Ein Mann steht an einem Messestand und schaut sich ein großes Schiffsmodell an, hinter ihm sind ebenso sorgfältig gearbeitete Truhen und ein bunt lackierter Holzschuh zu erkennen – Produkte gewöhnlicher Handwerkskunst, könnte man meinen, doch der Stand ist kein gewöhnlicher Stand, wie das große Banner über dem Stand zeigt: „Ausgeführt von den Schutzhäftlingen des Konzentrationslagers Oranienburg“ (S. 70) heißt es darauf. Auf der „Braunen Messe – Deutsche Woche“ konnten die Besucherinnen und Besucher 1934 die von Inhaftierten hergestellten Produkte betrachten – und sollten zugleich für die propagandistische Darstellung der Lager als angebliche „Besserungsanstalten“ empfänglich gemacht werden.
Die „Zwangsausstellung“ in Oranienburg ist nur eine von rund 2.600 temporären Ausstellungen, die die Historikerin Rosemarie Burgstaller für ihre bereits 2012 am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien vorgelegte Dissertation ermittelt und zum Teil intensiv analysiert hat. Dabei spielen die schon seit langem in der Forschung thematisierten Kunstausstellungen wie die im Juli 1937 in München eröffnete Schau „Entartete Kunst“ nur am Rande eine Rolle. Burgstaller erweitert stattdessen den Blick, indem sie die breite Vielfalt an Feindbildausstellungen äußerst materialreich vorstellt und so einen Beitrag zur Geschichte eines speziellen Sektors der Propaganda im Nationalsozialismus leistet. „Das Land war seit der nationalsozialistischen Machtübernahme nahezu übersät mit Ausstellungen, die dem Zweck dienten, das gesellschaftliche Klima zu vergiften, Ressentiments und Hassgefühle zu schüren.“ (S. 10) Hier sollten die Menschen „‚ihre‘ Bedrohungen kennenlernen, die vermeintlichen Gründe für die Maßnahmen des Regimes nachvollziehen können und sich dabei auch bestärkt fühlen.“ (S. 14)
Organisiert wurden die unterschiedlichen Ausstellungen von verschiedenen Akteuren – es gab zum Teil verwirrende und sich wandelnde Zuständigkeiten. Insbesondere das Propagandaministerium spielte allerdings eine zentrale Rolle. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Ausstellungen für die Beteiligten auch lukrativ sein konnten und es offenbar nicht selten auch zur Misswirtschaft kam.
Dem bei der Erforschung von Ausstellungen stets wiederkehrenden Problem, die Wahrnehmung der Besucherinnen und Besucher nicht wirklich nachvollziehen zu können, begegnet Burgstaller dadurch, dass sie akribisch entsprechende Quellen ganz unterschiedlicher Provenienz wie zum Beispiel Zeitzeugenberichte oder vielfältige Quellen staatlicher Herkunft heranzieht und so zumindest begründete Vermutungen über die Wirkung der Ausstellungen anstellen kann.
Zwar fehlen in der Studie keineswegs Analysen der großen, bekannten und zum Teil bereits von der Forschung in den Blick genommenen Ausstellungen wie „Der ewige Jude“, „Der Bolschewismus – Große antibolschewistische Schau“ und „Das Sowjetparadies“. Doch Burgstaller widmet sich im ersten Teil ihrer Darstellung zunächst intensiv wirtschaftsorientierten Schauen wie den „Braunen Messen“, die nicht nur die „deutsche Leistungsgemeinschaft“ veranschaulichen, sondern zugleich auch antisemitische Feindbilder verbreiten sollten. Die bislang nicht systematisch betrachteten Ausstellungen beziehungsweise Ausstellungssektionen spielten insbesondere für den ländlichen Raum eine wichtige Rolle. Hier entfaltete gerade die Präsentation handwerklicher, oft von „volksdeutschen“ Gruppen außerhalb der Grenzen stammender Produkte eine identitätsstiftende Wirkung. Mithilfe solcher Präsentationen ließ sich auch dem Handwerk eine Bedeutung zuschreiben, die es im Alltag so nicht besaß, da es von der nationalsozialistischen Politik kaum profitierte.
Doch die Relevanz der „Braunen Messen“ und vergleichbarer Ausstellungen ging über die Frage der Rolle des Handwerks hinaus. Burgstaller zeigt auf, dass es in vielen dieser Schauen Abschnitte gab, in denen die nationalsozialistische Ideologie den Besucherinnen und Besuchern mehr oder weniger beiläufig vermittelt wurde. So gab es beispielsweise Räume zur „entarteten Kunst“, zur Rassengesetzgebung und zur „rassenphysiognomischen“ Gegenüberstellung von Menschen mittels Fotoserien. Im Jahr 1933 sollen 3,68 Millionen Menschen die rund 160 „Braunen Messen“ besucht haben. Durch die Neuorientierung und Zentralisierung des propagandistischen Ausstellungswesens verschwanden jedoch die „Brauen Messen“ seit 1934 – zumal ihre Funktion als „Verdränger“ jüdischer Handwerksbetriebe überflüssig wurde, da jüdische Gewerbetreibende immer stärker direkte Repressionen zu erleiden hatten.
Parallel zu den Messen wurden schon seit 1933 Ausstellungen organisiert, die antisemitische und antisowjetische Propaganda zum zentralen Inhalt hatten. Derartige Ausstellungen thematisiert Burgstaller im zweiten Teil ihrer Arbeit. Auch hier zeigt sich eine große Bandbreite von (Mit-)Veranstaltern und Themen. So engagierten sich kirchliche Vertreter und Organisationen etwa in sogenannten Hungerbriefausstellungen, in denen Briefe aus der Sowjetunion präsentiert wurden, in denen das Leid von Menschen geschildert wurde und die sich als Material für antisowjetische Propaganda nutzen ließen. Auch im Kampf gegen Freidenker und Freimaurer wurde das Medium in sogenannten Antigottlosenausstellungen eingesetzt. Viele dieser Ausstellungen wurden im Rahmen der Antikomintern-Arbeit realisiert. Diese antisowjetische Propagandatätigkeit beschränkte sich auch nicht auf Deutschland. Vielmehr bemühte sich das Regime darum, Ausstellungen auch im Ausland zu platzieren und so einerseits Menschen in anderen Staaten zu beeinflussen und andererseits einen scheinbar internationalen Abwehrkampf gegen den Bolschewismus zu präsentieren. Ein von Burgstaller detailreich geschildertes Projekt in diesem Kontext ist die 1937 in Großbritannien gezeigte Ausstellung „How Moscow Plan for World-Revolution“, an deren Eröffnung zahlreiche Parlamentarier und Vertreter der Wirtschaft teilnahmen.
Seit 1936 wurde vom Regime allerdings zunehmend in umfangreicheren Formaten und mit größeren finanziellen Mitteln geplant. Es entstanden mehrere Wander- und Großausstellungen wie „Der Bolschewismus – Große antibolschewistische Schau“, „Große antibolschewistische Ausstellung: Bolschewismus ohne Maske“ und „Der ewige Jude“ – letztere bildete auch den Ausgangspunkt für die 1941 in Paris gezeigte „Le Juif et la France“. Dabei wurden auch Formate wie Präsentationen in Lastkraftwagen organisiert, die in besonderer Weise den Willen des Regimes veranschaulichen, möglichst alle Mitglieder der „Volksgemeinschaft“ zu erreichen. Inhaltlich markierten diese Ausstellungen, wie Burgstaller herausarbeitet, „Stufen der zunehmenden antisemitischen Aggressivität der NS-Propagandaausstellungen“ (S. 199).
Schließlich geht es im dritten Teil der Studie um solche Ausstellungen, die während des Krieges und dabei insbesondere auch in den besetzten Gebieten veranstaltet wurden. Neben den großen antibolschewistischen Ausstellungen, die unter anderem in Budapest, Paris und Sofia, aber auch – von Wien ausgehend – in vielen Städten des besetzten Europa gezeigt wurden, lenkt Burgstaller den Blick auf sogenannte Schaufensterausstellungen, bei denen wegen des Warenmangels leerstehende Schaufenster für Propagandazwecke genutzt wurden. Den Schlusspunkt der Darstellung bildet „Das Sowjetparadies“, die 1941/42 in Wien erarbeitet und erstmals gezeigt wurde, um anschließend in verschiedenen Formaten durch Europa zu wandern. Die Ausstellung wurde auch im Berliner Lustgarten präsentiert, wo ein Brandanschlag durch eine Gruppe um den jüdischen Zwangsarbeiter Herbert Baum verübt wurde. Für „Das Sowjetparadies“ wurden sogar Hütten aus Weißrussland beschafft, um diffamierend den Alltag der dort lebenden Menschen zu demonstrieren. Burgstaller betrachtet die Ausstellung als „Extremform der Inszenierung von Feindbildern“: „Mit dieser Schau ist im Propagandainstrument Feindbildausstellung die letzte Stufe zu Spektakel und visueller Gewaltagitation erreicht worden.“ (S. 412)
Burgstallers Arbeit breitet erstmals und in umfassender Weise Material, Themen und Hintergründe der Entstehung der einzelnen Ausstellung aus. Zum Teil wäre eine stärkere Konzentration wohl von Vorteil gewesen, um den Prozess der Radikalisierung der Ausstellungen stärker herauszuarbeiten. Auch unterbrechen an manchen Stellen umfangreiche Rückblenden auf frühere Ausstellungen den Fluss der Darstellung und lassen den Leser und die Leserin manches Mal orientierungslos zurück. Schließlich wird bei der Lektüre schmerzlich ein Register vermisst, in dem einzelne Orte, handelnde Personen, beteiligte Organisationen und nicht zuletzt die untersuchten Ausstellungen hätten nachgeschlagen werden können und das so eine große Hilfe dargestellt hätte. Nichtsdestotrotz liefert die Studie wichtige Beiträge für ganz unterschiedliche Forschungsfelder. So präsentiert Burgstaller insbesondere zum Ausstellungswesen im Nationalsozialismus Erkenntnisse, die Einblicke in das verschachtelte System von Partei, Staat und weiteren Akteuren bieten. Zugleich trägt die Arbeit dazu bei, Formen, Inhalte und Motive der Vermittlung von Feindbildern besser zu verstehen. Damit leistet Burgstallers Untersuchung schließlich auch einen Beitrag zur analytischen Schärfung des Konzepts „Volksgemeinschaft“.
Besticht Burgstallers Arbeit durch eine breite Quellenbasis und eine beeindruckende Materialfülle, so stellt Vanessa Roccos Studie „Photofascism“ dazu einen deutlichen Kontrast dar. Ausschließlich auf publizierte Quellen bezieht sich ihre Analyse einzelner Ausstellungen, die zwischen 1931 und 1942 in Deutschland beziehungsweise Italien veranstaltet wurden, sowie über die Internationalen Filmfestspiele von Venedig zwischen 1932 und 1936.
Roccos Werk basiert in erheblichen Teilen auf bereits früher publizierten Passagen, die hier jedoch nicht als Sammelband einzelner Aufsätze präsentiert, sondern in einen inhaltlich nur wenig verknüpften Gesamttext zusammengebunden werden. Ziel der Publikation ist es zu zeigen, „how dictorial regimes use photographic mass media, methodically and in combination with display, to persuade the public […] with often times highly destructive, even catastrophic, results“. Roccos Darstellungen etwa über den vom Bauhaus geprägten Stand der Baugewerkschaften auf der Deutschen Bauausstellung, die 1931 in Berlin gezeigt wurde, über die Ausstellung „Gebt mir vier Jahre Zeit“ und über nationalsozialistische Filme in Venedig sind vor allem deskriptiv und ergänzen sich kaum zu einer übergreifenden These. Die Unterschiede zwischen Ausstellungen und Filmen in Hinsicht auf Zielgruppen, Akteure und Präsentationsformen werden nicht systematisch hinterfragt oder analysiert. Auch der titelgebende Begriff „Photofascism“ ist keineswegs theoriebildend gemeint – dahinter verbirgt sich in der Arbeit allein die alles andere als neue Erkenntnis: „Photography + Fascism […] in interwar Europe developed into a highly toxic and combustible formula.“ (S. XIII)
Erschwert wird der Versuch, Roccos Analyse nachzuvollziehen, durch die mangelhafte Reproduktion der Fotoaufnahmen, die für die Darstellung herangezogen wurden. So lassen sich auf den Bildern selten Details erkennen (vgl. z.B. S. 24, 27, 30, 31, 32). Und schließlich irritieren auch häufige Vergleiche mit der US-amerikanischen Gegenwart, insbesondere mit Donald Trumps Methoden der Propaganda. Eine auf fundierter Analyse und auf quellengestützten Vergleichen basierende Darstellung hätte möglicherweise interessante Einsichten geliefert – immer wieder eingestreute Gleichsetzungen sind dagegen für einen Erkenntnisgewinn eher hinderlich.