Cover
Titel
Evangelical News. Politics, Gender, and Bioethics in Conservative Christian Magazines of the 1970s and 1980s


Autor(en)
Bassimir, Anja-Maria
Reihe
Religion & American Culture
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 367 S.
Preis
€ 69,10; $ 59.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Schüler, Religionswissenschaft, Universität Leipzig

Evangelical News von Anja-Maria Bassimir ist nicht nur ein gelungenes Werk über die Entwicklung des Evangelikalismus und den Aufstieg der christlichen Rechten, sondern bietet mit seiner Analyse evangelikaler Periodika eine erfrischende Perspektive auf dieses Thema. Das Buch basiert auf einer 2016 an der WWU Münster im Fach Geschichte eingereichten Dissertationsschrift, in der sich die Autorin gezielt mit der Rolle von evangelikalen Printmedien in der US-amerikanischen Religionsgeschichte in den 1970er- und 1980er-Jahren befasst. Die Arbeit besitzt einen stark interdisziplinären Charakter, der Perspektiven und Fachdiskurse aus der Religionswissenschaft sowie Medienwissenschaft einschließt.

Ihre Analyse bietet gleich zwei Vorteile: Erstens konzentriert sie sich auf die Rolle von Magazinen als bisher in der Forschung vernachlässigte Quellengattung, die jedoch Aufschluss über die diskursiven Dynamiken in einem sehr heterogenen evangelikalen Milieu geben. Zweitens zeigt sie, wie über zwei Jahrzehnte hinweg quer zu unterschiedlichen Themen wie Politik, Gender und Bioethik immer wieder konkurrierende Visionen von Evangelikalismus verhandelt wurden, die dennoch als diskursive Einheit zu verstehen sind und letztlich auch die christliche Rechte formten.

Das Buch (234 Seiten plus Anhang und Index) gliedert sich in zwei Hauptteile, eines zu jedem Jahrzehnt. In ihrer Einleitung greift Bassimir die von Evangelikalen selbst wahrgenommene Identitätskrise in den 1970er-Jahren auf, stellt diesen Diskurs in den Mittelpunkt ihrer Gesamtanalyse und argumentiert, dass dieser vor allem durch disparate evangelikale Stimmen und die umstrittene Autorität evangelikaler Protagonisten entstanden sei (S. 9). Dieser Zugriff ist entscheidend für das ganze Buch und bietet aus der Perspektive des Rezensenten die größte Stärke des Werks. Bassimir zeigt damit, wie evangelikale Magazine einerseits die Stimmenvielfalt des Evangelikalismus widerspiegeln und gleichzeitig als Medien dazu beitrugen, dass überhaupt ein geteilter Diskurs entstehen konnte, indem sie sukzessive eine spezifische evangelikale Sprache etablierten. Dazu fasst sie die sich entwickelnde evangelikale Redensart als „visions“ auf, was einerseits gut nachvollziehbar die Praxis des „envisioning“ und damit den Prozess der Identitätsbildung einfängt, andererseits ein wenig untertheoretisiert bleibt in Bezug auf die analytische Umsetzung.

Konsequent untersucht die Autorin die Magazine aus einer kulturwissenschaftlich informierten Perspektive als Produkte und Produzenten von Kultur. Insbesondere bekannte Autoren bzw. evangelikale Celebrities fungierten laut Bassimir als Autoritäten im Diskurs um evangelikale Identität. Anhand von 27 Abbildungen von Magazincovern, Artikelüberschriften oder Cartoons zeigt sie zudem die Rolle und Spezifik der Bildsprache in den Zeitschriften. Ihre Quellen begrenzt Bassimir dabei auf eine Auswahl von acht zentralen Zeitschriften, die keine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Denomination oder zu einer missionarischen Organisation aufweisen sollten, um die allgemeine Debatte besser abzubilden. Ihre Analyse untermauert sie zudem immer wieder durch Fachliteratur.

In Kapitel zwei (aus Part I: The 1970s, S. 27–74) beschreibt Bassimir die Rolle der Zeitschriften und insbesondere der Autoren für einen doppelten Transformationsprozess des modernen Evangelikalismus, den sie „conversion politics“ nennt. Dabei hebt sie einerseits hervor, dass die Autoren Evangelikale als eine Gemeinschaft adressierten und ein entsprechendes kollektives Bild zeichneten, das über die individuelle Erlösungsrhetorik hinausging. Andererseits wurde im Laufe der 1970er-Jahre das evangelikale Selbstverständnis als gesellschaftliche und politische Kraft immer mehr gestärkt. Evangelikale sahen sich dabei zunehmend als moralische Instanz, die nicht zuletzt nach dem sogenannten Watergate Skandal eine Notwendigkeit politischer Wiedergutmachung forderten. Der Akt der Konversion trat dann spätestens 1976 mit dem Präsidentschaftswahlkampf Jimmy Carters nicht nur als persönliches Bekenntnis durch den Ausdruck des „born again believer“ in das politische Rampenlicht, sondern wurde zugleich zu einem synonymen Verständnis einer möglichen gesellschaftlichen Einflussnahme. Dass dieser Transformationsprozess nicht reibungslos vonstattenging, zeigt Bassimir auf beeindruckende Weise anhand unterschiedlicher Protagonisten sowie deren disparaten Narrative und Sprechweisen. Beispielsweise avancierte unter linken Evangelikalen wie Jim Wallis der Begriff „civil religion“ (in den 1970er-Jahren unter ganz anderen Vorzeichen bekannt geworden durch den Soziologen Robert Bellah) zu einer abwertenden Bezeichnung eines verbreiteten christlichen Glaubens, der die Politik Amerikas (etwa im Vietnamkrieg), politischen Machtmissbrauch sowie rassistische Ressentiments rechtfertigte.

In Kapitel drei (S. 75–124) beschäftigt sich Bassimir mit den in den 1970er-Jahren aufkeimenden öffentlichen Debatten über Feminismus und Gender, was sie als eine zentrale Herausforderung für die evangelikale Identität identifiziert. Auch hier zeigt die Autorin, wie bestimmte Begriffe im gleichen Diskursfeld unterschiedliche Konnotationen und Bedeutungen erhalten haben. Das Wort „submission“ etwa wurde von konservativen Evangelikalen im Sinne einer eindeutigen, aus deren Sicht biblischen Ordnung zwischen Mann und Frau verstanden, während evangelikale Feministinnen in dem Begriff eine Form der Selbstbestimmung und damit der selbstbestimmten Unterwerfung unter Gott sahen und ebenso mit der Bibel argumentierten. Die Autorin stellt dabei jedoch klar, dass der evangelikale Diskurs nicht einfach in zwei Lager aufzuteilen war, sondern dass die unterschiedlichen Positionen durchaus im gleichen Milieu vorhanden waren. Diese Debatten forderten aber nicht nur evangelikale Identitäten heraus, sondern stärkte diese auch in der politischen Arena. Im Zentrum des Diskurses ging es nämlich nicht nur um Frauenrollen und eine Infragestellung der Geschlechterordnung, sondern um die moralische Instanz der Familie. Dieses Thema wurde später wegweisend für den politischen Aktivismus der religiösen Rechten. Einmal mehr zeigt sich in der Darstellung von Bassimir die evangelikale Vielstimmigkeit, die sich hinter den Magazincovern verbirgt und die die Autorin durch ihre Analyse zum Vorschein gebracht hat.

In den Kapiteln vier bis sechs widmet sich die Autorin den evangelikalen „Visionen“ in den 1980er-Jahren, mit einer kurzen Hinführung in Kapitel vier. Im 5. Kapitel schließt die Autorin an Kapitel zwei an, indem sie den Übergang von einer „conversion politics“ hin zur umfangreichen Politisierung der Evangelikalen und den Aufstieg der religiösen Rechten nachzeichnet (S.137–176). Die Autorin verdeutlicht dabei, dass die von ihr untersuchten evangelikalen Zeitschriften den Aufstieg der christlichen Rechten und deren Ideologie eines „christlichen Amerika“ keinesfalls nur bejubelten. Es gab durchaus kontroverse Stimmen und Versuche, alternative Verständnisse eines christlichen Amerikas zu etablieren oder sogar ganz auf diese Ausdruckweise zugunsten der pluralistischen Geschichte der USA zu verzichten. Bassimir schafft es dabei immer wieder, die aktive Rolle der Magazine als Produzenten und nicht nur als Abbild des Diskurses zu verdeutlichen.

In Kapitel sechs (S. 177–226) schließt Bassimir an Kapitel drei (Feminist Challenge) an, indem sie die Weiterführung dieses Diskurses in den 1980er-Jahren beleuchtet, nun in seiner Gestalt als biomedizinische Herausforderung für die evangelikale Identität. In dieser Debatte wurde das zentrale Thema Familie um die grundsätzliche Frage erweitert, ab wann ein neues Leben beginnt und wie dieses Leben geschützt werden kann. Neue biomedizinische Verfahren wie die künstliche Befruchtung regten die Debatte genauso an wie die Möglichkeit der genetischen Manipulation von menschlichem Erbgut. Dieses Kapitel erschließt eine in der Forschung bislang vernachlässigte Facette des evangelikalen Diskurses, die weit über das allgemein bekannte Thema der kompromisslosen Ablehnung von Abtreibung hinausging. Es kann als großes Verdienst der Autorin bezeichnet werden, hier tiefer gegraben zu haben.

Bassimir bietet mit ihrem Quellenfokus auf evangelikale Periodika eine erfrischende Perspektive, die immer wieder kulturwissenschaftlich gerahmt und reflektiert wird. Das Buch macht neugierig beim Lesen und das ist sicherlich das beste Prädikat für eine Dissertation. Eine fundamentale Kritik wäre hier fehl am Platz, eine Anmerkung sei jedoch erlaubt: Die Autorin zeichnet einen spannenden Diskurs zur Entwicklung des modernen Evangelikalismus in seiner ganzen Vielstimmigkeit nach. Dazu hat sie bestimmte Themen isoliert, die diesen Diskurs geprägt haben. Andere Themen, wie etwa der Kalte Krieg, die Israelpolitik der USA, die Formierung des säkularen Humanismus, die Vermittlung der Darwinschen Evolutionstheorie an öffentlichen Schulen oder die christlichen Endzeiterwartungen spielten sicherlich eine ebenso brisante Rolle für den Erfolg der christlichen Rechten – einige dieser Themen werden von der Autorin auch gestreift. Eine stärkere Begründung der getroffenen Themenauswahl wäre an der einen oder anderen Stelle wünschenswert gewesen.

Eine historische Analyse zielt jedoch nie auf Vollständigkeit ab. Bassimir zeigt vielmehr anhand konkreter Themen beeindruckend, wie evangelikale Visionen und deren sprachliche Rahmung stets ambivalente moralische Deutungen und Aushandlungen innerhalb evangelikaler Kreise erfahren haben. Damit verdeutlicht sie auf überzeugende Weise, dass „der Evangelikalismus“ ein hoch dynamisches und heterogenes Gebilde darstellt, und dass der Diskurs – trotz seiner teils ambivalenten Deutungen – Gemeinsamkeiten generiert, sodass er sowohl von innen als auch von außen als „evangelikale Identität“ gelesen werden kann.

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