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Titel
Kulturproblem Frau. Weiblichkeitsbilder in der Kunst des Nationalsozialismus


Autor(en)
Frietsch, Elke
Reihe
Literatur-Kultur-Geschlecht 41
Erschienen
Köln u.a. 2006: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
330 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nadine Rossol, History Department, University of Limerick

Der Kunsthistoriker Willibald Sauerländer erinnerte sich kürzlich an die Arbeiten, die während des Nationalsozialismus im Münchener „Haus der Deutschen Kunst” gezeigt wurden, wie folgt: „Die deutsche Frau wurde gerne als Aktfigur gemalt, auch dann vornehmlich in der Bauernstube. Die Männer waren in Uniform dargestellt mit Helm, Schulterriemen, Handgranaten. Die Botschaft war: die Frau ist der Lebensborn, der Mann der Krieger.“1 Elke Frietsch beginnt ihre Studie „Kulturproblem Frau. Weiblichkeitsbilder in der Kunst des Nationalsozialismus“ mit einer Erweiterung dieser Beobachtung und fragt, warum so viele Allegorien im Nationalsozialismus weiblich konnotiert waren. Die Kunsthistorikerin verweist zunächst darauf, dass wegen der Annahme, dass die ausgestellte Kunst im Nationalsozialismus sowieso nur Mittelmaß und zudem frauenfeindlich gewesen sei, es lange als gerechtfertigt galt, sich mit der Kunst im Dritten Reich nicht weiter zu befassen. Das Aufzeigen von Kontinuitätslinien in Weiblichkeitsbildern mit den Zeiten vor 1933 und nach 1945 wurde so erschwert. In ihrer in sechs Kapitel gegliederten und reich bebilderten Arbeit will Frietsch nachzeichnen „wie die Aktivierung von essentialistischer Geschlechtsbilder dazu diente, Widersprüchlichkeiten innerhalb der NS-Ideologie zu ontologisieren und performativ als natürlich bzw. als Natur zu inszenieren“ (S.13). Dazu beschränkt sie ihre Quellenanalyse nicht nur auf künstlerische Arbeiten, sondern behandelt auch die Darstellungen von Frauen in ausgewählten NS-Zeitschriften.

Das erste Kapitel beginnt mit einem Überblick zu den historischen, philosophischen und biologischen Forschungen zur Konstruktion von Geschlechtskörpern. Diskurse über den Körper der Frau als Allegorie der Gesellschaft, die Festlegung von Weiblichkeit auf Natur und die Vorstellung, dass am Bild der Frau der Zustand der Kultur abzulesen sei, verankert Frietsch im 18. Jahrhundert. Die Vielfältigkeit von Frauenbildern, die im Nationalsozialismus Bestand hatten und Frauen keineswegs nur auf Gebärmaschinen reduzierten, wird im zweiten Kapitel mit Hilfe eines Querschnittes durch NS-Zeitschriften untersucht. Bei allen Unterschieden der analysierten Periodika wird die Verbindung zwischen der Stellung der Frau und Tendenzen der Zivilisationskritik deutlich. Auch die Betonung der Gesundheit, der Natürlichkeit und teilweise auch der Sportlichkeit der Frau nimmt einen großen Raum ein.

Die verbleibenden Kapitel der Studie konzentrieren sich auf die Darstellung der Frau in der Kunst. Frietsch beschreibt zunächst, wie in rassentheoretischen Schriften „dem Bild Aufgaben zugedacht wurden, Widersprüchlichkeiten und Unschärfen innerhalb der NS-Ideologie ästhetisch zu überblenden“ (S. 289). Dies sollte durch die Inszenierung des Staates als Gesamtkunstwerk einerseits und durch Abgrenzung vom Anderen andererseits gelingen. Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ und die Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 hatten diese Aufgaben zu erfüllen. Im fünften Kapitel konzentriert sich die Autorin auf eine genaue Untersuchung des Bildes von Adolf Zieglers Bild „Die vier Elemente“, in welchem Erde, Wasser, Feuer und Luft durch weibliche Aktfiguren dargestellt werden. Bilder des Weiblichen verkörperten so die ewigen Werte. Überzeugend argumentiert Frietsch, dass Zieglers Darstellung als Legitimation von nationalsozialistischer Autorität und Macht interpretiert werden kann. Ikonographische Versatzstücke wurden in diesem Werk kombiniert, und sie ersetzten bürgerliche Repräsentationsversuche von Fortschritt und Technik durch gesetzmäßige Natürlichkeit, Wahrheit und Ewigkeit. Herrschaft konnte direkt von der Natur abgeleitet werden. Dazu musste auf die Darstellung des Weiblichen zurückgegriffen werden, denn, so Elke Frietsch, die Visualisierung von universellen Werten durch männliche Körper war kaum realisierbar. Das Männliche stand vielmehr für partikulare Subjekte. Vergleiche dieser Weiblichkeitsbilder mit dem als Zivilisationsverfall interpretiertem Frauenbild der Weimarer Republik, z.B. den Lustmorddarstellungen von George Grosz und Otto Dix, legitimierten den nationalsozialistischen Rückgriff auf „weibliche Natürlichkeit“ umso mehr.

Mit ihrem sechsten und letzten Kapitel, das auch eines der umfangreichsten der Arbeit ist, geht Frietsch auf verschiedene Motive ein, die bei der Visualisierung von Weiblichkeit eine Rolle spielten. Deren wichtigstes war wohl die Darstellung des Weiblichen mit Gefäßen. Hatte diese Darstellungsweise des Körpers, meist um das menschliche Wesen auszudrücken, eine lange Tradition, so argumentiert Frietsch, dass sie sich nicht nur von der männlichen zur weiblichen Gestalt verschob, sondern auch vom Seelengefäß zum symbolischen Gemeinschaftskörper im Nationalsozialismus. Wenn schon der Begriff „deutsche Rasse“ im Dritten Reich nie genau festgelegt werden konnte, dann mussten wenigstens weibliche Körper als Gemeinschaftsmythos dienen. Frietsch erklärt außerdem die Bedeutung von Gefäßen als Fruchtbarkeitssymbole in der NS-Kunst, „die zahlreichen Darstellungen von Müttern und Bäuerinnen mit Gefäß korrespondierten mit der Marienikonologie“ (S. 222). Ähnlich symbolisch für Ganzheitsideale im Dritten Reich waren die Darstellungen von Frauen und Wasser bzw. Frauen in der Natur. Zwar blickten auch diese Weiblichkeitsbilder eine lange Tradition zurück, doch konnten sie im Nationalsozialismus ideologische Grundsätze und Ganzheitsmythen sichtbar machen. Damit überspielten sie praktische Unschärfen im NS-Kanon. Dies galt auch für liegende weibliche Akte, die im Dritten Reich gemalt wurden und die oft an die Renaissance angelehnt waren. Elke Frietsch verdeutlicht, dass durch die Beigabe alltäglicher Gebrauchsgegenstände, aber auch die Titel der Bilder – so etwa „Fränkische Venus“ – Renaissance-Ideale völkisch umgeformt und dadurch für das Dritte Reich nutzbar gemacht wurden. Frietsch folgert: „In den Venusbildern der Kunst der NS-Zeit wird Weiblichkeit inszeniert, als habe es in der Geschichte kein Großstadtleben und keine Frauenemanzipation gegeben.“ (S.286)

Frietschs Buch ist eine kunsthistorische Dissertation. Dies ist dem Manuskript deutlich anzumerken. Primärquellen sind stellenweise viel ausgiebiger zitiert, als es für das Voranbringen der Thesen notwendig gewesen wäre. Und immer wieder geht Frietsch ausführlich auf Argumente ein, die sie zu widerlegen sucht. Solch eine Vorgehensweise zeichnet gelungene wissenschaftliche Arbeiten aus, steigert allerdings nicht die Lesbarkeit eines Buches. Auch die Struktur und Anordnung der Kapitel wirkt etwas unausgewogen, mit manchen sehr langen und extrem kurzen Kapiteln. Unpraktisch ist, dass die Studie keinen Index besitzt. Diese formalen Mängel sollen den Inhalt allerdings nicht abwerten. Das Buch „Kulturproblem Frau“ belegt, dass Weiblichkeitsbilder der Nationalsozialisten an lange vorgeprägte Traditionen anknüpften. Dabei wurden sie nationalsozialistischen Vorstellungen, Zielen und Machtansprüchen angepasst. Die Frauenbilder der 1920er-Jahre dienten dabei als negativer Kontrast zur sogenannten „Natürlichkeit“ der Frau im Dritten Reich. Elke Frietschs Analyse zeigt auf vielschichtige Weise, dass auch die Weiblichkeitsbilder im Nationalsozialismus von Publikationsorganen, dem Publikum und den Zeitumständen abhingen.

Anmerkungen:
1 Sauerländer, Willibald, Exorzismus der Avantgarde. Vom Hort pathologischer Ausrottungspolitik zum Officers Club: Erinnerungen an eine Jugend im Schatten des „Hauses der Deutschen Kunst“, in: Süddeutsche Zeitung vom 14/15. Juli 2007, S. 15.

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