K. Ruffing u.a. (Hrsg.): Emas non quod opus est, sed quod necesse est

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Titel
Emas non quod opus est, sed quod necesse est. Beiträge zur Wirtschafts-, Sozial-, Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte der Antike. Festschrift für Hans-Joachim Drexhage zum 70. Geburtstag


Herausgeber
Ruffing, Kai; Droß-Krüpe, Kerstin
Reihe
Philippika 125
Erschienen
Wiesbaden 2018: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
VIII, 708 S.
Preis
€ 124,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Willing, Marburg

Das althistorische Seminar der Philipps-Universität Marburg entfaltet in jüngster Zeit eine beachtliche Aktivität.1 Als aktuelle Publikation ist eine voluminöse Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans-Joachim Drexhage anzuzeigen. Der Gelehrte wurde 1948 in Unna geboren, studierte in Münster und wurde von Thomas Pekáry (1929–2010) für die antike Wirtschaftsgeschichte begeistert. Promotion (1981) und Habilitation (1986) spiegeln dieses Forschungsinteresse wider. Von 1994 bis zum Wintersemester 2013/14 lehrte Drexhage als Ordinarius in dem Historiker-Turm der Marburger Alma Mater. Die Wissenschaft verdankt ihm die Herausgabe von drei Fachzeitschriften, die sich den Themen Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der antiken Welt widmen. In der knappen Laudatio der beiden Herausgeber wird zudem darauf hingewiesen, dass der emeritierte Jubilar manchen Irrungen und Wirrungen des Universitätsbetriebs „mit ironischer Distanz“ begegnete (S. 2), eine Formulierung, die Sympathien weckt und die Phantasie des Lesers zu beflügeln vermag.

Die Festgabe, für deren Titel eine Passage aus Senecas Briefen an Lucilius Pate stand2, wurde in die sieben Kapitel „Handelsgeschichte“, „Wirtschaftsgeschichte“, „Sozialgeschichte“, „Numismatisches“, „Der Osten der antiken Welt“, „Literarisches“ sowie „Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte“ gegliedert. Insgesamt weist der Band 38 Artikel auf, leider ohne die Autorinnen und Autoren biografisch vorzustellen und ein Schriftenverzeichnis Drexhages zu enthalten. Mit jeweils neun Aufsätzen liegen die Schwerpunkte auf der antiken Ökonomie sowie der Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte, während die Bereiche „Numismatisches“ und „Der Osten der antiken Welt“ lediglich mit drei Untersuchungen vertreten sind. Das Spektrum der Beiträge, die jeweils ein eigenes Literaturverzeichnis besitzen, ist weit gefächert. Es umfasst den Seehandel im Altertum ebenso wie die mesopotamische Preistheorie, die Rotfärber in Antiochia ebenso wie die viel diskutierte Gruppierung der Hektemoroi, die Legionsmünzen des Marcus Antonius ebenso wie die Verteilungskonflikte in Ciceros philosophischer Schrift De officiis. Nicht zuletzt wird der ausgefallene Versuch gewagt, den „Caesarenwahn“ um den dritten römischen Kaiser Caligula mit der Figur des höchst umstrittenen Burgherrn und NS-Sympathisanten Hans Wilhelm Stein (1875–1944) in Verbindung zu bringen. Fast alle Studien sind in deutscher Sprache abgefasst3, berücksichtigen jedoch in der Regel die einschlägige ausländische Fachliteratur. Ein Foto des Jubilars sowie gelegentlich eingestreute Abbildungen von Münzen, Medaillen, Statuen, Mosaiken, Briefen, historische Karten, Tabellen und Reproduktionen von NS-Materialien lockern das Werk auf.

Einen der längsten Aufsätze hat der Trierer Althistoriker Patrick Reinard verfasst (S. 205–259), der 2016 bei Drexhage in Marburg promovierte.4 Sein Thema ist der Umgang Roms mit nomadischen und tribal lebenden Stämmen in der östlichen Wüste Ägyptens im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. Als Materialgrundlage dienen Ostraka, Papyri, Inschriften und literarische Überlieferungen wie die Historia Augusta, Prokop oder Priskos. Eine Tabelle (S. 247–253) listet die verschiedenen Quellenbelege schlagwortartig auf. Reinard kommt zu dem Ergebnis, dass die Konflikte und Konfrontationen mit den Wüstennomaden seit der trajanischen Zeit langsam abnahmen und unter der Regentschaft der Severer ausklangen. Als Grund dafür wird ein ganzes Maßnahmenbündel angegeben, das von militärischen Aktionen und verstärktem Geleitschutz über eine bessere Anbindung der Stämme an die römische Obrigkeit bis zum Ausbau von Fortifikationen, etwa von Wachttürmen, reichte.

Wer sich intensiver mit der Geschichte der Disziplin befasst, wird wissen, dass Drexhage seit seinen ersten Veröffentlichungen auch auf diesem Gebiet Spuren hinterlassen hat.5 Es ist deshalb keine Überraschung, dass die umfangreichste Untersuchung der Festschrift diesem Kapitel zuzuordnen ist: Unter dem Titel „Hat man den Germanen dafür gedankt?“ (S. 493–545) versucht Claudia Deglau anhand von umfangreichen Archivmaterialien, die Aktivitäten des langjährigen Berliner Ordinarius Wilhelm Weber (1882–1948) klarer zu konturieren. Ihren Fokus legt sie auf die Reise-, Vortrags- und Publikationstätigkeit im Zweiten Weltkrieg, eine bislang unterbelichtete Periode in der Schaffenszeit des ehrgeizigen Althistorikers. Eine Lanze für den gemeinhin als NS-Vertreter eingestuften Weber hatte der ehemalige DDR-Altertumswissenschaftler Armin Jähne gebrochen.6 Gestützt darauf, dass der Gelehrte niemals Mitglied der NSDAP gewesen war, hatte Jähne dargelegt, dass Weber vermutlich als „Bauernopfer“ der Entnazifizierung zu betrachten sei. Dieses exkulpierende Votum überrascht vor allem, weil es aus „antifaschistischer“ Perspektive formuliert wurde. In ihrer sehr dichten Darstellung kann Deglau nun erhärten, dass Weber intensiv mit dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS zusammenarbeitete, antisemitische Positionen vertrat und sich aus innerer Überzeugung in die Nähe des NS-Terrorapparats begab. Insgesamt liefern ihre Ausführungen wichtige Erkenntnisse über die politischen Hintergründe von Webers Wirken im Nationalsozialismus.

Zwei „Indices“ (S. 681–708) zu historischen Quellen und modernen Personen beschließen das Werk. Insbesondere das Quellenverzeichnis wird man dankbar begrüßen. Auf einen biografischen Index für das Altertum hat man verzichtet, offenbar um Doppelungen mit den aufgelisteten Schriftstellern zu vermeiden. Diese Entscheidung führt leider dazu, dass Namen mit Signalwirkung wie Augustus, Caligula, Diokletian, Hadrian, Herodes, Solon, Sulla oder Tiberius nicht ausgewiesen werden. Ein geografisches Register fehlt. Auch sind die Einträge moderner Personen unvollständig und gleichen einem Torso.7 Folglich lässt die Erschließung des Sammelbandes einige Wünsche offen. Diese formalen Einwände sollten jedoch den Blick auf das Ganze nicht entscheidend schmälern. Interessenten der Wirtschafts-, Sozial-, Handels- und Wissenschaftsgeschichte des Altertums werden – trotz erkennbarer Unterschiede in Umfang, Qualität und Originalität – sicherlich auf den einen oder anderen wichtigen Spezialbeitrag stoßen. Und der Jubilar darf sich freuen, ein gewichtiges Präsent aus einem großen Kreis von Kollegen in den Händen zu halten.

Anmerkungen:
1 Claudia Deglau / Patrick Reinard / Kai Ruffing (Hrsg.), Klio und die Nationalsozialisten. Gesammelte Schriften zur Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte Volker Losemann(s), Wiesbaden 2017; Volker Losemann / Kai Ruffing (Hrsg.), In solo barbarico … Das Seminar für Alte Geschichte der Philipps-Universität Marburg von seinen Anfängen bis in die 1960er Jahre, Münster 2018.
2 Sen. epist. 94, 27: „Kaufe nicht, was du bloß brauchst, sondern was nötig ist“.
3 In Englisch abgefasst sind lediglich: Lucreţiu Mihailescu-Bîrliba, „Mixed“ Thraco-Roman Names in the Rural Milieu of Moesia Inferior, S. 279–285; Ireneusz Milewski, Nomismaton eikones. Theodoret of Cyrus on Iconography of Money, S. 339–344; Marek Jan Olbrycht, Augustus versus Phraates IV. Some Remarks on the Parthian-Roman Relations, S. 389–397.
4 Patrick Reinard, Kommunikation und Ökonomie. Untersuchungen zu den privaten Papyrusbriefen aus dem kaiserzeitlichen Ägypten, 2 Teile, Rahden 2016.
5 Hans-Joachim Drexhage, Deutschsprachige Dissertationen zur Alten Geschichte 1844–1978, Wiesbaden 1980; ders., Schriftenverzeichnis Friedrich Münzer, in: Alfred Kneppe / Josef Wiesehöfer, Friedrich Münzer. Ein Althistoriker zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Bonn 1983, S. 159–279.
6 Armin Jähne, Mitläufer wider Willen oder Parteigänger Hitlers? Wilhelm Webers Berliner Jahre (1932–1945), in: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin 107 (2010), S. 145–168.
7 Es fehlen die Namen von Hélène Cuvigny (S. 205 und 210), Alfred Dove (S. 465), Ernst Curtius (S. 466f.), Sven Hedin (S. 468 und 475), Jacob Burckhardt (S. 480), Armin Jähne (S. 539) usw. Karl Christ wird trotz fünfmaliger Erwähnung übergangen (S. 494, 539, 594, 596 und 654). Ferner wurden nicht wenige Personen nur selektiv im Register erfasst, z.B. Clemens Bosch, Richard Harder, Franz Miltner, Theodor Mommsen, Fritz Taeger und Joseph Vogt.

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