhänge zwischen einem „Mythos der ‚sauberen Wehrmacht’“, der eng mit den soldatischen Werten verbunden sei, die das Eiserne Kreuz symbolisiere (S. 342).

Vielleicht hätte eine Ausweitung des Themas in geschlechtergeschichtlicher Perspektive oder ein Blick auf die Erziehung zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik eine Erweiterung der Untersuchung bedeutet; sie hätte allerdings wohl auch den Rahmen gesprengt. Welche Bedeutung militärische Ehren im Verhältnis von Vätern und Söhnen im 20. Jahrhundert haben, ist bislang noch kaum thematisiert worden.

Es spricht sicher für eine Studie, wenn die Lektüre neue Fragen aufwirft oder sich weitere Arbeiten mühelos zu ergeben scheinen: eine solche könnte etwa von der Frage ausgehen, wie der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge mit Trauer, Opfer und Ehrtraditionen umging und bis heute umgeht. Facettenreichtum und interdisziplinäre Zugänge machen diese Arbeit insgesamt zu einer Lektüre, die für Fachdiskussionen um „symbolische Politik“, das „Politische als Kommunikationsraum“ oder eine „neue Politikgeschichte“ anregend sein dürfte.

Anmerkung:
1 Korff, Gottfried, Antisymbolik und Symbolanalytik in der Volkskunde, in: Brednich, Rolf Wilhelm; Schmitt, Heinz (Hrsg.), Symbole. Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur. Münster u.a. 1997, S. 11-30, hier S. 13.