N. Fryde u.a. (Hgg.): Die englischen Könige

Cover
Titel
Die englischen Könige im Mittelalter. Von Wilhelm dem Eroberer bis Richard III


Herausgeber
Vollrath, Hanna; Fryde, Natalie
Erschienen
München 2004: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
263 S.
Preis
€ 12,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sybille Schröder, Institut für Geschichte und Kunstgeschichte, Technische Universität Berlin

In jüngster Zeit entstanden im deutschsprachigen Raum erfreulich viele hochqualitative Studien, die sich mit der Geschichte Englands im Mittelalter befassen und zugleich auch ein weiteres Publikum ansprechen. Neben Jürgen Sarnowskys Überblickswerk zur englischen Geschichte im Mittelalter 1 ist hier Hanna Vollraths Biografie Thomas Beckets 2 zu nennen. Nun hat Vollrath gemeinsam mit Natalie Fryde im Verlag C. H. Beck den hier vorzustellenden Band herausgegeben, mit dem die Folge der in diesem Verlag erschienenen Sammelbände zu den französischen Königen und den deutschen Herrschern des Mittelalters fortgesetzt wird.3 Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Bänden haben Vollrath und Fryde ihren Überblick über die königliche Herrschaft in England nicht biografisch aufgebaut. Die einzelnen Kapitel des Buches widmen sich jeweils ausgewählten Zeitspannen englischer Königsherrschaft, wobei nur in wenigen Fällen Einzelporträts der Herrscher entstehen. Um diese ebenfalls sehr überzeugende Konzeption zu verwirklichen, haben die beiden Herausgeberinnen ausgewiesene Kenner aus England und Deutschland gewonnen.

Das erste Kapitel widmet sich der angelsächsischen Königsherrschaft und geht somit über das im Buchtitel Angekündigte zeitlich hinaus (Die frühesten ‚englischen’ Könige: von den Anfängen bis 1066, S. 11-40). Patrick Wormald nimmt hier eine differenzierte Periodisierung der angelsächsischen Epoche vor, die zu oft als Block wahrgenommen werde. Dabei definiert er verschiedene Herrschaftstypen und umreißt vorsichtig und stets auf die Problematik der Überlieferung eingehend die Biografien Alfreds des Großen und Eduards des Bekenners.

Judith Green widmet sich der Herrschaft der Normannenherrscher in umfassender Weise (Die normannischen Könige, 1066-1154, S. 41-70). Sie entwirft ein weites Spektrum der Möglichkeiten königlicher Machtausübung und zeigt, dass die Normannenkönige „die Verfassungsgrundlage der Königsherrschaft weniger revolutioniert als vielmehr vollendet“ haben (S. 70). Der Quellensituation entsprechend, geht Green dabei auf die Besonderheiten bei der Auswertung historiografischer Texte sowie administrativen Schrifttums ein.

Martin Aurell beschreibt die Herrschaft der frühen Plantagenêt-Herrscher (Die ersten Könige aus dem Hause Anjou, 1154-1216, S. 71-101). Auf der Grundlage seiner Forschungen über den Hof befasst er sich mit dem Zusammenhang von Herrschaft, Bildung, Literatur und Rittertum und behandelt die Frage, wie man in einem so großen geografischen Raum wie dem Plantagenêt-Empire die königliche Herrschaft praktisch und symbolisch umsetzen konnte. Bei der Analyse der strukturellen Ursachen für die Konflikte Heinrichs II. mit seinen Söhnen setzt sich Aurell differenziert mit der zeitgenössischen Wahrnehmung auseinander.

Nicholas Vincent widmet sein Kapitel einem einzelnen Herrscher und dazu noch einem, der als schwach galt und dem in der Forschung nicht die angemessene Aufmerksamkeit zugekommen sei: Heinrich III. (Heinrich III., 1216-1272, S. 102-129). Vincent zeigt auf vielfältige Weise, „dass Heinrich III. eine viel interessantere Persönlichkeit war, als bisher angenommen“ (S. 129) wurde. Dabei geht er stark forschungsgeschichtlich vor und fordert dazu auf, die Herrschaft des Königs unter neuen Fragestellungen und in vergleichender Perspektive mit Ludwig IX. und Friedrich II. zu untersuchen, wobei er zahlreiche Ergebnisse vorstellt.

Robin Studd befasst sich im fünften Kapitel „Die eduardische Epoche (1272-1377)“ (S. 130-149) schwerpunktmäßig mit dem „Hervortreten einer englischen Identität“ (S. 131), die das französische Selbstverständnis ablöste. Ausgehend von der Situation des Hundertjährigen Krieges weist er diese Entwicklung in verschiedenen Bereichen nach, indem er zeigt, wie sich das Englische gegen das Französische als Hof- und Verwaltungssprache durchsetzte und wie sich ein neues englisches Selbstverständnis auf den Gebieten der Literatur, der Skulptur und der Architektur manifestiert. Auch das Aufkommen antifranzösischer Propaganda sowie die Gründung des Hosenbandordens werden in dieser Hinsicht analysiert.

Karl-Friedrich Krieger gibt einen hervorragenden Überblick zur Geschichte des Hauses Lancaster (Das Haus Lancaster, 1377-1461, S. 150-185). Nach einer Exposition der juristischen Situation bezüglich der königlichen Vorrechte und der Problematik des Thronfolgerechtes präsentiert er konsistente und zugleich knapp gefasste Biografien Richards II., Heinrichs IV. und Heinrichs V., in denen die innenpolitische Lage, die Auseinandersetzungen mit dem Parlament, die dynastische Situation und zugleich die Entwicklung des Hundertjährigen Krieges präzise dargestellt werden. Übergreifend widmet sich Krieger dem Verhältnis zwischen Königtum und Kirche und der Rolle der Lollardenbewegung und Johann Wyclifs.

Im abschließenden Kapitel 7 befasst sich Bärbel Brodt mit den Rosenkriegen (Das Haus York und die Rosenkriege, 1461-1485, S. 186-226). Dabei geht sie in anschaulich darstellender Weise von den komplexen dynastischen und politischen Konstellationen sowie der rechtlichen Ebene aus, um die Entwicklung und die militärische Dynamik der Konflikte zu analysieren. Zudem untersucht sie, welche Rolle dem Hofleben und der dort entfalteten Pracht für die Repräsentation und Ausübung königlicher Herrschaft zukam.

Entstanden ist ein höchst informatives Werk, das einen fundierten Überblick auf dem aktuellen Forschungsstand bietet, aber auch darüber hinaus interessant ist, da es ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die Analyse königlicher Herrschaft vorstellt. Der Überlieferung und den inhaltlichen Anforderungen der jeweiligen Zeitspanne entsprechend, weisen die Kapitel unterschiedliche und eigenständige thematische Schwerpunkte auf und sind stark von dem methodischen Zugriff sowie der inhaltlichen Ausrichtung der Autoren geprägt. Damit ist das Werk nicht nur als Einführung für Studierende geeignet, sondern auch in weiterführender Hinsicht wertvoll.

Eine hilfreiche Chronologie, Bibliografien, ein Register sowie Stammtafeln und Karten werten diesen sehr gelungenen Sammelband nochmals auf, der mehr als einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem englischen Königtum bietet und eine breite Leserschaft finden wird. Erfreulich ist auch, dass der Kaufpreis dieses Paperback-Buches nicht sehr hoch ist.

Anmerkungen:
1 Sarnowsky, Jürgen, England im Mittelalter, Darmstadt 2002.
2 Vollrath, Hanna, Thomas Becket. Höfling und Heiliger, Göttingen 2004.
3 Ehlers, Joachim; Müller, Heribert; Schneidmüller, Bernd (Hgg.), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498, München 1996; Schneidmüller, Bernd; Weinfurter, Stefan (Hgg.), Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I., München 2003.

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